Fälliger Wandel in der Glaubenseinstellung, Christoph Fleischer, Welver 2016

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Zu: Matthias Kroeger: „Was bleiben will, muss sich ändern“, Zur Legitimität einer Reform in den Herzstücken des christlichen Glaubens, Schriften zur Glaubensreform, Band 6, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2015, ISBN: 978-3-579-08198-4, www.gtvh.de, Hardcover, 94 Seiten, Preis: 12,99 Euro

Was bleiben will muss sich aendern von Matthias Kroeger
Was bleiben will muss sich aendern von Matthias Kroeger
Matthias Kroeger, Dr. theol., geboren 1935 ist emeritierter Professor der Universität Hamburg. Er gehört zu recht in die Reihe der Autorinnen und Autoren in der „Gesellschaft für eine Glaubensreform“, erinnert er doch schon längere Zeit daran, dass sich die Kirche den Herausforderungen der säkularen Zeit zu stellen hat, ohne dass sie deshalb den Kern ihrer Botschaft aufgeben müsste. Er bearbeitet in dieser kleineren Schrift einen Teil seines Buches „Im religiösen Umbruch der Welt: Der fällige Ruck in den Köpfen der Kirche“ (3. Auflage Stuttgart 2011). Wegbereiter sieht er in Rudolf Bultmann und Paul Tillich, aber auch Dietrich Bonhoeffer und Martin Luther.

Wenn die Hauptfrage nach der Überleitung der kirchlichen Lehre in die nachmetaphysische Zeit beantwortet ist, rücken zwei Grundpositionen in die Mitte der kirchlichen Lehre, das Geschenk des Lebens und die Erfahrung der Grenze im Leben: „Diese beiden Urwahrheiten – die des Geschenkcharakters in zentralen Dimensionen des Lebens und die Erfahrung des in der weltlichen Wirklichkeit und begegnenden Gebotes und der uns gesetzten Grenze – machen die erfahrbare und überprüfbare Autorität der Verkündigung Jesu aus, ohne sie auf Ethik zu reduzieren; auch in der Ethik wird ja mehr als das Tun ins Auge gefasst, nämlich die spirituelle Dimension des Unbedingten, das in allem Lebendigen uns begegnen kann und zu uns spricht.“ (S. 36)

Dass dabei die Verkündigung Jesu nicht nur kein Hinderungsgrund ist, sondern eher diese säkulare Blickrichtung fördert, hatte schon die liberale Theologie erkannt: „Jesus war Mensch mit allen Voraussetzungen und Konsequenzen, und eben in und an der Art seines Menschseins wird die Präsenz des Göttlichen deutlich.“ (S. 21) Die Geschichtlichkeit der Gotteserfahrung und die Einschränkung der eigenen Wahrheit durch das Nebeneinander mit anderen, ist von Anfang an eher eine Herausforderung als ein Problem: „Jesus täuschte sich (er war eben kein Gott), das Hereinbrechen des Reiches Gottes fand nicht statt, die alten Christen hatten mit der sogenannten Parusieverzögerung schmerzlich zu kämpfen, und statt des Reiches Gottes kam – nach einem klugen Bonmot eines französischen Neutestamentlers – die Kirche, und mit ihr die Relativität und Geschichtlichkeit der Gotteserfahrung, schließlich auch das Nebeneinander der Religionen.“ (S. 26)

Matthias Kroeger hat sehr plausibel dargestellt, wieso die kirchliche Rechtfertigungslehre in der ursprünglichen Gestalt heute nicht nachvollziehbar ist: „Seit dem Zusammenbruch des metaphysischen Denkens (s.u.) ist auch die Vorstellung des ‚Jüngsten Gerichts’ in sich zusammengebrochen, in der die juristische Anschauung und Sprache der Rechtfertigungslehre begründet ist.“ (S. 39/40)

Das Jenseits Gottes ist leer, aber der Name Gottes ist lebendig. Findige Alttestamentler würden hierin sogar eine Rückkehr zum biblischen Gottesbild entdecken. „’Gott’ ist also der Name des ungegenständlichen Geheimnisses in jeder Pore dieser Welt, ungegenständlich wie der im salomonischen Tempel leer gelassene Platz, wie der ‚nackt’ und bildlos gelassene Gott der Heiden bei Luther, ungegenständlich wie die Schönheit einer Blume oder eines Bildes, die man nicht als gegenständliches Element aus der Blume oder dem Bilde herausoperieren kann, um so ihrer habhaft zu werden.“ (S. 66)

Das Reizvolle an der Darstellung von Matthias Kröger ist, dass er eigentlich nur eine Weichenstellung innerhalb der Theologie vollzieht, einen Richtungswechsel. Vielleicht zeigt er einfach nur, dass die Theologie von Paul Tillich noch nicht wirklich umgesetzt worden ist. Aber auch die Theologie von Karl Rahner oder Eberhard Jüngel kommt einem in den Sinn, wenn man das Wort Geheimnis auf Gott anwendet. Die Frage ist nur, in welcher Art von Kommunikation sich der Abschied vom metaphysischen Denken zu vollziehen hätte. Vermutlich wäre eher eine gründliche Liturgiereform angebracht, da die Theologie die Grundgedanken dieser neuen Position ja längst bereithält. Vermutlich darf sich die Kirche nicht als Bewahrerin der Tradition zeigen, sondern als lebendige Institution der Besinnung auf die Grundbotschaften der Bibel. Aus dem Bekenntnis zu Gott dem Schöpfer wird die Aussage: „Wir danken Dir für das Geschenk des Lebens.“ (D. Rez.)

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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