Wo die Seele spazieren geht, Rezension von Christoph Fleischer, Fröndenberg 2025

Zu:

Rüdiger Sünner: Seelenlandschaften, Spirituelle Orte in Deutschland, Scorpio Verlag München, 2025, Broschur, 238 Seiten, ISBN: 9783958036291, Preis: Print – 29,00 Euro

Zum gleichen Titel gibt es einen Film, der über das Internet gebucht werden kann (Stream bei Cosmic Cine TV und Sooner
DVD bei CFSunfilm und im Info3-Shop, Trailer hier
). Weitere Informationen auch hier:https://www.ruedigersuenner.de/seelenlandschaften/.

Warum ist hier von „Seele“ die Rede?

Der Begriff „Seelenlandschaften“ gibt Rätsel auf. So referiert Rüdiger Sünner zunächst einige Gedanken zum Thema Seele und knüpft dabei an AutorInnen und Künstler der Romantik an. Kurz gesagt: „Das Wort `Seele` wird eingesetzt, um ein raumgreifendes Sich-Ausbreiten unserer Emotionen zu beschreiben, die hinausdrängen[…]“ (S. 11).

Seine inhaltliche Anknüpfung ist ein Nachdenken über Landschaften in England, Schottland und Irland mit uralten Burgruinen, Kapellen, megalithischen Altären und Begräbnisorten. In Deutschland gibt es solche Orte auch, diese fügen sich aber oftmals unscheinbar in die Landschaft ein: Externsteine, Loreley, Brocken, Teufelsmauer und die Steilküste auf Rügen. Dass jedem und jeder dazu noch weitere steinerne Denkmale einfallen, besonders im nahen Umfeld, ist denkbar klar. Mir fehlen z. B. die Felsen im Hönnetal, die steinernen Riesen der sächsischen Schweiz und die Tropfsteinhöhlen.

Besondere Landschaftsformationen bekommen besondere Namen

Doch damit ich daran denke, funktioniert dieses Buch ja gerade richtig

Rüdiger Sünners Ausführungen regen an über Seelenlandschaften nachzudeknen, sich bewusst zu werden, dass Landschaften aufgeladen sind , vielleicht sogar eine eigene Seele haben.

(inwieweit der Seelenbegriff hier treffend ist, weiß ich nicht, jedoch wird der Begriff Seelenlandschaft sofort mit Gefühlen assoziiert. Andere sagen Kraftorte, energetisch aufgeladene Felder, magische Orte etc.. Den Aspekt der räumlichen Ausdehnung fängt Seelenlandschaft gut ein).

Ich frage mich: Wie oft bin ich selbst Seelenlandschaften schon begegnet und welche müsste ich noch einmal aufsuchen? Das Buch lädt zu einer solchen Deutschlandreise ein. Wo ist eigentlich der Kyffhäuser? Wo die Ruinenkirche Eldena? Ist sie nicht die Ruinenkirche auf dem Cover, deren fotografische Herkunft im Buch verschwiegen wird?

Der Film folgt dem Aufriss des Buches fast vollständig und verzichtet lediglich auf „Himmelswege: Kosmische Seelenlandschaften in Sachsen-Anhalt.“ (S. 136-148).

Beispiele aus Kunst und Literatur

Die Verbindung zur Kunst wird am Beispiel von Caspar David Friedrich und der Insel Rügen vertieft. Hölderlin, Brentano und Heine kommen im Kapitel über den Rhein zu Wort. Die Märchensammlung der Gebrüder Grimm wird illustriert von Beispielen aus den Wald-Kapiteln.

In Deutschland, so wie es der Autor auf seiner Reise erlebt hat, scheint die Landschaft selbst zu sprechen wie die Felsen der tiefen Taleinschnitte, die Berge der Alpen und im Mittelgebirge, auch die Moore, die Wälder, die Flüsse und die Seen.

Wo es angebracht ist, wird die nationalsozialistische Auferstehung der Mythologie angesprochen, wobei klar wird, dass diese die Größe und Vielfalt der Verbindung zu Natur, Kultur und Religion glatt verfehlt. So kann man heute auch Verstorbene in Friedwäldern bestatten, ohne daran zu denken, dass diese Bestattungsform vor „1000“ Jahren weltanschaulich aufgewertet worden ist.

Wohin reisen wir als Nächstes?

Das Buch von Rüdiger Sünner ist nirgends flach oder oberflächlich und muss doch zum Teil auf Details verzichten, da es sich sonst in Details verlieren würde. Es gibt ohnehin genügend Literatur, deren Titel mit dem Wort mythisch oder mystisch beginnen. Wer nach der Lektüre des Buches Reisepläne schmiedet, wird in Deutschland auf jedem Fall fündig, auch über dessen Beispiele hinaus.  Wie wäre es mal wieder mit dem Bodensee und dem Rheinfall von Schaffhausen, mit Schloss Schwanstein oder Tübingen und Freiburg?

