Weltkrieg im Barock, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2020

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Marian Füssel: Der Preis des Ruhms, Eine Weltgeschichte des Siebenjährigen Krieges, 1756 – 1763, Verlag C.H.Beck, München 2019, gebunden, 656 Seiten, ISBN: 978-3-406-74005-3, Preis: 32,00 Euro

Link: https://www.chbeck.de/fuessel-preis-ruhms/product/27671844

 

Marian Füssel, geboren 1973, arbeitet als Professor für neuere Geschichte in Göttingen. Er hat schon mehrere Bücher über den Siebenjährigen Krieg geschrieben, darunter auch ein kleines Kompendium (siehe unten). Auf dieses umfangreichere Buch wurde ich durch eine Rezension im Soester Stadtanzeiger aufmerksam, einer wöchentlich erscheinenden Werbezeitung, die vor allem lokale Themen aufgreift.

Der Siebenjährige Krieg ist in unserer Region rund um Welver präsent, da in Vellinghausen eine große Schlacht dieses Krieges stattfand, welche durch ein Schlachtpanorama im Heimathaus Welver präsentiert wird.

Was also ist das Besondere dieses Fachbuches mit dem Titel „Der Preis des Ruhms“?

Als ich die Erläuterung für den Ansatz des Buches las, musste ich an ein Gedicht von Bertold Brecht denken: „Fragen eines lesenden Arbeiters“. Hier fragt sich der lesende Arbeiter unter anderem: „Wer baute das siebentorige Theben?“ Ist nicht Geschichte in der Vergangenheit gerade dann, wenn es um Kriege und Schlachten ging immer aus der Sicht von Königen und Herrschaften erzählt worden?

Wo bleiben die Stimmen der Soldaten, der Offiziere und anderer Beteiligten? Wer also führte, gestaltete und erlitt den Siebenjährigen Krieg? Marian Füssel ist in der Vorbereitung schon früherer Werke zum Krieg auf Tagebücher und Augenzeugenberichte gestoßen, die zum Teil schon im 18. Jahrhundert in umfangreichen Editionen veröffentlicht worden sind. Hier in diesem Buch werden also Berichte zitiert, die die Kriegshandlungen und ihrer Folgen aus erster Hand kommentiert haben. Diese Erlebnisberichte sind der Hauptgegenstand des Buches.

Damit wird aber nun erneut der Krieg erzählt. Doch in dieser Nacherzählung geht es weniger um das Schachbrett der Weltgeschichte. Die Frage, die Marian Füssel verfolgt, ist die Darstellung des Krieges in globaler Perspektive. Schon dieser Krieg, der nicht nur in Europa stattfand, als Konflikt zwischen England und Frankreich oder Preußen und Österreich, lässt sich in globaler Perspektive als Weltkrieg verstehen.

In den ersten Kapiteln des Buches wird in dieses Thema eingeführt, einige Quellentexte vorgestellt und auf die Bedeutung der Selbstzeugnisse hingewiesen. Gerade die Selbstzeugnisse sind ein Beleg für die globalen Dimensionen des Krieges. Die Kriegsparteien und ihre Ressourcen werden dargestellt. Kleine Karten verdeutlichen die Bedeutung der jeweiligen Regionen. Eine These Marian Füssels etwa lautet z. B., dass die Kriegsführung durch eine Entlastung der Zivilbevölkerung (im Vergleich zu früheren Kriegen wie dem dreißigjährigen Krieg) und „truppenschonende Manöverstrategie“ effektiver geworden ist.

Die Beschreibung des Krieges lässt in diesem Buch also weniger die strategische oder politische Perspektive deutlich werden, sondern wird hauptsächlich von den Quellen her erzählt.

Obwohl diese Quellenzitate dem Text einen Realitätsbezug geben, verlieren Leser und Leserin gleichwohl schnell der Überblick. Ein weiterer Nachteil ist, dass die Quellenzitate als realistisch angenommen werden. Dabei wird z. B. den Indianern, die auf französischer Seite in Amerika gekämpft haben, unterstellt, sie hätten den Opfern den Schädel gespalten, sie vorher skalpiert und von ihrem Fleisch gegessen (Kannibalismus, hier S. 88). Da der Autor sich von dieser Schilderung nicht distanziert, habe ich von hier an nicht mehr weiterlesen wollen, wahrscheinlich, weil mich solche Kriegsbilder zu drastisch sind und ich auch nicht sicher bin, ob es nicht eine pure Übertreibung ist. (Hierzu gibt es evtl. eine Diskussion, die aber hier im Buch unerwähnt bleibt, wie z. B. in diesem Artikel: https://www.zeit.de/zeit-geschichte/2011/01/Kannibalismus-Neue-Welt).

Im Zusammenhang der Rezension entdeckte ich das kleine kompakte Taschenbuch:

Marian Füssel: Der Siebenjährige Krieg, Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert, Verlag C. H. Beck, München 2010/2013 Taschenbuch, 129 Seiten, mit zwei Abbildungen und vier Karten, ISBN 978-3-406-60695-3, Preis: 8,95 Euro

Schon in diesem kleinen Taschenbuch wird von Marian Füssel der siebenjährige Krieg als Weltkrieg dargestellt. Hier findet sich auch das Ortsregister und die Zeittafel, die ich im anderen Band vermisse. Die Schlacht in Vellinghausen war demnach am 15. und 16. Juli 1761. Das hätte ich zwar schon vorher wissen können, aber jetzt kann ich diese Schlacht als ein Beispiel der Materialschlacht verstehen, in der eine Übermacht der Franzosen von der englischen Partei auf preußischem Territorium vernichtend geschlagen wurde.

Die Bücher von Marian Füssel zeigen also, dass die Geschichte des Krieges nicht nur etwas mit Macht zu tun hat, sondern auch mit globalen Wirtschaftsinteressen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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