Zu: Tore tanzt, Tore tanzt, Deutschland 2012/2013 Spielfilm, FSK ab 16 freigegeben, Erscheinungstermin: 18.7.2014, Drama, 107 Min., Regie: Katrin Gebbe, Darsteller: Julius Feldmeier, Sascha Gersak, Annika Kuhl, Swantje Kohlhof, Specials: Interviews; Audiokommentar
Tore tanzt bis er umfällt. Immer, wenn Tore sehr erregt ist, schlägt seine Epilepsie zu und es reißt ihn zu Boden. Für Tore ist es der Heilige Geist, der ihn schachmatt setzt. Als Jesus-Freak deutet Tore alles, was ihm widerfährt, als Botschaft Gottes. Auf der Suche nach seiner Berufung gerät er mit Benno und seiner Familie zusammen. Sie leben in einer Bruchbude im einem Schrebergartenrevier. Benno ist von Tore fasziniert und gleichzeitig angeekelt, sodass von Minute zu Minute seine sadistischen Züge hervortreten.
Filmisch ist das gut gemacht, von Kapitel zu Kapitel -Glaube (1.Kapitel)- Liebe (2.Kapitel) – Hoffnung (3.Kapitel) steigert sich seine Gewalt- und seine Demütigungseskapaden gegen Tore. Auch seine Partnerin Astrid und später ein befreundetes Pärchen werden in die Gewaltspirale gegen Tore hineingezogen. Für Tore ist klar, Benno ist meine Mission, Jesus will, dass ich Benno bedingungslos liebe und in Liebe zu ihm alle Schmerzen und Demütigungen ertrage. Seine Duldungshaltung ist für den Zuschauer schwer zu ertragen.
Tores zweite Mission ist es, Sanny, die 15jährige Tochter, die von Benno, mit dem Wissen ihrer Mutter Astrid, missbraucht wird, zu retten. Zwischen Tore und Sanny entwickelt sich eine zarte Liebesgeschichte. Diese macht den dunklen Film, der die Abgründe menschlichen Lebens schonungslos offenbart, zeitweise hell. Tore gibt sein Leben für Sanny. Sein Glaube macht ihn fähig, unendlich zu leiden: „Was können mir Menschen schon tun“, sagt er und ist selbst im Sterben der Liebe Gottes gewiss.
Sein Tod ist der Auslöser, dass Sanny mit ihrem kleineren Bruder Dennis fluchtartig Reißaus nimmt und ein neues Leben beginnt. Katrin Gebbe hat das Drehbuch geschrieben und Regie geführt. Die Auswahl der Darsteller ist gelungen. In ihrem Erstlingswerk zeigt sie, dass sie zielgerichtet eine Geschichte so erzählen kann, dass der Zuschauer verwirrt, gebannt und fragend zurück bleibt. Sie verdichtet den Stoff, versteht es Nuancen einzufangen und Stimmungen zu erzeugen. Folie für Tores Tanz in den Tod ist die Passionsgeschichte Jesu. Die großen menschlichen Fragen nach Leiden, Gewalt und Liebe durchziehen diesen Film.
Der Film gibt keine Antworten, er stellt in Frage, auch die Wirkmächtigkeit der Passionsgeschichte Jesu in unserer Kultur. Wer noch Fragen aushalten will, der wird diesen Film nicht vergessen. Der Film ist ein kleines Wunder in unserer ach so harten, technokratisch-vernünftigen Welt. Die unterlegte Musik ist spitze und steigert das sich langsam entwickelnde Drama. Katrin Gebbe ist ein kleines Meisterwerk gelungen. Ich bin gespannt, wie ihr filmischer Weg weiter geht.