Weiterdenken: Welche Orte sind ähnlich sinntragend?

Für mich gehören zu dieser Art Mythos auch die Erinnerungsstücke der Industrialisierung hinzu. Und warum nur in der Natur? Gibt es Seelenlandschaften nicht auch in den Städten und Metropolen?

Und angeregt durch die unbekannte Kirchenruine auf dem Umschlag möchte ich zum Begriff Seelenorte auch mal ganz vorsichtig einige bedeutende Kirchen vorschlagen, alte und neu, wie den Kölner Dom und die Wallfahrtskirche in Neviges.

Man sieht, dass die Lektüre des Buches mich selbst auf die Reise schickt, in Gedanken oder ganz real. Als nächstes ist dringend ein Besuch bei den Externsteinen fällig, um abschließend Rüdiger Sünner zu zitieren: „Wahrscheinlich waren die Externsteine einst ein Ort, an dem Mönche und Pilger die Schönheit der Schöpfung zum Anlass nahmen, auch darin Spuren Gottes zu sehen.“ (S. 39)

Diese Konkretion zeigt beispielhaft, dass es sich keinesfalls um eine neue Art von Tourismus handelt, der Deutschlandreise zu mystischen Orten, sondern darum, selbst Spuren einer göttlichen Wirklichkeit in konkreten Erfahrungen zu entdecken. Dazu muss man wahrhaft kein Eremit werden.

Die Lektüre des Buches ist unbedingt zu empfehlen.

Friede sei mit euch, Predigt Konfirmation, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2025

Über: Johannes 20, 19-21

„Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren auf Furcht vor den Juden [antisemitisch, besser: dem Pöbel], kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Und als der das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist!“ (aus: Lutherbibel 2017)

Kontext: Segensworte des neuen Papstes

Nach der Wahl des neuen Papstes Leo XIV am 8. Mai 2025 begrüßt dieser die versammelten Gläubigen auf dem Petersplatz mit den Worten:

Der Friede sei mit euch allen!

Liebe Brüder und Schwestern, dies ist der erste Gruß des auferstandenen Christus, des guten Hirten, der das Leben gegeben hat für die Herde des Herrn.

Auch ich möchte, dass dieser Friedensgruß in euer Herz eingehe, eure Familien erreiche, alle Menschen, wo immer sie seien, alle Völker, die ganze Erde. Der Friede sei mit euch!

Dies ist der Friede des auferstandenen Christus, ein entwaffneter und entwaffnender Friede, demütig und beharrlich. Er kommt von Gott, Gott, der uns alle bedingungslos liebt.

 

Anmerkung: Die Predigt für die Konfirmation habe ich vor der Wahl des Papstes geschrieben. Da es ausschließlich Jungen sind, die ich konfirmiere, verwende ich in der Predigt die männliche Anrede: Konfirmanden

Liebe Konfirmanden, liebe Festgemeinde,

was gibt es Schöneres in Zeiten, die uns verunsichern, wo wir innerlich unruhig sind und nicht wissen, wie es weiter geht, dass jemand zu uns kommt und sagt: Friede sei mit euch!

Jesus sieht euch Konfirmanden als Kinder Gottes an. Jesus kommt mit guten Absichten. Jesus gibt sich zu erkennen. Jesus macht euch Mut. Jesus gibt euch von seinem Geist.

Jesus sieht euch als Kinder Gottes

Vielleicht ist es das Wichtigste, was Jesus der Welt hinterlassen hat. Die Wahrnehmung eines jeden Menschen als Kind Gottes.

In der Auferstehungserzählung erscheint Jesus seinen verängstigten Jüngerinnen und Jüngern mit den Worten: Friede sei mit euch!

Als sie Jesus erkennen, wird ihr Herz froh.

Im Konfirmandenunterricht haben wir uns intensiv mit Jesus-Geschichten beschäftigt. Ihr habt ein Jesus-Buch gestaltet.

Von Jesus kann ich nicht genug kriegen. Immer wieder sprechen die Jesus-Geschichten aus den Evangelien zu mir. Die Wiederholungen langweilen mich nicht, sie führen mich zu Jesus zurück und vertiefen meine Liebe zu ihm. Ich fühle mich von Jesus gesehen und ernst genommen.

Wenn erzählt wird, dass ein Blinder am Wegrand schreit: Herr, erbarme dich und Jesus den Blinden heilt, wage auch ich zu beten: Herr, erbarme dich.

