Kunst endet nicht in Auschwitz, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016

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Zu: Mark Schaevers: Orgelmann, Felix Nussbaum – Ein Malerleben, Aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas, Verlag Galiani, Berlin 2016, illustriert mit Bildern von und über Felix Nussbaum, gebunden, 469 Seiten, ISBN 978-3-86971-135-5, Preis: 38,00 Euro; Die Veröffentlichung der in der Rezension enthaltenen Bilder wurde mir am 29.8.2016 von der Stadt Osnabrück, Felix-Nussbaum-Museum genehmigt.

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Der zweite Teil des Buches über Felix Nussbaum ab S. 393 erzählt die Geschichte der Auferstehung dieses Malers, der in Auschwitz ermordet wurde. Da er zu Lebzeiten noch nicht so bekannt war, ist die Wiederentdeckung seiner Bilder und deren Sammlung in Osnabrück zugleich der posthume Auftritt dieses Malers. Der Paukenschlag ist die Erstellung des Felix-Nussbaum-Museums durch den amerikanisch-jüdischen Architekten Daniel Libeskind, eröffnet im Jahr 1998. Die Bilder Felix Nussbaums werden hier gesammelt und gezeigt und für Ausstellungen weitergegeben. Träger des Museums ist die Stadt Osnabrück. Das Buch schildert den Werdegang des Museums, dessen Errichtung durch vorangegangene Ausstellungen erst möglich gemacht wurde. Typisch für den Kunstmarkt ist auch, dass es beim Ankauf eines Bildes zu einer Panne kam. Die Stadt zahlte 200.000 Euro für die Fälschung „Puppe und Pampelmuse“. Der Fälscher selbst erhielt davon 5000 Euro, und danach eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und neuen Monaten auf Bewährung.

Auch wenn es zu dieser Panne kam, so ist doch nach der Beschreibung des Buches die Sammlung der Bilder Felix Nussbaums ein großer Erfolg, der auch in der bebilderten Biographie in diesem Buch dokumentiert wird. Felix Nussbaum ist in seine Heimatstadt Osnabrück zurückgekommen.

Der große erste Teil des Buches schildert den Werdegang des Malers und seiner Ehefrau Felka Platek, die ebenfalls Malerin war. 1935 kamen sie in Ostende an, einer Hafenstadt, die Felix Nussbaum schon von einem Studienaufenthalt im Jahr 1928 kannte. Von dort zogen sie nach Brüssel um und wechselten mehrfach, auch aus Gründen der Tarnung, die Wohnung. Zuerst lebten sie als anerkannte Flüchtlinge, bis die Gesetze gegen die Juden auch im besetzten Belgien umgesetzt wurden und die Transporte nach Auschwitz begannen . Am 31. Juli startet einer der letzten Transporte nach Auschwitz, diesmal direkt von Brüssel. Anfang August wird Felka direkt nach dem Eintreffen des Zuges im Lager ermordet. Der Tag der Ermordung Felix Nussbaums ist unbekannt. Er soll zuerst noch ins Arbeitslager gekommen sein, wurde aber nicht gerettet. Es ist schon interessant, dass der begabte Maler Felix Nussbaum, der noch bis in die dreißiger Jahre von den Zuwendungen der Eltern lebte, auch unter den widrigen Umständen der Vertreibung aus Deutschland künstlerisch wirkte und so eine einmalige Dokumentation des nationalsozialistischen Schreckens in Gestalt seiner Bilder entstanden ist.

Im Folgenden stelle ich drei Bilder aus den Kriegsjahren vor und zitiere einige ausgewählte Textkommentare dazu.

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Foto © Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück

1. Bild: La Tempéte, Der Sturm (1941, W407, S. 295)
Das Bild scheint von zwei Blitzen erhellt zu werden, sonst überwiegt das Dunkel. „Rechts im Hintergrund malt er einen Mann, der niedergeschlagen auf einer Art Kiste hockt, die aus Saint-Cyprien hergeschleppt zu sein scheint. Ins Zentrum stellt er in ein dichtbevölkertes Dreieck einen Chor von Vertriebenen.“ (S. 294/296) Zu diesem Zeitpunkt hat Felix Nussbaum schon einen Lageraufenthalt in St. Cyprien in Südfrankreich hinter sich unter menschenunwürdigen Bedingungen . Zum Bild noch einmal: „In die Gesichter der mittellosen Flüchtlinge schreibt Nussbaum allerlei Gefühle ein: den einen lässt er klagen, die Züge des anderen zeigen Ergebung, wieder andere offenbaren Anzeichen der Verzweiflung, Bestürzung oder Ohnmacht.“ (S. 296).

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Foto © Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück

2. Bild: Selbstbildnis mit Judenpass, (1942/1943, W439, S. 340)
Obwohl das bekannteste Bild aus dem Werk Nussbaums auf 1943 datiert ist, empfiehlt Mark Schaevers eine Datierung auf das Vorjahr, da Felix Nussbaum wie auch seine Frau Felka im Oktober 1942 einen neuen Pass abgeholt haben. Zum Bild schreibt er: „Die Stärke des Bildes […] liegt darin, dass Nussbaum sich nicht als Opfer darstellt; neben Angst verraten seine Gesichtszüge auch einen gewissen Stolz, Entschlossenheit. Der Verfolgte akzeptiert die Beschuldigung nicht, er dreht sie um: ‚Ja, ich bin Felix Nussbaum, von anderen zum Juden abgestempelt.’ Das Gemälde als eine Art des Widerstands.“ (S. 339).

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Foto © Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück

3. Bild: Triumph des Todes (1944, W456, S. 374/375)
Dass das Bild auf einer Doppelseite abgedruckt ist, zeigt schon, dass es auch real von recht großem Format ist. „18. April 1944: Mit schwarzer Ölfarbe malt Felix Nussbaum das Datum auf ein Kalenderblatt in der rechten unteren Ecke…“ (S. 371). Marc Schaevers stellt Vergleiche mit Guernica von Picasso an und erwähnt Goyas Desastres. Das Motiv „Triumph des Todes“ wird hingegen von Pieter Brueghel genommen, der für sein Todesbild auch einhändiges Format gewählt hat.
Der Tod erscheint als Knochenfigur, wir traditionell üblich. Marc Schaevers nimmt an, dass Felix Nussbaum dieses Bild bewusst als vorerst sein letztes gemalt hat, „nach dem man (nicht) noch eine Vase mit Blumen malt.“ (S. 377).

Bildnachweise:

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Felix Nussbaum (1904 – 1944)

„Der Sturm“ (Die Vertriebenen), 1941, Öl auf Leinwand, 87 x 101 cm

Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück, Leihgabe aus Privatbesitz

W 439

Felix Nussbaum (1904 – 1944)

Selbstbildnis mit Judenpass, um 1943, Öl auf Leinwand, 56 x 49 cm

Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück, Leihgabe der Niedersächsischen

Sparkassenstiftung

W 456

Felix Nussbaum (1904 – 1944)

Triumph des Todes (Die Gerippe spielen zum Tanz), 1944, Öl auf Leinwand,

100 x 150 cm

Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück, Leihgabe der Niedersächsischen

Sparkassenstiftung

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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