Zu: David Trobisch: War Paulus verheiratet? Und andere offene Fragen der Paulusexegese, ISBN 978-3-579-08125-0, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2011, Preis: 12,95 Euro
David Trobisch lebt als evangelischer Theologe und Hochschullehrer in den USA und in Deutschland. Er veröffentlichte im letzten Jahr einen Paulusroman, der die Grundlinien der Paulusbiografie anders zeichnet, als die normalerweise erwartet wird (David Trobisch: Ein Clown für Christus: Die ganz andere Geschichte von Paulus und seiner Zeit, Gütersloh 2010).
In diesem Band wird nun anhand ausgewählter Bibelstellen dargelegt, welches Paulusbild entsteht, wenn allein die Paulusbriefe als biografische Quelle angesehen werden. Die Vorstellungen der Apostelgeschichte werden ausgeblendet, da sie ein anderes Bild der Reisen und der Lebensweise des Paulus vermitteln. Verstärkt müsste man sagen: Die autobiografischen Informationen der Paulusbriefe stellen eine eigenständige Erzählung des Lebens und Wirkens des Apostels dar. Der Autor liest die neutestamentlichen Texte, hier speziell die Paulusbriefe als Literatur und folgert aus dieser methodischen Vorgabe einige Regeln, die er konsequent anwendet. Eine dieser Regel besteht darin, von einer konkreten Angabe eines Briefes auszugehen und diese bei allgemeineren Angaben auch als gültig anzunehmen. Dies hat auch historisch weitreichende Konsequenzen. Interessant ist jedoch, dass sich aus einer recht einfachen Lektüre ein einigermaßen schlüssiges Bild einer Reise ergibt, die in Damaskus beginnt und in Rom endet. Von wenigen Übersetzungsentscheidungen abgesehen liegen die biografischen Quellen in den Paulusbriefen klar auf der Hand und lassen sich schlüssig einordnen. Die Reise, die Paulus zurücklegt, hat den Zweck, einzelne Gemeinden zu besuchen, dort zu wirken und eine Kollekte für die Armen in Jerusalem einzusammeln. Dazu verzichtet er (zum Teil) auf Entlohnung, die ihm laut Apostelstatut (Matthäus 10, 5-10) zustehen würde und verdient seinen Lebensunterhalt selbst. Die Mitarbeiter Titus und Timotheus begleiten ihn teilweise und werden auch als Boten gesandt. Zum Teil ist Paulus sogar im Ungewissen, wo sie sich gerade befinden und erfährt es erst im Nachhinein. Die Frage, ob und mit wem er verheiratet war du wieso er trotzdem sexuell enthaltsam lebte, sollte in dieser Rezension nicht beantwortet werden, sondern der Lektüre dieses interessanten und gut lesbaren Buches vorbehalten bleiben. Wichtig ist beim Lesen immer mit zu bedenken, dass es David Trobisch nicht um historische Beweise geht, sondern um das plausible Bild eines literarischen Werks. In diesem Zusammenhang wird die Unterscheidung zwischen echten und unechten Paulusbriefen aufgegeben. Interessant ist, dass die dann übrigen Briefe Jakobus, Judas Petrus und Johannes die Namen der Jerusalemer Apostel repräsentieren, von denen Paulus sich zum Teil zu unterscheiden sucht. Eine weitere Voraussetzung, die heute sicherlich auch von vielen Theologinnen und Theologen geteilt wird ist, dass sich noch keine Abspaltung des Christentums vom Judentum ergeben hat, sondern dass sich die Geschichte der frühen christlichen Gemeinde im Bereich des antiken Judentums abspielt und dessen Differenzierung abbildet.
Es ist schon erstaunlich, wie deutlich sich die Lektüre der biblischen Bücher als Literatur von der sog. historisch kritischen Forschung entfernt und wie plausibel sie dennoch zu argumentieren versteht. Dieses Buch kann jetzt dazu beitragen, die Diskussion um den Paulusroman (s.o.) zu versachlichen. Spannend wäre es jetzt, über die erzählerische Perspektive hinaus die Frage nach der Theologie das Paulus von hier aus in den Blick zu nehmen.