Wir können Jesu Worte hören und sie schnell wieder vergessen. Sie einfach wegwischen wie eine Nachricht auf dem Handy, die uns nicht mehr interessiert.

Wir können Jesu Worte hören und sie uns einprägen. Wir können ihnen Vertrauen schenken. Wir können Jesu Worte vom Bewusstsein in unser Herz aufnehmen. Dann sind sie in uns lebendig.

Ich wünsche euch, die ihr heute euren Glauben in der Gemeinde bekennt, dass euch Jesu Worte immer wieder gegenwärtig sind. Vielleicht nur das eine, aber das mit Macht: Friede sei mit euch!

Der auferstandene Jesus sieht euch – egal in welcher Lebenssituation ihr seid – immer als Kinder Gottes an – als konkrete, unverwechselbare Personen – und eröffnet euch neue Lebensräume.

Jesus kommt mit guten Absichten

Es ist gar nicht leicht zu erkennen, wer es gut mit euch meint. Das habt ihr alle schon erlebt. Ihr habt jemanden vertraut und seid enttäuscht worden. Ihr musstet und müsst lernen zu unterscheiden, wer es gut mit euch meint und wer nicht, sonst werdet ihr in eurem Leben immer wieder über den Tisch gezogen oder gar verführt von Menschen, die euch lächelnd umwerben, euch abzocken oder gar auf die dunkle Seite des Lebens ziehen. Sie oder die KI erkennen eure Schwächen und packen euch genau da. Lasst euch nicht blenden. Die Welt ist voller Blender. Sie können auch in einem religiösen Gewand auftreten. Sie manipulieren euch. Sie verdrehen euch den Kopf. Sie lassen euch Dinge glauben, die völlig irre sind. Sie lotsen euch in eine Weltsicht, die euch und andere schadet. Bleibt im Gespräch mit euren Eltern, der Familie und Freunden. Wendet euch nicht von denen ab, die es gut mit euch meinen, auch wenn sie euch kritisieren oder ihr Streit miteinander habt. Wenn jemand mit euch aus der Familie streitet, dann seid ihr ihm nicht egal. In der Regel sorgt er sich dann um euch.

Jesus hat sich auch gestritten mit denen, die schon immer alles besser wussten und die Menschen gefügig machten für ihre Interessen; einen Glauben lehrten, der sie klein machte.

Und als einmal die Jünger untereinander streiten, wer unter ihnen der Größte  ist, hat sich Jesus eingemischt und die Streitenden mussten lernen, es geht im Reich Gottes nicht um Größe, Ruhm und Ehre, sondern darum, sich einander in Liebe zuzuwenden. Jesus wendet sich euch in Liebe zu.

Jesus gibt sich zu erkennen

Da kann ja jeder kommen und sagen: Friede sei mit euch! Wem aber können wir vertrauen? Jesus gibt sich seinen Jüngerinnen und Jüngern zu erkennen. Der Auferstandene zeigt ihnen seine am Kreuz zugefügten Wunden: seine durchbohrten Hände, seine verletzte Seite. Ich bin kein anderer als der, der ich war als ich mit euch lebte. „Ich bin derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebräer 13,8). Ich war und bin gesandt, euch in ein (ewiges) Leben mit Gott zu führen, euch zu heilen und euch zu senden.

Die Gesundheitsindustrie verspricht euch ein langes Leben, manche vermeintliche Forscher sogar ein unendliches. Ihr müsst euch nur ständig selbst kontrollieren, euch ausschließlich gesund ernähren und die eine oder andere Pille schlucken.

Seit Gott für die Welt tot ist, wird Gesundheit immer mehr zur Religion. Lasst euch nicht einlullen von denen, die euren Körper beherrschen wollen, weil sie wissen, was gut für ihn ist. Wenn Jesus seinen Jüngern seine Wunden zeigt, dann ist das auch ein Hinweis darauf, dass zum menschlichen Leben Wunden und Verletzungen gehören, die sichtbar bleiben, die zu uns gehören. Es ist ein Irrglaube, dass jeder Makel, jede Verletzung, jede Einschränkung einfach wegzumachen sind. Da hilft auch die positivste Einstellung nicht, im Gegenteil. Ich wünsche euch, dass das, was ihr an Schwerem erlebt habt und auch erleben werdet, euch nicht aus der Bahn wirft an das Gute zu glauben. Gott kann es wenden, dass ihr darüber reden könnt und es euch mit der Zeit gelingt, das Unabänderliche in euerem Leben zu integrieren, vielleicht sogar daraus Kraft zu schöpfen. Es geht im Glauben gerade nicht um Perfektion oder gar Vollkommenheit oder um ein möglich langes Leben; es geht um Erfüllung, Sinn und Liebe. Wer euch Heil auf Erden verspricht, ist ein Lügner. Ein falscher Messias.

