Predigt zur Jahreslosung 2016, Christoph Fleischer, Welver 2016

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Predigt zur Jahreslosung 2016

gehalten wurde diese Predigt am 03.01.2016 in Günne und Meiningsen

Liebe Gemeinde,

Gott spricht: Ich will dich tröstet, wie einen seine Mutter tröstet. Jesaja 66,13

Werler Madonna Kopie
Werler Madonna

Der ganze biblische Abschnitt ist von Vergleichen der Beziehung Gottes zu seinem Volk mit einer Mutter geprägt. Zuerst ist von den Wehen der Geburt die Rede, dann von der Geburt selbst und vom Trinken an der Mutterbrust. Dann davon, dass die Kinder auf dem Arm getragen werden, und nun ist vom Trost die Rede, der einem Kind zuteilwird. Es ist deutlich, dass dies alles zu einem einzigen Vergleich gehört: Gott ist wie eine Mutter zu seinem Volk. Zuerst zu Israel, dann zu uns allen. Wir sagen in Christus: Gott ist wie eine Mutter zu uns.

Das Bild der Mutter ist sehr konkret gemeint. Dazu sollten wir uns einmal in Erinnerung rufen, wie wir den Trost von der Mutter erfahren haben.

Ich kann mich an den Trost der Mutter in ganz frühem Stadium leider nicht mehr erinnern. Vielleicht kommt die Erinnerung daran eines Tages wieder. Aber, da wir drei Geschwister waren, gab es immer mal wieder Grund jemanden zu trösten. Ein anderes Kind ist öfter mal hingefallen, meist sogar auf die Stirn. Und hat dementsprechend gebrüllt. Da kann man sich vorstellen, wie oft es getröstet werden musste. Ich persönlich hatte es da eher mit den Knien. Keine Ahnung warum, aber immer musste ich auf meine Knie fallen, die öfter mal etwas Blutschorf hatten.

An eine Sache kann ich mich ziemlich genau erinnern. Ein entfernter Freund, oder besser gesagt, ich dachte, dass er es wäre, hat meinen Roller weggenommen und am Waldrand unser einem Rhododendronbusch versteckt. Ich war sehr froh, als ich den Roller gefunden hatten und stürzte unter den Busch. Leider merkte ich viel zu spät, dass genau da, wo der Roller lag, ein Wespennest war. Die Wespen haben sich regelrecht auf mich gestürzt. Ich habe, wie ich später erfuhr dummerweise, die Kapuze meines Anoraks über den Kopf gezogen. Ich bin dann schnell nach Hause gefahren, den Roller hatte ich ja wieder und es ging bergab. Meine Mutter hat mich tatsächlich getröstet und mir unter der Küchenlampe jeden einzelnen Wespenstachel aus der Kopfhaut gezogen. Diesen mütterlichen Trost habe ich mein Leben lang nicht vergessen.

Trost kann bedeuten, jemanden in den Arm zu nehmen und ihn zu beruhigen. Aber ich empfinde es auch als Trost, wenn die Hilfe etwas handgreiflicher ist.

Eines Tages mussten wir allerdings auch mal unsere Mutter trösten. Sie hatte ihre Krebsdiagnose erfahren und war davon völlig fertig. Ich weiß noch, dass wir Kinder, damals schon erwachsen, nach Kräften versucht haben, sie zu trösten. Gottseidank hat sie ihre Operation und Therapie gut überstanden und ist daran nicht gestorben. Ich denke aber, dass wir uns dabei auch wieder etwas nähergekommen sind.

Zunächst möchte ich im Folgenden fragen, was Trost ist und dann, was das mit dem Glauben an Gott zu tun haben kann. Dabei versuche ich zu erklären, was Trösten beinhaltet.

Zum ersten: Trost ändert nichts, aber er hilft.
Zum Zweiten: Trost ist eine Art Nähe.

Zum Dritten: Trost ist die Bereitschaft zuzuhören.

Trost schafft nämlich in der Regel das Belastende gar nicht aus der Welt. Die schwere Enttäuschung, die Last einer Trennung oder eines Verlustes bleiben. Der Trost ändert in gewisser Weise äußerlich gesehen nichts. Und doch ändert er auf eine andere Weise etwas: Er kann helfen, das Unveränderbare auszuhalten und damit das Schwere in gewisser Weise zu lindern, zu mildern. …

Das geschieht – und das ist das Zweite – …  in der Regel dadurch, dass ein anderer Mensch einfach da ist, sich neben den Betroffenen stellt, es mit dem Leidenden aushält, nicht wegläuft, sondern dem Bedrückenden – anfangs wortlos – standhält. Schweres Leid lässt uns erst einmal verstummen, verschlägt uns die Sprache. Oft ist dieses bloße Dasein in sich schon tröstlich, und dann vielleicht mit einer leichten Berührung oder einer anderen körperlichen Geste verbunden. Trost ist zuerst etwas elementar Körperliches.

Dazu erinnere ich mich an Hiob, dessen Freunde sieben Tage stumm bei ihm saßen, als er sich nicht trösten ließ.

Und erst dann kommt das Dritte hinzu: Nämlich dem Leidenden die Wertschätzung, die Zuneigung auch durch schlichte Worte zum Ausdruck zu bringen. Und vor allem auf ihn oder sie zu hören, indem man sich mit dem Traurigen darauf einlässt, dass dieser seine Geschichte erzählt, vielleicht sogar mehrfach erzählen kann. Dass man sich mit dem Traurigen im Erzählen an die »Arbeit« macht, das Geschehene zu deuten und es so in einen umfassenden, größeren Zusammenhang einzuordnen.

