Geschenkideen und Lesetipps, Teil 2, Rezension, Christoph Fleischer, Welver 2019

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Isabelle Schumacher: Im Herzen berührt, Durch Wertschätzung und Selbstliebe, Lüchow im Kamphausen Media GmbH, Bielefeld 2019, Softcover, 206 Seiten, ISBN (print): 978-3-95883-372-2, Preis: 16,00 Euro

Link: https://www.kamphausen.media/produkt/im-herzen-beruehrt/

Als ich im letzten Jahr aufgrund eines Herzinfarkts in der REHA war, wurde das Programm durch Vorträge einer Psychologin bereichert. Einer dieser Vorträge trug den Titel „Herzintelligenz“.  Es kann schon von diesem Stichwort her nicht mehr darum gehen, dass Herz nur als zentrales menschliches Organ zu sehen, als Generator des Herzschlags, als Impulsgeber und Pumpe oder als Herzrhythmusgeber, sondern ebenso als Organ der Intelligenz und des Gefühls.

Darauf wurde ich schon ein Jahr vorher hingewiesen, als bei einer Bibelarbeit die Worterklärung des Hebräischen für Herz auftauchte, wobei „Herz“ hier sowohl mit Gefühl als auch mit Vernunft übersetzt werden kann.

Auch von der Medizin her ist bekannt, dass ein gebrochenes Herz als „Broken Heart Syndrom“ Ursache schwerer Herzkrankheiten wie eines Herzinfarkts oder des Herzflimmerns sein kann.

Das Buch von Isabell Schumacher geht diesem Zusammenhang nach und versteht das Thema psychotherapeutisch. Das Gegenteil eines guten Herzgefühls bezeichnet sie als Stress. Was hilft gegen Stress?, so fragt die Autorin, und entdeckt die Meditation als Mittel dafür, sich mit seinem „Herzen“ zu verbinden.

In der Einleitung wird die therapeutische Arbeit am Herzen so zusammengefasst: „Allein durch die innere Stärkung, durch das Fokussieren auf eine gesunde, lebensbejahende, stress- und schmerzfreie Energie, allein durch das Etablieren von hellen Emotionen hatte sich ihre Chemie derart verändert, dass sie eine Heilung zuließen.“ (S. 16).

Die Denkanstöße verbindet die Autorin mit therapeutischen Übungen, die die (Selbst-)Therapie unterstützen sollen.

Die Grundgedanken der Therapie sind esoterisch motiviert, was in diesem Zusammenhang auch ein Schlüsselwort sein kann: Die Heilung soll von Innen kommen, durch die Einheit von Gefühl und Verstand.

Olaf Schmidt: Der Oboist des Königs, Das abenteuerliche Leben des Johann Jacob Bach, Roman, Verlag Galiani Berlin 2019, gebunden, 590 Seiten, ISBN: 978-3-86971-185-0, 25,00 Euro

Link: https://www.galiani.de/buch/olaf-schmidt-der-oboist-des-koenigs-9783869711850

Vorbemerkung: Kurz nach der Wende haben wir einen Presbyteriumsausflug nach Eisenach gemacht, das Pfarrkollegium zusammen mit Presbyterinnen und Presbytern. Wir waren mit einem kleinen Reisebus unterwegs und konnten zur Wartburg und später in die Altstadt von Eisenach fahren.

Eine der letzten Stationen in Eisenach war dort das Bach-Haus, ein denkmalgeschütztes Bauwerk mit einem Museum der barocken Musik, das eine Vielzahl von Instrumenten aus der Bachzeit  beherbergt. Ich war auf Johann Sebastian Bach fixiert, denn hier hat er als Kind gelebt. Das Haus war damals die Dienstwohnung des Stadtmusikers, so auch der Familie Bach.

