Gerd Kracht, Nachruf, mit zehn Worten von Angelus Silesius, Christoph Fleischer, Welver 2015

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Gerd Kracht, Mitarbeiter der Homepage www.der-schwache-glaube.de, ist am 15. Mai 2015 an einem Herzinfarkt im Alter von 62 Jahren plötzlich gestorben. Im Jahr 2004 sind wir uns im Kreis der Studierendenpfarrer wiederbegegnet, wobei mir das „wieder“ dieser Begegnung gar nicht so bewusst war wie ihm. Immerhin konnten wir an gemeinsame Erinnerungen an die Studienzeit in Münster anknüpfen, wo er, der ältere von uns beiden, bei der KSG und ich bei der ESG tätig war. Sein letzter Beitrag über das Buch „Jeder Mensch ist ein Mystiker, Impulse von seelischer Ganzwerdung“ von Abraham H. Maslow hat irgendwie schon mit der Zeit in Münster zu tun, da der Herausgeber und Mitverleger des Peter Hammer Verlages, Erhard Doubrava auch in Münster war (http://www.der-schwache-glaube.de/?p=2898). Gerd schrieb mir in einer Email: „Ich erinnere mich an ein Erlebnis, dem Jugendtreffen der Taizé Freunde. 15.000 in Notre Dame mit Frère Roger. Eigentlich waren wir schon immer Mystiker, besonders wissen wir das, wenn wir diese Ereignisse ins Bewusstsein zurückholen.“ Ich selbst habe Frère Roger in meinem ersten Semester in Münster erlebt.

David Steindl-Rast, österreichischer Benediktiner aus den USA, ist Gerd Krachts persönlicher Freund und Lehrer. Gerd hat sein Buch „Credo“ immer wieder neu rezensiert (zuletzt: http://www.der-schwache-glaube.de/?p=2877). Steindl-Rast hat die Botschaft des Buddhismus ins Christentum übersetzt, indem er sie Dankbarkeit nannte. Es ist nicht einfach, jedem Lebensereignis dankbar zu begegnen, besonders, wenn es ein plötzlicher Tod ist. Aber richtig ist, dass es immer einen Weg gibt.

Ich weiß nur noch aus seinen Erzählungen, dass er nach einer Begegnung mit dem Dalai Lama wohl auf dem Berliner Kirchentag 1989 davon erzählt hat, dass dieser auch das Vorwort zum Buch „Credo“ geschrieben hat. Gerd teilte mit David Steindl-Rast die Vision einer Religion, die nicht trennt und Gräben aufreißt, sondern verbindet und Menschen zusammen führt.

Nach der Zeit als Studierendenpfarrer in Gelsenkirchen und Recklinghausen hat Gerd in Dortmund als Weltanschauungsbeauftragter der Landeskirche gearbeitet, bis dieser Auftrag nicht weitergeführt werden konnte. Er hat in dieser Zeit wieder Kontakt zu mir gesucht, mit dem Wunsch an meiner Homepage www.der-schwache-glaube.de mitzuarbeiten (bitte suchen unter: „Kracht“). Ich muss ehrlich sagen, dass ich sogar erst Angst hatte, meine als liberal angelegte Seite solle nun von der Weltanschauungsstelle beobachtet werden. Doch das Gegenteil war der Fall: Sein Bemühen bestand darin, die Vielfalt der Religionen und Weltanschauungen als Herausforderung anzunehmen und nicht als Chance zur Abgrenzung oder missionarischer Gelegenheit anzusehen.

Er hat in letzter Zeit auch immer wieder einige Artikel über den Gebrauch von natürlichen Substanzen in der Religion geschrieben, was dazu führte, sich zu fragen, welcher Art wohl die Früchte vom Baum der Erkenntnis im Paradies gewesen seien. Er hat auch die Bemühungen der Piraten und der Grünen positiv begleitet, eine Art Legalisierung von Cannabis anzustoßen, zumindest für medizinische Zwecke. Ich habe manchen Text zunächst auch deshalb veröffentlicht, um zu zeigen, dass mir selber Pressefreiheit wichtig ist, da ich bemüht bin, dass jeder Autor selbst das Urheberrecht für seinen Artikel hat.

Der Pfarrer und Autor Gerd Kracht, Recklinghausen, ist nicht mehr mit uns. Doch das, was er angestoßen hat, wirkt weiter. Er hat in seiner unablässigen Bemühung um Meditation gezeigt, dass in der Stille eine große Kraft liegt. Gott als die Kraft des Lebens hat ihn aufgenommen und so ist er nun Teil des Lebens geworden, das uns umgibt, umkleidet mit dem geistlichen Leib, den Paulus den Auferstandenen zugesteht: „Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib.“ (1. Kor. 15, 42-44)

Unser gemeinsames Projekt, die Kommentierung einiger Sprüche des cherubinischen Wandersmanns von Angelus Silesius ist mit Nr. 100 zum Erliegen gekommen und sollte nun fortgesetzt werden. Die nächsten zehn Worte handelten vom Tod. Meine Kommentierung hat er nicht mehr aufgenommen. Daher möchte ich sie ihm nun einfach widmen und diesem Nachruf anfügen:

 

  1. Vom Tode

Der Tod ist doch noch gut; könnt ihn ein Höllhund haben,

Er ließ im Augenblick sich lebendig begraben.

Wozu ist der Tod noch gut? Der Höllenhund wäre lieber tot, als in der Hölle zu schmoren. Was heißt das? Doch auf jeden Fall, dass der Tod dem Menschen gegenüber wertneutral auftritt. Somit steht der Tod über der Vorstellung von Himmel und Hölle. Der Tod bewertet nicht, sondern trifft jeden, ob gut oder schlecht. (C.F.)

