Jürgen Moltmanns trinitarische Schöpfungslehre ist insofern interessant, als sie die Theodizeefrage aushebelt, die letztlich eine metaphysische Unterscheidung von Gott und Welt voraussetzt. Sie grenzt sich von mechanistischen und fundamentalistischen Schöpfungsvorstellungen ab. Diese trinitarische Interpretation scheint daher manchen biblischen Aussagen, die den Gegensatz von Gott und Welt betonen, zu widersprechen. Doch ob das wirklich richtig wäre, müsste dann ersteinmal die Einzelexegese zeigen. Wenn Jesus sagt, dass sein Reich „nicht von dieser Welt“ ist meint er es ja nicht als metaphysisches Gegenüber, sondern als einen Gegensatz im Verständnis der Welt und des Lebens. auch die fundamentalistische Lehre vom intelligenten Designer antwortet auf die falsche Frage, da sie Schöpfung und Verursachung verwechselt.
Aus: Gott in der Schöpfung. 1985. (S.27-29)
Das Fundament für die permanente Unterscheidung von Gott und Welt war der Schöpfungsglaube, denn mit ihm wurde Gott der Welt gegenüber gestellt. Gott steht in der Transzendenz und die Welt wird als „das Werk seiner Hände“ zur Immanenz gemacht: Die Natur wird entgöttert, die Politik profanisiert, die Geschichte defatalisiert. Die Welt wird zur Passiven Materie gemacht.
Diese Unterscheidung von Gott und Welt wurde auch von der theologischen Apologetik der Neuzeit verwendet, um die biblischen Traditionen an die Säkularisierungsprozesse der Neuzeit anzupassen. Die rücksichtslose Eroberung und Ausbeutung der Natur, von der die europäische Neuzeit fasziniert war, fand ihre passende religiöse Legitimation in jener alten Unterscheidung von Gott und Welt. Damit wurde freilich die kritische Wahrheit jener alttestamentlichen Unterscheidung verfälscht. Ohne sie preiszugeben, muss eine ökologische Schöpfungslehre heute die Weltimmanenz Gottes wahrnehmen und lehren. Sie weicht damit nicht von den biblischen Traditionen ab, sondern kommt vielmehr auf ihre ursprüngliche Wahrheit zurück: Gott der Schöpfer von Himmel und Erde ist in jedem seiner Geschöpfe und in ihrer Schöpfungsgemeinschaft durch seinen kosmischen Geist präsent. … Gott ist nicht nur der Schöpfer der Welt, sondern auch der Geist des Universums. Durch die Kräfte und Möglichkeiten des Geistes wohnt der Schöpfer seinen Geschöpfen ein, belebt sie, erhält sie im Dasein und führt sie in die Zukunft seines Reiches. Die Geschichte der Schöpfung ist in dieser Hinsicht die Wirkungsgeschichte des göttlichen Geistes. Es ist darum schon im Blick auf die ursprünglichen Traditionen einseitig, die Schöpfung nur als Werk der „Hände Gottes“ anzusehen und als sein „Werk“ von ihm selbst zu unterscheiden. Schöpfung ist auch die differenzierte Gegenwart Gottes des Geistes, die Präsenz des Einen in den Vielen.
Um nach der Welttranszendenz diese Weltimmanenz Gottes zu begreifen, ist es ratsam, den Kausalbegriff und mit ihm selbst das kausale Denken selbst aus der Schöpfungslehre zu entfernen. Mit ihm konnte nur die Welttranszendenz der göttlichen causa prima, die als göttliche zugleich causa sui sein muss, gedacht werden. Weltschöpfung ist aber etwas anderes als Weltverursachung. Ist der Schöpfer kraft des Geistes in seiner Schöpfung selbst präsent, dann ist seine Beziehung zur Schöpfung eher als ein vielfältiges Netz einseitiger, wechselseitiger und mehrseitiger Beziehungen anzusehen. In diesem Beziehungsnetz benennen „Schaffen“, „Bewahren“, „Erhalten“ und „Vollenden“ zwar die großen einseitigen Beziehungen, aber „Einwohnen“, „Mitleiden“, „Teilnehmen“, „Begleiten“, „Erdulden“, „Erfreuen“ und „Verherrlichen“ sind wechselseitige Beziehungen, die eine kosmische Lebensgemeinschaft zwischen Gott dem Geist und allen seinen Geschöpfen bezeichnen.
Die trinitarische Schöpfungslehre geht also nicht von einem Gegenüber von Gott und Welt aus, um dann Gott und Welt gegeneinander zu definieren, also Gott als nicht weltlich und die Welt als nicht göttlich zu bestimmen. Sie geht vielmehr von einer immanenten Spannung in Gott selbst aus: Gott schafft die Welt und geht zugleich in sie ein.