Zu: Christian Gremmels: Theologie und Lebenswelt, Beiträge zur Theologie der Gegenwart, herausgegeben von Florian Schmitz, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2012, ISBN 978-3-579-08133-5, Preis: 24,99 €
Die hier dokumentierten Aufsätze von Christian Gremmels sind von Florian Schmitz aus unterschiedlichen Quellen wie Zeitschriften, Büchern, Festschriften und Aufsatzsammlungen, zum Teil vergriffen, herausgesucht und thematisch geordnet worden. Die Texte hat Christian Gremmels von 1974-2006 veröffentlicht. Der Ausdruck „Lebenswelt“ taucht an verschiedenen Stellen auf, wobei Gremmels die Quelle des Begriffs bei Edmund Husserl und damit im Bereich der Phänomenologie verortet. Die Orientierung von Christian Gremmels am Lebenswerk Dietrich Bonhoeffers tritt hier ein wenig zurück, beziehungsweise es zeigt sich, dass sich sein Interesse an Bonhoeffer gerade an dessen lebensweltlichen Orientierung entzündet hat. Die theologischen Erkenntnisse der Gefängnisbriefe entzünden sich, der Beobachtung von Christian Gremmels gemäß, gerade an lebensweltlichen Orientierungen der „Alltagswelt“ und der „Lebensgeschichte“. Zwischen diesen beiden Polen spielt sich wohl lebensweltliche Orientierung ab. Sowohl bei Christoph Blumhardt, dem jüngeren von beiden, als auch bei Dietrich Bonhoeffer deutet sich ein Übergang in den Raum des Politischen an. Am Gewissensbegriff zeigt sich, dass die Lebenswelt sowohl eine individuelle, als auch eine gesellschaftliche Dimension hat. Am Denken Heideggers wird klar, dass lebensweltlich offene Fragen zur Debatte stehen können. Obwohl es sich um theologische Texte handelt, die in diesem Buch veröffentlicht werden, spielt die Gottesfrage nur eine untergeordnete Rolle. Es geht eher, dem hermeneutischen Ansatz und an seiner Orientierung an Weltbildern gemäß, wie noch bei Bultmann und Bonhoeffer zum Teil gesehen, darum, die lebensweltlichen Orientierung zu setzen, beziehungsweise die Hermeneutik an der Lebenswelt zu orientieren. Dabei ist der Begriff selbst nicht so eingrenzbar, da es aber auch auf den Kontext ankommt. Es kann um Alltagswissen gehen, um die Wahrnehmung der Erfahrung und um die Berücksichtigung der Subjektivität. Klar ist, dass Christian Gremmels an der Zeitgenossenschaft der Theologie keinen Zweifel lässt. Die religiöse und theologische Begrifflichkeit kann nicht losgelöst von der lebensweltlichen Erfahrung ausgedrückt werden. Das Bekenntnis zur Allmacht Gottes muss in Frage gestellt werden, da es nur wenige Bibelstellen dazu gibt, und dort, wo die Wendung gebraucht wird, nicht von konkreten Erfahrungen abgelöst verstanden werden kann. Der lebensweltliche Ansatz scheint eher zu einem systemischen Denken zu führen, das den Gebrauch religiöser Begriffe in den jeweiligen Erfahrungshorizont stellt. Manche Aussagen können nicht verallgemeinert werden, da sie immer situationsbedingt sind. Andererseits können Begriffe in vergleichbaren Situationen erfahrungsorientiert immer wieder neu bewertet werden. Die Aufsätze von Christian Gremmels laden ein zur Weiterarbeit an den Fragen der Lebenswelt in der Gegenwart.