Jesus macht euch Mut

Angst wird immer zu uns gehören. Sie ist menschlich. Auch Menschen, die glauben, haben Ängste. Jesus sagt: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“ (Johannes 16,33b). Jesus hat den Tod überwunden. Die Nacht. Das Dunkle. Die Angst. Weil wir das glauben, dürfen wir hoffen über unsere Angst hinaus. Unsere Ängste sind nicht alles, allein das, macht uns immer wieder stark und mutig für das Gute und die Wahrheit zu kämpfen. Vielleicht bist du eine ängstliche Natur, aber es könnte doch sein, dass ein Moment in deinem Leben kommt, da bist du derart selbstvergessen, dass du das Richtige mutig sagst und tust. Ein Wunder. Gottes Geist wirkt in dir.

Jesus gibt euch von seinem Geist

Jesus sagt zu seinen Jüngerinnen und Jüngern ein zweites Mal: Friede sei mit euch!

Dann erteilt er ihnen und euch heute einen Auftrag. Vorher aber gibt er ihnen und euch heute das mit, was sie und ihr braucht, um ein Leben in der Nachfolge Jesu zu führen: Gottes guten Geist. Jesu Geist soll euch anwehen.

Wie der Wind Blätter bewegt, bewegt Jesu Geist die, die zu ihm gehören. Es ist Gottes Geist. Ein Geist der Liebe, der Gerechtigkeit, der Wahrheit und des Friedens: Friede sei mit euch!

Ihr Lieben, orientiert euer Bewusstsein an Jesus, lasst seinen Geist in euch leben, werdet friedenstüchtig.

„Und der Friede Gottes sei mit Euch .“

Von der Freiheit des Denkens, Rezension von Christoph Fleischer, Fröndenberg 2025

Zu:

Kurt Riezler: Parmenides, Übersetzung, Einführung und Interpretation, Vittorio Klostermann, Frankfurt/Main, 4. Auflage 2017 (1. Auflage 1934), Klostermann Rote Reihe 93, Paperback, 105 Seiten, ISBN 9783465043027, Preis: 16,80 Euro

Parmenides‘ fragmentarische Überlieferung

Der Text des Parmenides (515-455 v. Chr.) besteht aus numerisch gegliederten Fragmenten, deren Zusammenhang nicht immer rekonstruiert werden kann. Die Gliederung der Fragmente bei Riezler weist von der davor gängigen ab. Dadurch kann es vorkommen, dass etwa Martin Heidegger aus Text IX zitiert, den Text ab er mit VIII benennt. Die jeweiligen Abweichungen sind aber im Buch klar notiert.

Wie schon bei Homer (8. Jahrhundert v.Chr.) sind die Texte in der Form eines Gedichtes verfasst, das durch Lücken unterbrochen ist. Die Frage danach, auf welche Frage Parmenides antwortet, ist gar nicht leicht zu beantworten.

In der Philosophie bleibt der mythologische Rahmen des Parmenides meist unterbewertet. Es ist schließlich eine Göttin, der Moira, der er die Worte über das Sein in den Mund legt.

Welche Mythologie ist das denn?

Die griechische Mythologie ist eigenartig immanent. Nicht in der Ewigkeit, sondern im Sein, im Denken, in der Gegenwart liegt der Sinn des Lebens. Die Göttin Moira verkörpert das Schicksal. Die alte griechische Götterlehre der Sagen Homers scheint bereits überholt. Die neuen Götter heißen Schicksal, Wahrheit, Ruhm, sind also eher irdisch zu deuten.

Kurt Riezler schreibt dazu: (S. 54): Warum sollen Anagke (Notwendigkeit) und Moira(Schicksal) ein jenseitiges Sein in ihren Fesseln binden? Was sie gefügt haben und festhalten ist Themis (Recht) und Dike (Gerechtigkeit), in ihnen das Wesen der Physis(Gestalt), das Seinsgesetz alles Seienden, gegenüberstehend als göttliche Setzung dem Nomos (Urteil) und der Thesis (Rede) des flüchtigen, nicht in sich ruhenden, sterblichen Menschen.“ (S. 54, Übersetzung der griechischen Begriffe durch den Rezensenten).

Die Götterlehre dieser elatischen Philosophenschule greift auf Gottesnamen zurück, die in das Denkgefüge und die Weltdeutung der Menschen selbst gehören, also keine übermenschlichen Naturmächte sind. Selbst das hier genannte Schicksal meint das Grundverständnis des menschlichen Daseins selbst, genannt das Sein.

