über Römer 6,3+4, Die kostbare Perle, 6. Sonntag nach Trinitatis
3 Ihr wisst doch: Bei unserer Taufe wurden wir förmlich in Christus Jesus hineingetaucht. So wurden wir bei der Taufe in seinen Tod mit hineingenommen. 4 Und weil wir bei der Taufe mit ihm gestorben sind, wurden wir auch mit ihm begraben. Aber Christus ist durch die Herrlichkeit des Vaters vom Tod auferweckt worden. Und genauso sollen auch wir jetzt ein neues Leben führen. (Basis Bibel, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2010, Römer 6,3+4)
Liebe Gemeinde,
heute möchte ich Sie mitnehmen zu einem Besuch der documenta fifeteen in Kassel. Wir besuchen gemeinsam die katholische Kirche St. Elisabeth. Die Gemeinde hat die Künstlerin Birthe Blauth aus München beauftragt, die Kirche zu gestalten. Es geht mir nicht um das Konzept der Künstlerin, sondern ich lade Sie ein zu einer Art Phantasiereise in den von der Künstlerin gestalteten Kirchraum. Später wird das Geschaute mit den Paulusworten zur Taufe in Beziehung gesetzt. Wenn Sie mögen und es Ihnen hilft, schließen Sie bei unserer Reise die Augen und stellen Sie sich vor, Sie sind mit dabei.
Sie stehen mit einer überschaubaren Gruppe auf dem großen Vorplatz, einer der weiten öffentlichen Plätze der documenta mitten in Kassel. Der große Platz ist leer, es scheint die Sonne und es weht ein leichter Wind. Sie gehen mit der kleinen Gruppe in Richtung Elisabethkirche. Von weitem sehen sie den Kirchturm. Er ist nicht geschlossen, sondern offen. Auf dem Kirchturm ist ein Kreuz zu sehen.
Wir kommen näher und überqueren eine Straße, die nicht viel befahren ist. Rechts von der Kirche liegt eine Straße auf der der Verkehr nur so braust. Autos fahren an und fahren weiter in die Stadt hinein. Menschen gehen über die Fußgängerampel. Von rechts drängt der Lärm der Stadt in die Ohren.
Vor uns baut sich die schlichte, moderne Kirche auf. Wir gehen drei Stufen hoch, um auf den Vorplatz der Kirche zu gelangen. Unsere Augen suchen die Eingangstür. Sie bewegen sich auf die dunkle Tür zu. Sie gehen den anderen hinterher durch die Tür. Hinter der Tür ist es dunkel. Ihre Augen müssen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Vor einem Tisch stehen drei Menschen. Einer flüstert, bitte ziehen sie ihre Schuhe aus, bevor sie in den Kirchraum gehen. An der Rückseite des dunklen Raums erkennen Sie ein Schuhregal. Sie ziehen ihre Schuhe aus, verstauen sie in einem Fach des Regals. Bevor sie in den Kirchraum eintreten, bekommen sie von einer weiteren Person einen kleinen Zettel. Der schwere schwarze Vorhang wird für Sie bei Seite geschoben. Sie gehen in den Kirchraum und während sie den ersten Schritt auf ein weiches Grün machen, lesen Sie auf dem kleinen Zettel. Bitte schweigen Sie an diesem Ort. Sie dürfen sich, bevor sie die Kirche verlassen, eine Perle aus der Schale mitnehmen.
Sie gehen tiefer in den Kirchraum hinein. Der ganze Kirchraum ist vollkommen leer, nur mit Rasen ausgelegt. Sie spüren das Gras unter ihren Füßen. Von den beiden Außenseiten mit großen Glasflächen fällt Licht in die Kirche. Sie sehen Menschen. Manche gehen langsam über die Wiese, anderen haben sich hingesetzt oder hingelegt. Sie schauen nach einem Platz, wo sie sich hinsetzen können. Sie setzen sich aufs Grün und lassen den Kirchraum auf sich wirken. Es ist still. Der Lärm der Straße ist nicht mehr zu hören. Sie atmen ein und aus und fühlen sich geborgen. Die Ruhe tut gut. Sie schließen die Augen und sind eine Zeit lang ganz für sich. Dann nehmen Sie wieder den Raum und die Menschen um sich herum wahr. In der Mitte des Kirchraums steht eine große Schale. Aus der Schale leuchtet es weiß. Ein Mensch kniet vor der Schale und fährt mit seinen Händen durch das Weiß. Dass werden Perlen sein, denken sie. Wie kommt es, dass sie so leuchten? Sie nähern sich langsam der Schale. Die Perlen leuchten wunderschön. Es sind tausende von weißen Perlen. Sie knien sich nieder und fahren mit der Hand durch die weiße Pracht. Dann tauchen Sie mit der Hand noch einmal in das Weiß ein, lassen die Perlen langsam in die Schale rieseln und von den letzten vier, fünf Perlen auf ihrer Handfläche suchen Sie eine für sich aus. Sie halten sie zwischen Daumen und Zeigefinger und freuen sich. Mit der Perle verlassen Sie langsam den Kirchraum – und öffnen jetzt wieder die Augen und kommen hier in unseren Kirchraum/Gottesdienstraum wieder an.
Du bist getauft. Du bist mit Christus durch das Dunkel hindurchgegangen. Du hast die Dunkelheit hinter dich gelassen und in dir ist ein Raum der Stille und Begegnung mit Gott. Zu diesem Schatz hast du jederzeit Zugang. Mit der Taufe grünt ein unvergängliches Leben in dir. Du bist geschützt, geborgen, gerettet. Christus hat dich mit seinem Tod teuer erkauft. Das Leben leuchtet weiß. Christus ist deine Perle. Dieser Schatz lebt und leuchtet in dir. Vor diesem Licht kann nichts bestehen, was dieses Licht verdunkelt. Kein Leid, kein Schmerz und kein Tod. Wie ein Sandkorn in einer Muschel mit Schichten ummantelt wird und zu einer kostbaren Perle heranreift, so hat Christus für dich das schlechthin Fremde – den Tod – umschlossen und in Leben verwandelt. Seine Auferstehung lebt seit deiner Taufe als kostbares Gut in dir. Du bist mit Christus in der Taufe den Weg vom Tod ins Leben gegangen.
Wir verlieren den Zugang zu der Perle in uns immer wieder. Aber wir können uns immer wieder, zu jeder Zeit und an jedem Ort, diesem Schatz in uns zuwenden. Diese Reise zu Christus in uns nennen wir glauben: Ein großes Vertrauen in den Gott unseres Lebens. Daraus wächst die Kraft das Leben und die Welt zu gestalten.
Hinabsteigen, Zeiten der Dunkelheit durchschreiten, um ins Licht zu kommen, um beschenkt zu werden: das ist Glauben. Das Neue, das Kostbare, das Schöne lebt in uns, daher lasst uns das Falsche, das Niederträchtige, das Unechte ablegen.
Amen
Joachim Leberecht
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