 

  1. Auch von ihm

Man wünschet sich den Tod und fliehet ihn doch auch;

Jens ist der Ungeduld und dies der Zagheit Brauch.

Dieser Spruch zeigt, dass der Mensch eine doppelte Einstellung zum Tod hat, einmal wünscht sich der Mensch den Tod, wenn Krankheit etwa das Leben unerträglich macht. Das andere ist die Angst vor dem Tod. Jeder Mensch ist normalerweise nicht auf den Tod eingestellt. Daher löst ein plötzlicher Tod oft einen Schock aus, anders, wenn Menschen krank waren und sich verabschieden konnten. (C.F.)

 

  1. Das Leben und der Tod

Kein Tod ist herrlicher, als der ein Leben bringt.

Kein Leben edler, als das aus dem Tod entspringt.

Was ist das Leben nach dem Tod? Ist es ein Leben aus dem Tod? Ist das eine Erfahrung für die Hinterbliebenen oder für die Verstorbenen selbst. Vermutlich gilt es zunächst auf jeden Fall für die Trauernden, die nach dem Tod eines Menschen auch einen Neuanfang erleben. Gleichzeitig muss auch der Verstorbene erfahren, dass der Tod ein Übergang zu einem neuen, anderen Leben ist, ein Leben im Geist. (1. Kor. 15) (C.F.)

 

  1. Der Tod der Heiligen

Der Tod der Heiligen ist wert geacht vor Gott;

Sag, wo es dir bewußt, was ist es für ein Tod?

Ganz typisch sind die Heiligen, die verstorben sind, auf ganz neue Art und Weise präsent. auch wer nicht an Heilige glaubt, kann diese Erfahrung machen, dass Menschen durch ihren Einsatz oder ihre Botschaft in der Erinnerung weiterexistieren und dass ihr Name auch nach dem Tod eine wichtige Bedeutung hat (Goethe, Nietzsche, Marx, Bonhoeffer, Papst Johannes 23., Mutter Teresa, Roger Schutz, Franz von Assisi, Luther, Jesus, …). (C. F.)

 

  1. Der Tod ist gut und böse

So gut der Tod auch ist dem, der im Herren stirbt,

So ungut ist er dem, der außer ihm verdirbt.

Der Übergang in ein neues Leben ist wohl auch vom Glauben abhängig. Wer glaubt, hat das ewige Leben, sagt das Johannesevangelium. Dieses Leben kann ihm der Tod nicht nehmen. Wer ohne den Glauben stirbt, hat dann keine Möglichkeit mehr, das ewige Leben aus eigenem Antrieb zu erreichen. Was macht Gott denn eigentlich mit diesen Leben? Wird er sie nicht auch erlösen? (C. F.)

 

  1. Von den Märtyrern

Der Märytrer Lebenslauf ist wenig aufgeschrieben.

Die Tugenden, die man zur Leidenszeit gespürt,

Die lobt und preist man nur

und sind statt jenes blieben,

Dieweil ein schöner Tod das ganze Leben ziert.

Der Tod von Märtyrern ist in der Tat wichtiger als das gesamte Leben. Wenn jemand für seinen Glauben oder für eine gute Sache oder Meinung stirbt, dann hat das ein sehr starkes Gewicht. solche Menschen werden oft auch als Heilige bezeichnet. (C. F.)

 

  1. Die nützlichsten Gedanken

Denk an den Tod, mein Christ, was denkst du anders viel?

Man denkt nichts Nützlichers, als wie man sterben will.

Der christliche Glaube ist in der Tat schon sehr bestimmt von der Auseinandersetzung mit dem Tod. Jeder Mensch sollte so leben, dass er unbeschadet abberufen werden kann. Wer durch seinen Tod eine Last auf andere Menschen überträgt, hat nicht gut für seinen Tod vorgesorgt. Das Memento Mori bedeutet so viel wie das Carpe Diem. (C. F.)

 

  1. Der Mensch ist dreimal englisch

Der Thronfürst ruht in Gott, ihn schaut der Cherubin,

Der Seraphin zerschmilzt vor lauter Lieb in ihn.

Ich finde diese drei in einer Seel allein: So muß ein heilger Mensch ja dreifach englisch sein!

Jeder Mensch wird auf dreifache Art zum Engel, wenn er stirbt. Zuerst wird er durch Christus zum Reich Gottes eingeladen. Der Cherubin bewertet das Leben, da er segnet. Der Seraphin liebt den Menschen, auch unabhängig von seinen Taten. (C. F.)

 

  1. Der Weise

Der Weise suchet Ruh und fliehet das Getümmel,

Sein Elend ist die Welt, sein Vaterland der Himmel.

So wie Paulus einmal sagt, dass er sich nach dem Tod sehnt, so wird ein weiser Mensch sich nach Ruhe sehnen. Das menschliche Leben ist für ein schlicht nur Unruhe. Die Welt und das Alltagseben werden als Elend erlebt, als Jammertal. Hiermit ist aber keine soziale Not gemeint, sondern eine Art von Erfahrung, die darin besteht, dass niemand aus sich selbst heraus dem Leben vollendeten Sinn geben kann. (C. F.)

 

  1. Das Wohlfeilste

Wie wohlfeil hält doch Gott sein Reich unds ewge Leben!

Er darfs dem Büßenden für einen Fußfall geben.

Und trotzdem ist das Reich Gottes nicht nur etwas für Reiche. Gott gibt es jedem, der glaubt und zu Gott beten, sich Gott anvertraut und Gott respektiert. Der Preis ist also vom Leben aus gesehen verhältnismäßig billig. (C. F.)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Angelus+Silesius/Gedichte/Cherubinischer+Wandersmann

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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