Intelligente öffentliche Verdummung, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2020

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Michael Blume: Verschwörungsmythen, Woher sie kommen, was sie anrichten, wie wir ihnen begegnen können.

Patmos im Schwabenverlag, Ostfildern 2020, broschiert, 160 Seiten, ISBN: 978-3-8436-1286-9, Preis: 15,00 Euro

Link: https://shop.verlagsgruppe-patmos.de/verschwoerungsmythen-011286.html

 

Michael Blume (* 20. Juni 1976 in Filderstadt) ist ein deutscher Religionswissenschaftler sowie Beauftragter der Landesregierung gegen Antisemitismus. (Wikipedia, am 16.10.2020).

Das Buch beginnt mit einer ausführlichen philosophischen Untersuchung über den Dualismus, der sich mit der Wirkung der Ideen Platons verbreitet hat. Durch sein Höhlengleichnis hat sich die Idee einer Phantasiewelt verbreitet, der eine wirkliche Welt gegenübersteht. Die Menschen befinden sich aber in der Höhle und kennen nur die Schatten der wirklichen Welt.

Daraus folgt der Dualismus mit dem besonders Kant und Nietzsche gebrochen haben, nach denen es nur eine Wirklichkeit gibt. Menschen, die sich nach der Vorgabe des Höhlengleichnisses verhalten, befinden sich sozusagen in einer gespaltenen Weltauffassung.

 

Mit dieser Einleitung macht Michael Blume die Verschwörungsmythen zu antiquierten, aber durchaus abendländisch nicht ungewöhnlichen Denkfiguren, die quasi durch den christlich-jüdischen Dualismus schon von Kindheit an eingeübt werden. Damit ist zugleich klar, dass an dieser Stelle der Dualismus der griechischen Antike und der Dualismus des Christentums und des Judentums in eins fallen

Einen breiten Raum nimmt daraufhin der Nationalsozialismus ein. Michael Blume geht darauf ein, dass unter den führenden Nationalsozilisten auffällig viele Akademiker waren und sogar mit Doktortitel, wie z. B. die Teilnehmer der Wannseekonferenz. Auf die Person des Philosophieprofessors aus Freiburg Martin Heidegger, geht er ausführlicher ein. Am Beispiel Martin Heideggers zeigt Michael Blume, dass die Menschen auch heute bis in die Kreise der Intelligenz anfällig sind für Verschwörungsmythen. Bei der Schilderung der Einstellung Heideggers zeigt er jedoch einige Lücken. So kommt mir der Einfluss der sogenannten „Protokolle der Weisen vom Zion“ etwas zu kurz. Auch auf seine Rektoratsrede von 1933 und seine eigene Auffassung von Nietzsche geht mir Michael Blume zu wenig ein. Er zeigt hingegen, dass Martin Heidegger sich schon in Briefen an seinen Bruder vor 1933 wohlwollend über Hitler geäußert hat. Es bleibt hingegen unerwähnt, dass seine Frau Elfride eine Nationalsozialistin der ersten Stunde war.

Am Ende des zweiten Kapitels prognostiziert Michael Blume die kommende Wahlniederlage von Donald Trump, die sich dem sinkenden Einfluss der Verschwörungsideologie verdankt. Enttäuscht war ich hingegen, dass Michael Blume auf die neue Verschwörungstheorie QAnon nicht eingeht, von der anscheinend auch Donald Trump beeinflusst ist.

 

Im letzten Kapitel geht Michael Blume auf die Arbeit als Beauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg gegen Antisemitismus ein. Alte antisemitische Gedanken verknüpfen sich im Netz mit der Leugnung des Holocaust. Auch Impfgegner tragen Judensterne.

In diesem Kapitel zeigt Michael Blume in einem Vier-Stufen-Modell, wie er sich die Arbeit der Überwindung des Antisemitismus in Schulen und öffentlichen Bildungseinrichtungen vorstellt.

  1. Ängste und Emotionen auf denen Verschwörungstheorien fußen, sollen benannt und überwunden werden.
  2. Ein Podcast „Verschwörungsfragen“ unterstützt die Bildungsarbeit mit einem kostenlosen Angebot.
  3. Ratsuchende sollten dringend Sektenausstiegsberatungsstellen kontaktieren.
  4. Wenn sich im Freundeskreis oder in der Familie Menschen Verschwörungstheorien anschließen, gehen Angehörige „auf Distanz“ und akzeptieren zugleich die persönlichen Entscheidungen respektvoll.

 

Für weitere Informationen sei die zuletzt genannte Homepage empfohlen: http://www.blume-religionswissenschaft.de.

Das Buch ist absolut lesenswert.

Seht aber auch mal auf die am Anfang genannte Verlagshomepage, auf der auch ein Podcast mit einem 1 1/2 Stunden langen Interview zu hören ist. Ein Hingucker ist das Cover, auf dem das Wort „Verschwörungsmythen“ mit einem Augenpaar aufgebrochen wird, so dass die Leserin und der Leser sich angesehen fühlen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

2 Gedanken zu „Intelligente öffentliche Verdummung, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2020“

  1. Die Rezension zu Michael Blumes Buch „Verschwörungstheorien“ fand ich spannend. Auf dem ersten Blick scheint die Deutung des Dualismus als Nährboden für Verschwörungstheorien überzeugend. Ich bin hier aber skeptisch, glaube eher, dass Verschwörung etwas mit Vereinfachung und Sündenbockmentalität zu tun hat. Auch der Gesundheitsmarkt ist sehr von Gefühlen und der Sehnsucht nach einfachen Lösungen geprägt. Deshalb gibt es den großen Globoli-Glauben. Michael Blumes theoretischer Dualismusansatz greift meiner Einsicht nach zu kurz.
    Joachim Leberecht

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