Der erste Abschnitt des Buches von Olaf Schmidt erzählt die Geschichte der Brüder Jacob und Sebastian, die unter dem frühen Tod der Eltern leiden mussten. Doch eine verzweigte Musikerverwandtschaft konnte die Waisenkinder auffangen. Nach dem Tod der Eltern werden die Brüder in Ohrdruf aufgenommen und nach einiger Zeit Zeugen eines Gottesdienstes, in dem der Onkel Johann Christoph Bach an der Orgel eine musikalische Revolution vorführte. Die Erzählung dieser musikalischen Darbietung an der Orgel lässt den Atem stocken, so lebendig und zugleich auch so gut beobachtet schildert Olaf Schmidt die Darbietung des Organisten, die als Fantasie oder Toccata bezeichnet wurde, und wie üblich, in eine Fuge überging, aus heutiger Sicht aber zugleich eine streng strukturierte Improvisation wie ein Jazzkonzert: „Dann ging Christoph zu auf- und abwogenden Läufen in Sechzehnteln und Zweiunddreißigsteln über, beschleunigte, wurde schneller und schneller – und brach jäh ab: mit einem verminderten Septakkord! Jacob stockte der Atem. Hatte Christoph danebengegriffen?“ (S. 57)

Die Perspektive der Erzählung des Romans liegt ganz in den Personen wie hier Johann Jacob Bach. So wird die geschilderte Darbietung aus erzählter Erfahrung, die nicht nur Beobachtung ermöglicht, sondern auch das Gefühl anspricht.Das Buch ist eine außerordentliche Leseerfahrung.

Christiane Tietz: Karl Barth, Ein Leben im Widerspruch, C. H. Beck Verlag, München 2018, gebunden, 538 Seiten, ISBN: 978-3-406-72523-4, Preis: 29,95 Euro

Link: https://www.chbeck.de/tietz-karl-barth/product/24060229

Dass Karl Barths Leben im Widerspruch wurzelte, ist nicht selbstverständlich. Christiane Tietz gelingt es absolut, die Entwicklungsgeschichte eines Theologen quasi als die eines theologischen Wunderlandes darzustellen. Barth kam als Praktiker, als engagierter Gemeindepfarrer mit publizistischem Interesse an die Uni, musste dafür mit seiner schweizerisch verwurzelte Familie nach Göttingen umziehen, wo er auf den reformierten Lehrstuhl berufen wurde. Eine Doktorarbeit hat er nicht geschrieben, aber ein Buch, das ein neues christliches Denken eröffnet, indem es mit den Grundgedanken Sören Kierkegaard ernst machte und gegen den theologischen Neuprotestantismus richtete und den aufkommenden Pietismus rechts liegen ließ.

Karl Barth wird hier als Erfinder und Hauptvertreter der dialektischen Theologie geschildert, zu der aber auch gleich eine Gruppe gehörte. 

Meine Frage: Hatte Barth wirklich seinen Ursprung im liberal theologischen Denken abgelegt wie einen alten Anzug? Sein politisches Engagement hat doch gerade bei ihm eine theologische Sprache gefunden. Warum galt die dialektische Theologie bald nach Barths Tod als hierarchisch,patriarchalisch und theologisch überholt? Diese Fragen lasse ich hier stehen.

Um seine Arbeit als Professor und theologischer Schriftsteller zu bewältigen, stellte Karl Barth eine Mitarbeiterin ein, Charlotte Kirschbaum. Aktuell freigegebene Briefe zeigen nun endgültig, und darauf geht Christiane Tietz ausführlich ein, was in Theologenkreisen längst ein offenes Geheimnis war, dass Charlotte und Karl ein Paar waren. Dieses Paar lebte und arbeitete im Haus der Familie Barth in Göttingen, Münster, Bonn und Basel, keine einfache Entscheidung. Christiane Tietz lotet diese Situation aus mit Fingerspitzengefühl, ohne zugleich das Hauptthema aus der Hand zu geben: Karl Barth als prägender Theologe des 20. Jahrhunderts im Engagement für eine ehrliche, klare und engagierte Verkündigung des Wortes Gottes, die immer mit beiden Füßen auf der Erde steht.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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