Ontologie des Parmenides, Vorbild für modernes Denken

Das Sein wird vom Seienden unterschieden: „Dieses Sein ist oberhalb jenes Gegensatzes, in dem wir etwa Ruhe als Sein der Bewegung und als Werden gegenüberstellen. Es umfasst als Eines das Sein dessen, was wir Bewegung nennen.“ (S. 58)

Hierzu kommt nun fast in idealistischer Intuition, dass Parmenides die Einheit von Sein und Denken feststellt. Damit wird das Denken zuerst als Wahrnehmung gedeutet und erst danach als Reflektion. Und, wieder modern gedacht: Das Sein ist für uns nur insoweit vorhanden, wie wir es erkennen.

Fazit: Meine Notizen sind keine erschöpfende Wiedergabe der Lehre des Parmenides, sondern stellen nur eine Beobachtung heraus, wie sie später auch von Martin Heidegger reflektiert worden sind. (hier im Literaturverzeichnis: Martin Heidegger, Moira (Parmenides VIII, 34-41, in: Vorträge und Aufsätze usw.).

BONHOEFFER, Bericht über den Kinofilm, Christoph Fleischer, Fröndenberg 2025

BONHOEFFER,

Regie und Buch: Todd Komarnicki,

Land, Jahr: Irland/Belgien 2024,

Bilder des Films aus der Pressemappe entnommen: bonhoefferfilm.de

Vorweg: „In der heutigen Gesellschaft schrecken Populisten und Nationalisten nicht davor zurück, die Geschichte und in diesem Fall das Vermächtnis eines ganzen Menschen für ihre unmenschliche Weltanschauung zu verdrehen.“ (Jonas Dassler, Moritz Bleibtreu, August Diehl und weitere Schauspieler des Films BONHOEFFER in der Stellungnahme zu Vorwürfen aus USA und Deutschland, Quelle: bonhoefferfilm.de)

Der Film über Dietrich Bonhoeffer als Erzählung eines beispielhaften Lebens

In der folgenden Besprechung schildere ich, wie ich den Film im Kino aufgenommen und in mein Wissen über Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945) eingeordnet habe.

Der Film (etwa 2 Stunden, 15 Minuten) beginnt mit einer sich durchziehenden Rahmenhandlung. Dietrich Bonhoeffer sitzt in einem antiken Reisebus, mit dem eine Gruppe Gefangener in den letzten Kriegstagen aus Berlin evakuiert werden, alle in Zivil nicht in Gefangenenkleidung. Bonhoeffer redet wenig mit anderen, sondern sitzt stattdessen allein und schreibt in kleines in Leder gebundenes Tagebuch. Er notiert dabei Erinnerungen an sein ganzes Leben. Seine notierten Stichworte rufen die Erinnerungen an die Zeitabschnitte seines Lebens auf, die im Film episodenhaft gezeigt werden.

Diese Reise beginnt damit, dass die Gruppe in ein KZ gebracht wird, wahrscheinlich Buchenwald bei Weimar. Hier wird ein prominenter Nazi sein Zellennachbar, der wohl bei Hitler in Ungnade gefallen ist. Als das Gefängnis unter den Folgen einer Bombardierung zusammenstürzt muss die Gruppe die Fahrt im Bus fortsetzen. Hierin erkenne ich auch eine Anspielung auf die Bombenangriffe, die Bonhoeffer während seines Aufenthalts im Gefängnis in Tegel zwischen 1943 und 1945 erfahren musste. (Der Aufenthalt in Tegel bleibt im Buch Film unerwähnt).

Von dort kommt der Bus nach einer längeren Irrfahrt an einer eingestürzten Brücke zum Stehen. Der Ort, den sie kurz danach besuchen, heißt Schönberg. In der dortigen Dorfkirche feiert Bonhoeffer das Abendmahl mit seinen Mitgefangenen und wird danach zum Hinrichtungsplatz gebracht, wo drei Galgen aufgestellt sind. Die angebotene Möglichkeit, in der Kleidung eines Gefängnisaufsehers zu fliehen schlägt er aus mit Rücksicht auf seine Familie, die dadurch Schwierigkeiten bekommen hätte. Die Hinrichtung erfolgt an diesem Ort. Von Flossenbürg ist jedenfalls nicht die Rede. Ob und wo die anderen Insassen getötet werden, wird nicht erwähnt.

Bonhoeffers Gefangenschaft und spätere Hinrichtung wird zum Leitmotiv des gesamten Films

Im Folgenden gehe ich auf einige Szenen ein, von denen mir die meisten noch in Erinnerung geblieben sind.

