Predigt Buß- und Bettag 2025
„… denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Mt 5,9
Ihr Lieben,
Ihr habt wie alle Jahre wieder mit den Kindern und Eltern des Familienzentrums St. Martin gefeiert. Ein Fest, das immer noch sehr beliebt ist. Die Geschichte des Heiligen Martin berührt Kinder und Erwachsene. Mit Lichtern wird durch die Straßen gezogen, St. Martins-Lieder werden gesungen, Weckmänner werden an die Kinder verteilt. Die Geschichte, wie der Offizier St. Martin seinen Mantelumhang teilt und die Hälfte des Mantels einem frierenden Bettler vor den Stadttoren gibt, wird erzählt und vielerorts auch gespielt.
Erinnerung an St.Martin
Weniger bekannt aus dem Leben St. Martins ist, dass er als 15jähriger von seinem Vater gezwungen wurde in das römische Heer einzutreten und dort ungefähr mit vierzig Jahren, nachdem er getauft wurde, den Militärdienst quittierte. Der Erzählung nach soll Martin vor Kaiser Julian getreten sein mit den Worten „Bis heute habe ich dir gedient, gestatte mir, dass ich jetzt Gott diene. Ich bin Soldat Christi. Es ist mir nicht erlaubt, zu kämpfen!“
In den ersten Jahrhunderten nach Christi war es weit verbreitet, dass Männer, wenn sie Christen wurden, sich weigerten die Waffe in die Hand zu nehmen. Für sie und für viele christliche Gemeinden war klar, es gilt Gottes Gebot: „Du sollst nicht töten.“ Und auch Jesus war ihr Vorbild. Seine Gewaltlosigkeit und sein Aufruf zur Feindesliebe waren für die ersten Christen nicht naive Spinnerei, sondern der Weg in ein neues Leben, dass die Herrschaft der Mächtigen auf den Kopf stellte. Oft genug wurden sie für ihre Gewaltlosigkeit und ihre Kriegsdienstverweigerung nicht nur verlacht und verspottet, mussten Repressalien hinnehmen, sondern sie wurden von den Herrschern getötet. Sie starben als Märtyrer, weil sie Soldaten Christi waren. Dass sie ihren Überzeugungen treu waren, brachte ihnen bei den Mitmenschen viel Respekt ein. Leben und Glauben vielen nicht auseinander, sondern der gelebte Glaube war eine Kraft, die nicht zu töten war. Nachfolge Christ war gelebte Kreuzesnachfolge. Hatte Jesus nicht gesagt: „Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden nimmt an seiner Seele? Wer sein Leben aber um meinetwillen verliert, der wird es gewinnen. Ein jeder nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“(Mk 8,34ff)
„Tut Buße und glaubt an das Evangelium.“ (Mk 1,15)
Mit diesen Worten Jesu möchte ich uns und vor allem meine Evangelische Kirche zur Buße rufen. Kehrt um! Verlasst die Wege der propagierten Kriegstüchigkeit! Widersprecht doch endlich den Abermilliarden Investitionen in Waffensysteme, die zu einer endlosen Rüstungsspirale führen. Aber meine Kirche schweigt. Sie ist erstarrt. Oder schlimmer: Sie glaubt nicht mehr dem Evangelium. Wenn die ehemalige Ratsvorsitzende der EKD Annette Kurschuss zu Beginn des Ukrainekriegs sagt: „Waffenhilfe ist Nächstenliebe!“ verkehrt sie das Evangelium ins Gegenteil. Wenn die EKD ihre neueste Friedensdenkschrift (2025) herausbringt und darin den Besitz von Atomwaffen unter der Hand still legitimiert und nicht ächtet, nimmt sie die Zerstörung allen Lebens auf dem Globus in Kauf, und opfert Jesus und ihren eigenen Glauben auf dem Altar der Abschreckung. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel!
Aber zurück zu unseren Kindern. Was sollen sie lernen? Was sollen wir sie lehren? Wie reagieren wir auf die Bundeswehrwerbung, die jungen Männern wie Frauen mit Kameradschaft und sinnvollen Einsätzen für Demokratie anwirbt? Wie reagieren wir als Christen darauf, dass die Bundeswehr in die Schulen geht, um junge Frauen und Männer anzuwerben? Wie reagieren wir als Christen darauf, dass Sönke Neitzel, Carlo Masala, Rodrich Kiesewetter und andere sogenannte Militärexperten behaupten, ein Krieg mit Russland stehe kurz bevor? Das war der letzte Friedenssommer, sagen sie und schüren Angst ohne Ende. Wie stoppen wir die mentale Umerziehung zur Kriegstüchtigkeit unserer Kinder und der ganzen Gesellschaft? Wie begegnen wir der unverhohlenen Kriegstreiberei in vielen Medien?
Wenn die sich klein- und gesundschrumpfenden Kirchen überhaupt noch eine Botschaft für ein zukünftiges Europa haben, dann kann es doch nur die Botschaft: „Kehrt um!“ sein. Kehrt um von eurem einseitigen Setzen auf Waffensysteme und einer Aufrüstung ohne Ende, sucht endlich wieder Diplomatie und Versöhnung, baut Brücken der Verständigung, stoßt einen europäischen Friedensprozess an, sonst endet das Friedensprojekt Europa in ein Kriegsprojekt. Das ist Selbstzerstörung pur. Dazu kommt: Deutschland soll wieder größte Militärmacht Europas werden. Das haben unsere Väter und Mütter nicht gewollt!
Hat dieser Stellvertreterkrieg denn nicht schon genug Menschenleben gekostet und Schaden angerichtet? Beide Seiten beharren auf ihre Maximalforderungen. Der Klügere gibt nach. Warum widersprechen so wenige?
Kehrt um!
Aber vielleicht hört uns schon längst niemand mehr. Wir Christen sind einfach – je höher es in der Institution Kirche geht, je mehr – zu angepasst. Wir wollen angesehen sein und merken nicht, dass wir schon längst nicht mehr systemrelevant sind. Das Geld ist es. Die Rüstungsindustrie soll die Retterin aus der wirtschaftlichen Krise sein. Ja, spinnt denn unsere Regierung?
Militärdienstverweigerung ein Zeugnis des Glaubens
Aber ich brauche gar nicht mit dem Finger auf andere zeigen: Umkehr beginnt bei uns selbst. Wollen wir Jesus in seiner Gewaltlosigkeit nachfolgen? Wollen wir Soldaten Christi werden – ohne Waffengebrauch? Wollen wir unsere Kinder friedens- oder kriegstüchtig machen?
Ich wünsche mir eine Kirche und ein neues Lernen in der Kirche, wie Gewaltlosigkeit in den Konflikten unserer Zeit geht. Ich wünsche mir eine Kirche, die sich wieder an ihre erste Zeit erinnert, wo Militärdienstverweigerung ein Zeugnis des Glaubens war.
Ausgerechnet ein Philosoph, nämlich Olav Müller von der Humboldt-Universität Berlin, brachte kürzlich in einen Radiointerview folgende Idee für ein verpflichtendes Jahr für junge Frauen und Männer zur Sprache. Die jungen Frauen und Männer sollten die Möglichkeit haben zu wählen, ob sie ihre Dienstzeit für die Gesellschaft in der Bundeswehr oder mit einem intensiven Lernen von Verteidigung durch gewaltfreie Aktionen und Maßnahmen verbringen. Denn auch Friedenstüchtigkeit will gelernt sein.
Lasst uns umkehren, dazu ist es nie zu spät, und unseren Glauben an das Evangelium festigen mit Jesu Seligpreisung: „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
