Vom ‚Vorhof der Heiden‘ Notiz von Christoph Fleischer, Werl 2010

Trotz allem, was die katholische Kirche im Moment erschüttert, dass sie nämlich offen vor die Konsequenzen ihrer jahrelangen Vertuschungspolitik gestellt wird, lese ist gerade im Rundschreiben das Vatikans eine interessante Notiz:

Vatikan: eine Stiftung für den Dialog zwischen der Kirche und den Nichtgläubigen:

http://www.zenit.org/article-19921?l=german

In diesem Abschnitt wird der Dialog des Vatikans mit Organisationen von Nicht-Gläubigen und Atheisten in Aussicht gestellt. Dies halte ich für eine großartige Geste. Als Gründungsort dieser Stiftung wird Paris in Aussicht gestellt. Es geht darum, wahrzunehmen, dass die Positionen der Gottsucher und Atheisten auch von einer bestimmten für sie eignen Spiritualität geprägt sind. Erzbischof Gianfranco Ravasi, der Präsident des päpstlichen Rates für die Kultur, stellte diese Idee mit folgenden Worten vor: Absicht des Vatikans sei es, „den Raum der Spiritualität der Gottlosen zu studieren und die Thematiken der Beziehung zwischen Religion Gesellschaft, Frieden und Natur zu entwickeln. … Mit dieser Initiative möchten wir allen helfen, aus einer verkümmerten Konzeption des Glaubens herauszukommen und zum Verständnis zu kommen, dass die Theologie von wissenschaftlicher Würde mit einem epistemologischen Status ist.“

Diese Ankündigung bezieht sich auf eine Rede des Papstes am 21.12.2009, in der aus der Konsequenz seines Besuches in Paris 2008 sich auf die Frage des Gottsuchens bezog:

„Als ersten Schritt von Evangelisierung müssen wir versuchen, diese Suche wachzuhalten; uns darum mühen, dass der Mensch die Gottesfrage als wesentliche Frage seiner Existenz nicht beiseite schiebt. Dass er die Frage und die Sehnsucht annimmt, die darin sich verbirgt. Hier fällt mir das Wort ein, das Jesus aus dem Propheten Jesaja zitiert hat: dass der Tempel von Jerusalem ein Gebetshaus für alle Völker sein solle (Jes 56,7; Mk 11,17). Er dachte dabei an den sogenannten Vorhof der Heiden, den er von äußeren Geschäftigkeiten räumte, damit der Freiraum da sei für die Völker, die hier zu dem einen Gott beten wollen, auch wenn sie dem Geheimnis nicht zugehören konnten, dem das Innere des Tempels diente. Gebetsraum für alle Völker – dabei war an Menschen gedacht, die Gott sozusagen nur von ferne kennen; die mit ihren Göttern, Riten und Mythen unzufrieden sind; die das Reine und Große ersehnen, auch wenn Gott für sie der »unbekannte Gott« bleibt (Apg 17,23). Sie sollten zum unbekannten Gott beten können und damit doch mit dem wirklichen Gott in Verbindung sein, wenn auch in vielerlei Dunkelheit. Ich denke, so eine Art »Vorhof der Heiden« müsse die Kirche auch heute auftun, wo Menschen irgendwie sich an Gott anhängen können, ohne ihn zu kennen und ehe sie den Zugang zum Geheimnis gefunden haben, dem das innere Leben der Kirche dient. Zum Dialog der Religionen muß heute vor allem auch das Gespräch mit denen hinzutreten, denen die Religionen fremd sind, denen Gott unbekannt ist und die doch nicht einfach ohne Gott bleiben, ihn wenigstens als Unbekannten dennoch anrühren möchten.“

Quelle:http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2009/december/documents/hf_ben-xvi_spe_20091221_curia-auguri_ge.html

Die Interpretation der symbolischen Tempelreinigung Jesu bezieht sich darauf, dass der damalige Vorhof der Heiden, der zu einem Marktplatz geworden war, wieder zu seiner ursprünglich gedachten Funktion würde, einem Versammlungs – und Gebetsplatz der Angehörigen aller Völker, die hier zusammenkamen um zu beten, ohne dass sie den inneren Bereich des Tempel hätten betreten dürfen. Die Verbindung dieser Aktion mit der Tempelreinigung Jesu als ein Akt der Befreiung von den Gesetzen des Marktes halte ich für sehr gut und weiterführend. Der Papst allerdings hält hier an der Analogie Kirche und Tempel fest, die das Bild seiner Rhetorik hier bestimmt. Die Interpretation der Tempelreinigung Jesu müsste aber dann auch bedeuten, dass Jesus gerade diesen Vorhof des Tempel zur Begegnungsstätte des neuen Gottesvolkes gemacht hat, ein Volk aus allen Völkern, ein Volk derjenigen, die vor den Anhänger der alten Religion als Ungläubige dastehen! Es ist daher gut, dass der Erzbischof Ravasi im Gegensatz zum Papst den Dialog mit Agnostikern und Atheisten nicht in einen Zusammenhang mit Evangelisierung oder Mission stellen will, sondern in den Zusammenhang mit Dialog.

Der Vorhof der Heiden wird zur Versammlungsstätte der Kirche Jesu. Das hatte Jesus beabsichtigt und das ist Pfingsten Wirklichkeit geworden. Die Kirche, nicht nur die katholische, wird sich fragen lassen müssen, ob sie dieser Öffnung auch zustimmt, oder ob sie weiterhin meint, sie wäre im exklusiven Besitz der Wahrheit. Die Initiative, den Vorhof der Heiden in der Nachfolge Jesu wiederzuentdecken, ist eine gute Anregung!

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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