Zu Beginn des Films ist Bonhoeffer noch ein Kind (gespielt von Phileas Heyblom, geb. 2012). Die Frisur ist mir von einem bekannten Foto bekannt Bonhoeffers als Kind bekannt. Seine Schwestern und der älteste Bruder werden hervorgehoben, außerdem der Vater und seine Mutter. Das Kinderzimmer sieht ein wenig wie eine kleine Schulklasse aus, vielleicht weil die Kinder in den ersten Schuljahren zu Hause unterrichtet wurden.

Als der Bruder Walter zur Wehrmacht eingezogen wurde, war Dietrich 8 Jahre alt. Vater, Mutter und einige Geschwister begleiten den jungen Soldaten zum Zug. Sofort darauf (im Film) kommt dieser in einem Sarg zurück. Beim Beerdigungskaffeetrinken spielt Dietrich Klavier, das Lieblingsstück von Walter, heißt es.

Die nächste Szene zeigt Dietrich als älteren Studenten in Amerika. Während des dortigen Studienaufenthalts lernte er sowohl den Jazz kennen. Er wird eingeladen, mitzuspielen und spielte ein Thema auf dem Klavier, das dann von der Kapelle aufgenommen wurde. Dann war er auch in einem Gottesdienst einer schwarzen Gemeinde, wo ein großer Gospelchor sang. Nach dem Gottesdienst war er bei der Pfarrersfamilie zum Mittagessen zu Gast.

Zurück in Deutschland arbeitet Bonhoeffer als Pastor. Seine Predigt richtet sich gegen die Umdeutung der Bibel durch die Nazis und gegen den Antisemitismus. Er muss mitansehen, wie seine Konfirmandengruppe in der entsprechenden Kluft zur Hitlerjugend geht. Die Deutschen Christen machen sich in den Gottesdiensten breit und wählen einen Nazibischof. Religiöse Gegenstände wie ein Kruzifix werden in einer Kirche heruntergerissen und stattdessen Nazifahnen aufgehängt. In den vorderen Bänken sitzen Uniformierte als geschlossene Gruppe.

Pfarrer Niemöller gründet die bekennende Kirche. Bonhoeffer legt ihm sein eigenes Bekenntnis vor, dass von dieser Richtung der Kirche auch angenommen wird. Die Kirche bekennt sich zum Alten und Neuen Testament und zu Israel als auserwähltem Volk Gottes.

Danach geht Bonhoeffer nach England und wird Pfarrer in einer deutschen Gemeinde. Er berichtet dem dortigen Bischof über die neuen Verhältnisse in Deutschland besonders über die Judenverfolgung.

Schon nach wenigen Jahren kehrte er zurück, um in Finkenwalde (Pommern, heute Polen) ein Predigerseminar der Bekennenden Kirche zu leiten. Dort lernte er Eberhard Bethge kennen, erst Student und dann enger Mitarbeiter.

Dann wird er noch einmal in Amerika gezeigt. Es war als Auswanderung geplant und wurde nur ein kurzer Trip. Er sollte dort in Sicherheit gebracht hat werden und den deutschen Widerstand aus dem Ausland unterstützen.

Doch ein Professor der Uni leitete eine Meinungsänderung ein. Vermutlich zeigt er ihm auf, dass er an die Seite seiner Familie gehört und in Amerika nichts ausrichten kann. Dass Bonhoeffer hier als Asylant nach Amerika kam, hatte sicher einen anderen Stellenwert als in einem Gaststudium wie 10 Jahre zuvor. Dietrich Bonhoeffer kehrte nach Deutschland zurück. Diese Entscheidung bleibt sicher nicht nur den Kinobesuchern ein stückweit rätselhaft.

In Berlin eingetroffen, schließt der sich dem Widerstand an und wird Mitarbeiter der Abwehr. In deren Auftrag begleitete er eine Gruppe jüdischer Männer in die Schweiz, die das Gerücht entkräften sollten, es sei in Deutschland zu Judenverfolgungen gekommen. Doch Bonhoeffer selbst hatte schon zuvor mit seinen Brüdern einen Film in seinem Zimmer gesehen, der Originalaufnahmen von den Deportationen zeigte.

Dann nahm er in Berlin an einem Attentatsversuch teil. Der Offizier Gersdorff trug eine Bombe unter seiner Jacke und sprach mit Adolf Hitler, als dieser das Mahnmal für den Ersten Weltkrieg in Berlin besuchte. Unter der Jacke muss es heiß gewesen sein, denn sofort danach legte er den Bombengürtel in einer Herrentoilette wieder ab. Die Detonation war nicht eingetreten.

