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Alexandra Borchardt: Mensch 4.0, Frei bleiben in einer digitalen Welt, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2018, gebunden, 255 Seiten, ISBN: 978-3-579-08692-7, Preis: 20,00 Euro
Die Journalistin der Süddeutschen Zeitung Dr. Alexandra Borchardt lehrt und arbeitet in Oxford am Reuters Institute for the study of Journalism. Man merkt es dem Buch an, dass es den Mittelweg geht zwischen der an ein weiteres Publikum gerichteten journalistischen Veröffentlichung und einer wissenschaftlichen Arbeit. Die Vielzahl von Referenzen, die im Lauf des Textes zitiert oder angesprochen werden, spiegeln sich in dem nach Kapiteln gegliederten Anhang der Anmerkungen, der so zugleich zum Literaturverzeichnis wird. Dieser Stil, der jetzt eigentlich immer häufiger im Sachbuch vorkommt, hat den Vorteil, ein aktuelles Niveau der Auseinandersetzung mit dem Thema vorzuweisen und zugleich verständlich zu bleiben. Der Eindruck, dass die aufeinanderfolgenden Inhalte dann nacheinander abgearbeitet werden, eröffnet zugleich den Eindruck eines Kaleidoskops aktueller Veröffentlichungen.
Ohne eine knappe Inhaltsangabe dieser Rezension hinzuzufügen, möchte ich mich lieber persönlich zum Buch äußern. Hierdurch wird zugleich deutlich, dass man hierbei von einer Ethik der digitalen Erfahrungswelt sprechen kann.
Ich habe mich in den regelmäßigen Angeboten von Ebay und Amazon wiedergefunden, die durch sogenannte Algorithmen gesteuert werden, von denen die Autorin schreibt. Die Angebote und Kaufvorschläge, die ich selbstredend nicht oft aufgreife, orientieren sich oft genug an dem, was mich im Moment beschäftigt. Und dabei geht es tatsächlich nicht nur um Fortsetzungen meiner früheren Käufe, sondern manchmal auch um Buchideen, die ich weder angefragt noch bereits im Internet angesehen habe, bei denen ich mich dann frage: Woher weiß das Internet das schon wieder?
Eine Frage, die das Buch durchzieht, ist schon vom Titel her vorgegeben: Liegt die Lösung im ständigen Konflikt zwischen Internetnutzung und der eigenen Person nicht allein darin, dass ich das Internet so nutze, dass ich mich nicht von ihm besitzen zu lassen? Ein Beispiel: Ich lese die Zeitung wie früher am Frühstückstisch, allerdings seit einem Jahr digital. So liegt das iPad selbstredend auf dem Frühstückstisch. Gerade diese Situation sollte laut Alexandra Borchardt eine internetfreie Zone sein. Dann werde ich die Zeitung wohl demnächst vor oder nach dem Frühstück lesen müssen.
Die Zusammenfassung des Buches ist überschrieben mit: „Kleine Philosophie der Freiheit in der digitalen Welt – das gute Leben“ (Kapitel 8). Die Ansätze dieses Essays bestehen darin, sich im digitalen Leben weiterhin politisch zu verstehen. Wir werden eine „lernende Gesellschaft“, aber wir brechen zugleich das „Effizienz – Diktat“. Wenn das Internet eine neue Tendenz zur Dezentralisierung fördert, dann ist das im Sinn des gesellschaftlichen Lebens. Das funktioniert aber nur, wenn die Vereinzelung aufgebrochen wird. Die Vernetzung muss die Menschen geradezu auffordern, eigenständig zu denken und zu handeln.
Vielleicht gibt es nicht ganz wenige Menschen, denen man mit einem Geschenk dieses Buches einen Gefallen tun kann, vielleicht sogar zu Weihnachten.