… Die Ursituation des Trostes, die wir wohl so gut wie alle erlebt haben, ist der Trost der Mutter. Sie ist in aller Regel für das Kind der nächste, der vertrauteste Mensch. Lange bevor Worte uns erreichen, haben ihre Gesten und Berührungen, ihr Geruch, ihre Wärme, der Ton

ihrer von uns noch unverstandenen Worte uns erreicht. Gewährte Nähe und Zuwendung sind tröstlich. An diese Erfahrung knüpft die Jahreslosung an.

Was wir mit uns nahen Menschen erlebt haben und erleben, das verweist uns auf das, was Gott an uns tun will.  Gott spricht:  Ich will dich trösten wie einen seine Mutter tröstet.

Psalm 139 sagt: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen. Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht? Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.“ (Lutherbibel, Psalm 139, 5-10)

…. Für uns Christen hat der Trost Gottes nun freilich ein ganz persönliches Gesicht. Wer auf das Kreuz Christi blickt, der sieht, dass Gott auch in der größten Verlassenheit sich nicht zurückzieht, sondern bei uns Menschen aushält. Paul Gerhardt formuliert es so: »Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meiner Not und lass mich sehn dein Bilde in deiner Kreuzesnot« (EG 85,10).

(Quelle des kursiv Gedruckten: Dr. Friedrich Hauschild, z. T. frei ergänzt: http://www.velkd.de/gottesdienst/lesepredigt.php)

Die Wahrheit des Glaubens ist also die, dass Gott in der Nähe ist. Diese Nähe wird in Bildern ausgedrückt. Wie dem Aspekt der Mütterlichkeit kommen. Ich habe mich einmal gefragt, wo es in der Bibel solche Trostgeschichten gibt.

Einmal gibt es den väterlichen Trost im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Ein Beispiel für den mütterlichen Trost ist ja wohl Maria, die in Jesu Nähe ist, als er gekreuzigt wird. Die kirchliche Tradition hat das in den Kreuzwegstationen noch weiter ausgemalt und Maria im Endeffekt als Mutter Jesu gleich zur Himmelskönigin erklärt. Dabei ist sie einfach zuerst einmal die Trösterin Jesu, ihres Sohnes.

Eine vielleicht sogar etwas eigenartige Nähe zwischen Mutter und Sohn gibt es in der Isaakgeschichte. Isaak hat bekanntlich Rebekka geheiratet, eine entfernte Cousine. Mit ihr hat er zwei Söhne, Zwillinge. Daraus ergibt sich in der Bibel ein Konflikt. Jakob ist der Sohn dem eine Verheißung gegeben wird. Esau aber war um eine Stunde eher geboren worden und galt somit als der Älteste. Als Isaak stirbt will er dem Ältesten den Segen geben und damit die Verheißung weitergeben, die er schon von Abraham erhalten hat. Isaak ist traurig, dass er eigentlich der Zweitgeborene ist. Da lässt Rebekka zu, dass Jakob seinen Vater austrickst und verhilft ihm so zur Erbschaft. Esau ist immerhin so kulant, für ein Linsengericht auf die Erbschaft zu verzichten. Ethisch gesehen kann man das eine Unrecht nicht durch das andere aus der Welt schaffen. Aber der mütterliche Trost kann Verhältnisse ändern. Gibt es noch weitere mütterliche Trostgeschichten in der Bibel? Wem eine einfällt, kann es mir ja am Ende des Gottesdienstes sagen.

Wichtig ist daran, dass Gott für uns nicht ausschließlich Vater ist, sondern Vater und Mutter gleichzeitig. Als Schöpfer ist er Schöpfer des Lebens und macht uns in Jesus zu seinen Söhnen und Töchtern. Gottes Liebe, Gottes Versöhnung, Gottes Nähe hängen nicht an dem Wort Vater, sondern können genauso mit dem Wort Mutter oder Frau verbunden werden. Damit ist Gott keine Göttin, aber eine Gottheit, sie sowohl mütterliche als auch väterliche Rollen verkörpern.

Gott spricht: Ich will dich tröstet, wie einen seine Mutter tröstet. Jesaja 66,13

In all diesen Bildern aber ist Gott der oder die Tröstende. Wenn ich jetzt aber noch einmal an das zurückdenke, was ich über meine Mutter gesagt habe, so ist mir eines aufgefallen, dass es auch Situationen gab, wo wir unsere Mutter getröstet haben.

Und so frage ich mich zum Schluss der Predigt: Gibt es das auch Gott gegenüber?

Ich lese einmal als ein Beispiel das Gedicht von Dietrich Bonhoeffer: „Christen und Heiden“, dass er im Gefängnis geschrieben hat:

1

Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot,
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.
2
Menschen gehen zu Gott in Seiner Not,
finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot;
Sehn in verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.
Christen stehen bei Gott in seinem Leiden.
3
Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit seinem Brot;
stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,
und vergibt ihnen beiden.

(Quelle: DB: Widerstand und Ergebung)

Der allmächtige und herrschende Gott hat sicherlich einen solchen Trost nicht nötig. Aber der Gott, der in Jesus Mensch wird, nach der Geburt in der Krippe liegt und am Kreuz stirbt, dieser Gott tröstet uns wie eine Mutter, und ist dennoch genauso wie ein Mensch auch auf Trost angewiesen. Wie können wir Gott trösten, wo begegnet uns Gott heute?

Diese Frage möchte ich am Ende dieser Predigt einfach offen lassen, denn die Antwort darauf, muss jeder selbst finden.

Amen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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