Auf einer Reise kommt Bonhoeffer als Agent wieder nach London und sprach mit dem ihm bekannten Bischof. Dieser wollte sich für den Widerstand einsetzen, meinte aber, Churchill wolle unbedingt Deutschland im Krieg besiegen.

Als zweiter Attentatsversuch wurde die Platzierung einer Bombe in Hitlers Nähe gezeigt. Bei diesem Attentat war Dietrich Bonhoeffer aber nicht selbst anwesend. Im Film war dies dann aber der Anlass für die Aufdeckung der Verschwörung. Sämtliche Mitverschwörer, auch Bonhoeffer selbst, wurden verhaftet.

Damit unterschlägt der Film Bonhoeffers Gefängniszeit in Tegel. Zum Zeitpunkt des Attentats 1944 war er schon mehr als ein Jahr in Haft. An diesem Attentat konnte er also nicht beteiligt gewesen sein. Dass Bonhoeffer für die Abwehr als Agent tätig war, ist historisch richtig. Aber im Film wird nicht gezeigt, dass er seine Tätigkeit als Pfarrer im Rahmen seiner Möglichkeiten fortgesetzt hat.

Durch den Verzicht auf die Tegeler Gefängniszeit unterschlägt der Film auch die Gefängnisbriefe. Das Gedicht „von guten Mächten“ wird nicht erwähnt. Nur, dass der Gefangene Bonhoeffer ständig in sein Tagebuch schreibt, kann vielleicht als Andeutung auf die andauernde Schriftstellerei im Gefängnis gedeutet werden. Ein solches Tagebuch Bonhoeffers ist bis heute aber nicht aufgetaucht.

Dass ein Film aus der Biografie auswählen muss, ist verständlich. Die konspirative Tätigkeit als Agent der Abwehr wurde in der Vergangenheit vielleicht auch zu wenig betont. Doch dass der Christ und Pazifist so zu einem Vertreter des bewaffneten Widerstands geworden ist und als Teil der Abwehr im Grunde auch Soldat war, wird als Problem gesehen. Der Film zeigt tatsächlich auch ein Gespräch in der Familie, in dem man Bonhoeffer gerade damit konfrontiert, dass er ein bekennender Pazifist gewesen sei. Im Grund hat ihm jedoch die Aufnahme in die Abwehr den Dienst mit der Waffe selbst erspart.

Aus Interviewszenen nach der Deutschlandpremiere erinnere ich mich an die Aussage des ehemaligen bayrischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der Film mache Mut, für das einzustehen, was man glaubt und dafür, sich für die Menschen einzusetzen, denen Unrecht widerfährt. Die Biografie Bonhoeffers bleibt gegenüber den bekannten Biografien ein wenig sperrig, ist aber durchaus plausibel erzählt. Der Spannungsbogen bleibt durch die Rahmengeschichte bestehen, wenn auch die eingefügten Fragmente sich nicht immer zu einer geschlossenen Erzählung zusammenfügen lassen.

„Der Blaue Reiter“ – Ein philosophisches Journal, Rezension von Christoph Fleischer, Fröndenberg 2025

Eine philosophische Halbjahresschrift

Wenn dieses Journal sich den Namen „Der blaue Reiter“ gibt, so greift es bewusst ein Motiv aus der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts auf. Das Motiv stammt aus dem Expressionismus, der der Kunst eine zeitgenössische Richtung gab. Doch woher das Motiv des Blauen Reiters genau stammt und wie es auf diese Zeitschrift anzuwenden ist, ist nicht einfach festzustellen.

Vielleicht passt noch am ehesten die Frage nach einer exakten Abbildung, die es für die Kunft nach der Entstehung der Fotografie nicht mehr geben kann. Es in der Kunst nichts mehr zu darzustellen. Daher mussten vielmehr Eindrücke gefunden werden. Ist Philosophie nicht auch eher Konstruktion als exakte Wissenschaft, und gibt somit die Pluralität der Gesellschaft wieder?

Wird ein philosophisches Thema behandelt, so wird es weniger um richtig oder falsch gehen als darum, die Facetten der Diskussion anzureißen. Als philosophisches Thema wird also hier ein Blick in das Konzept von Philosophie gewährt, nicht nur eine originalgetreue Abbildung gegeben. Hier soll es um Verantwortung gehen, ein sicherlich aktueller Begriff.

Der „Blaue Reiter“ genannt nach einem Bild von Wassily Kandinsky (1906)

In jedem Heft des „Blauen Reiters“ kommt die Kunst zu Wort. Künstler dieser Ausgabe ist Frank Nordiek aus Hannover. Auf dem vorderen Umschlag sind zwei farbige Abbildungen, im sonstigen Heft etliche Abbildungen in Grautönen. Weitere Graphiken beziehen sich auf die jeweiligen Artikel. Zusätzlich auch Anzeigen zu Literatur, zum Teil aus dem eigenen Verlag.

