Die evangelische Kirche von Grund auf verbessern, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2019

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Erik Flügge: Nicht heulen, sondern handeln, Thesen für einen mutigen Protestantismus der Zukunft, Kösel – Verlag, München 2019, Softcover, 90 Seiten, ISBN: 978-3-466-37238-6, Preis: 12,00 Euro

 

Link: https://www.randomhouse.de/Paperback/Nicht-heulen-sondern-handeln/Erik-Fluegge/Koesel/e551744.rhd

Erik Flügge hat vor allem der evangelischen Kirche die Leviten gelesen: „Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt.“ (2016). Der Organisations- und Politikberater Flügge redet von außen in die evangelische Kirche hinein und wird gehört. Vorträge auf Kirchentagen und Einladungen in Pfarrkonferenzen machen dies deutlich. Ob daraus auch ein entsprechender Reformwille zu schließen ist, scheint der Autor zu bezweifeln.

So legt er nun in einem ausführlichen Redemanuskript seine Verbesserungsvorschläge der evangelischen Kirche vor. Dafür, dass der Text als Rede gedacht ist, sprechen die Anrede der Leser mit „Sie“ sowie der traditionelle Redeaufbau: Einleitung, drei Hauptteile und Schluss. Das reformatorische Pathos erinnert an die Rede zum Jubiläumsjahr der Reformation.

Im Vorwort bezeichnet sich Erik Flügge als „Hofnarren“ der Kirche. Ein Hofnarr deckt Missstände auf, ohne im System eingebunden zu sein. Ganz formal gesehen ist er zwar studierter Theologe (Tübingen), aber katholisch. Die Kritik an der evangelischen Kirche ist humorvoll gehalten, weil sie nicht verletzen darf. Er schießt dabei auch schon mal über das Ziel hinaus.

Erik Flügge ist als Katholik daran interessiert, dass es eine basisorientierte Alternative zur katholischen Kirche gibt, sozusagen als Anreiz zu einer weiteren Reformation. Die Frage, ob nicht das zweite Vatikanische Konzil wichtige Forderungen der Reformation eingelöst hat, bleibt hier jedoch unerwähnt.

Die Kritik bezieht sich auf die öffentliche Erscheinung der evangelischen Kirche. Es werden keine Interna ausgeplaudert und die leidigen Kirchenfinanzen bleiben außen vor.

Die Beschreibung der Missstände der evangelischen Kirche durch Erik Flügge ist brillant und klar vorgetragen. Die kirchliche Hauptveranstaltung, der Gottesdienst, funktioniert nicht. Ist sie vielleicht überflüssig, zumindest in der bekannten Form? Die Reformalternative Flügges lasse ich hier bewusst unerwähnt. Und Luther ist Flügges Vorbild: Macht die Bibel zum Mittelpunkt der Kirche. Vergesst theologische Besserwisserei und kümmert euch stattdessen um den Kern der Bibel: Allmacht, Auferstehung, Nächstenliebe. Und beharrt nicht auf Traditionen, sondern schreibt die Bibel in die Zukunft hinein weiter.

Die synodale Leitung der evangelischen Kirche ist zwar laut Flügge besser als das Hierarchiesystem der katholischen Kirche, funktioniert aber auch nicht besonders gut. Das evangelische Kirchensystem ist eine Art Allparteiendemokratie (Vorbild Schweiz), die jeden Flügel berücksichtigt und in der jede Richtung eingebunden wird. Über die interne Struktur und die Geschichte des landesherrlichen Kirchenregiments scheint Erik Flügge nicht viel zu wissen.

Der Kirchenberater Erik Flügge weist auf rein schon in der Öffentlichkeit ersichtlichen Missstände der evangelischen Kirche hin und ist so ein wichtiger Seismograph. Seine Vorschläge sollten als solche gesehen werden, und hier muss man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.

Zum Schluss der Lektüre des Buches frage ich mich, ob man sich seitens der Kirche damit aufhalten wird, den „Hofnarren“ zu widerlegen oder ob dieses Buch mit seiner lockeren und konstruktiven Art nicht doch dazu einlädt, die festgefahrene Diskussion um die kirchlichen Strukturen wieder aufzunehmen. Für konstruktive Reformschritte ist es nicht zu spät. Fotos der leeren Kirchen-Bänke geistern in diesen Tagen durch die Presse und sprechen für sich (d. Rez.).

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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