Aufbau der Zeitschrift: Inhaltlich differenziert und zugleich unterhaltsam

Wie jede andere Zeitschrift, so hält sich das Heft an einen bestimmten redaktionellen Aufbau. In der Rezensionsarbeit darf ich heute exemplarisch die aktuelle Ausgabe des Journals vorstellen.

Zunächst fällt das Format auf. Das Heft ist etwas größer als DIN A4. Passt also im Bücherschrank eher zu den Bildbänden.

Verantwortung heute

Der thematische Teil dominiert das ganze Heft. Ihm folgt je eine Umfrage, eine Kolumne, ein Lexikon mit vier Begriffen wie Erbsünde und Rache, dann „Unterhaltung“, ein Portrait, eine Presseschau, Rezensionen und das Impressum.

Ich greife ein Beispiel heraus: Unter Unterhaltung findet sich ein (fiktiver) Briefwechsel mit Lesern. Hier werden drei Fragen beantwortet (von „Dr. B. Reiter). Die letzte lautet z. B. „Warum sehen so viele Philosophen Religion kritisch?“ (S. 93) Die Antwort der Redaktion beginnt mit dem Satz „Philosophie beginnt genau da, wo Religion aufhört.“ (S. 93). Hier ist Religion intolerant und Philosophie tolerant (vielleicht abgesehen von Martin Heidegger, so die Meinung der Redaktion).

Philosophie heißt, sich eine eigene Meinung zu bilden

Zwischenfazit: Das Heft des Blauen Reiters fördert die eigenständige Auseinandersetzung mit einem philosophischen Thema, und lädt dazu ein, einen philosophisch begründeten Standpunkt zu vertreten. Die eigene Meinung ist dann reflektiert, aber nicht unumstößlich. Was oben zu Religion gesagt wurde, ließe sich auch auf Politik anwenden. Wie kann Verantwortung erprobt werden, wenn jeder recht hat?

Drei Beispiele des inhaltlichen Diskurses

Nach Dieter Birnbacher (Professor emeritus aus Düsseldorf) steht Verantwortung zwischen Vergangenheit und Zukunft, „die zwei Zeitrichtungen der Verantwortung“. Sie fragt nach Verantwortung „wofür“ wohl eher im juristischen Sinn und danach, was an Vorsorge nötig ist und welche Zukunft sich Menschen wünschen.

Paul Stephan (philosophischer Redakteur) zeigt exemplarisch zwei philosophische Auswege aus der Krise der Verantwortung zwischen Egoismus (nach Stirner) und der Selbstverantwortung (nach Nietzsche) auf. Eine Formulierung erinnert an Sören Kierkegaard, ohne ihn jedoch zu nennen: „Sobald ich überhaupt wähle, ein Selbst zu sein, muss ich auch wählen, Verantwortung zu übernehmen“ (S. 15)

Christina Schüess (Professorin, Lübeck) greift dazu ein Thema Hannah Arendts auf, die Bedeutung des Lebens. Für diese Philosophin ist die Geburtlichkeit der Grund für die Übernahme der Verantwortung. Der Weltbezug ist den Menschen also im Grund von Geburt an mitgegeben. Auch Emmanuel Levina wird hier einbezogen.

Weitere Aspekte von Verantwortung

Weitere Artikel seien hier nur kurz stichwortartig skizziert

  • Die Rolle des Wissens und der Wissenschaft (Dr. Otto Peter Obermeier, Philosoph und Mediziner)
  • Künstliche Intelligenz (Catrin Misselhorn, Professorin, Göttingen)
  • Schuld und Verantwortung (Jutta Heinz, Literaturwissenschaftliche Autorin)
  • Freiheit (Martin Booms, Professor, Alfter)
  • Armut (Dr. Valentin Beck, Direktor des Instituts für Global Value Inquiry, Berlin)
  • Andere oder Fremde (René Weiland, philosophischer Autor)
  • Selbstbestimmung nach Sokrates (Jörg H. Hardy, Professor, Georgien und Flagstaff, USA, Privatdozent, Berlin)
  • Moralische Verantwortung (Thomas Zoglauer, lehrt Philosophie in Cottbus und Stuttgart)

Verantwortung zwischen Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit

Die gegenwärtige Aktualität dieser Aufsätze ist offensichtlich, die Themenfelder durchaus unterschiedlich. Der Begriff der Verantwortung stellt sich als das vorrangige Aufgabenfeld der Gegenwart dar. Dass dazu auch Religion etwas zu sagen hätte, wird hier leider nicht in den Blick genommen.