Zu: Patristik und Resilienz, Frühchristliche Einsichten in die Seelenkraft, Hrsg. von Clemens Sedmak und Malgorzata Bogaczyk-Vormayr, Akademie Verlag Berlin 2012, ISBN 978-3-05-005550-3, Preis 79 Euro
Wer die Positionsbestimmung dieses Buches auch von der Herausgabe im Akademie-Verlag unternimmt, muss zur Kenntnis nehmen, dass hier ein Bereich der Kirchengeschichte, die Lehre von den Kirchenvätern, die Patristik, die ursprünglich der Theologie zugerechnet werden muss, hineingestellt wird in einen zeitgenössischen, humanwissenschaftlichen Horizont, den der Resilienz. Nicht die Dogmengeschichte, sondern die Philosophie koordiniert diesen wissenschaftlichen Diskurs.
Die interdisziplinäre Erforschung der Resilienz am internationalen Forschungszentrum für soziale und ethische Fragen in Salzburg (IFZ), vielleicht ursprünglich ausgehend von der Frage der Resilienz in der Arbeitswelt, wurde bearbeitet von der promovierten polnischen Philosophin Malgorzata Bogaczyk-Vormayr, die als eine der beiden Herausgeber dieses Bandes fungiert, neben Clemens Sedmak, den Leiter des IFZ. Frau Bogaczyk-Vormayr ist promovierte Philosophin und unterrichtet Geschichte der Philosophie der Antike und des Mittelalters sowie Geschichte der Ethik an der Universität Posen/Polen. Sie wird ihre eigenen Arbeitsergebnisse in einem eigenen Buch veröffentlichen, soweit sie über den hier erschienenen Aufsatz hinausgehen. Der zweite Arbeitsbereich des IFZ neben der philosophischen Orientierung war die psychologische Arbeit am Resilienzbegriff. Diese wurde gleichwohl auch in diesen Band integriert. Der hier vorgelegte Aufsatzband enthält die Vorträge eines gemeinsamen Symposions des IFZ, durchgeführt im Januar 2011 mit dem die Arbeits des Projekte „Patristik und Resilienz“ zum Abschluss gebracht worden ist, sowie weitere Aufsätze zum Thema aus den Arbeitsbereichen „Resilienz“ des IFZ in Salzburg. Die Autorinnen und Autoren sind junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus England, der Schweiz, Deutschland, Österreich, Finnland, Italien und Polen.
Der Titel des Beitrags von Malgorzata Bogaczy-Vormayr lautet „In die Wüste, in die Welt“ und zeigt damit den Grundansatz der hier beschriebenen philosophisch orientierten Resilienzforschung. Es handelt sich also überwiegend um interessante Beobachtungen an den überlieferten Texten von und über Mönche, die sich meist für eine bestimmte Zeit in die ägyptische Wüste zurückzogen, um ein Leben in Einsamkeit zu verbringen, um danach oder von dort her wiederum erneut in der Welt wirken zu können. Obwohl wie oben angesprochen diese Texte allesamt theologisch bzw. christlich religiös gedacht sind, tritt diese Intention bei der interdisziplinären Resilienzforschung deutlich in den Hintergrund. Lediglich die Theologen Johannes Zachhuber und Cemens Sedmak deuten an, dass nach Ansicht der Kirchenväter zu einer Stärkung der Seelenkraft auch die persönliche Gottesbeziehung gehört (hat).
Doch damit soll hier keine Schelte geübt werden, eher im Gegenteil. Es ist schon interessant, und für die Theologie geradezu wichtig, da von philosophischer Seite eher nach Denkstrukturen gefragt wird, als nach religiös vorgeprägten Formeln, Denkstrukturen die sich nach der Beobachtung z. B. von Malgorzata Bogaczy-Vormayr auch bei Platonikern oder Neuplatonikern so ähnlich wieder finden. Aus diesen gedanklichen Parallelen wird jedoch keine literarische Abhängigkeit konstruiert. Aber auch die englische Pastorin Justine Alain Chapman argumentiert von den religiösen Texten her eher säkular, in dem sie zeigt, wie die Überwindung von Schwierigkeiten und Problemen und der Traurigkeit mit einer Orientierung an inneren Ressourcen einhergeht. Die Psychologin Linda van der Zijden schildert das Schicksal der körperbehinderten deutsch-mexikanischen Malerin und Schriftstellerin Frida Kahlo und stellt die Überwindung ihres Leidens in einen Zusammenhang mit Aussagen des Kirchenvaters und Ordensgründers Augustin. Diesem Artikel ist eine interessante Grafik zur Resilieinzproblematik beigefügt. Der Psychologe David Lang stellt das Ausleben der Gefühle im Lachen und Weinen heraus, wobei ihm auffällt, dass moderne Autoren sich eher am Humor als der Quelle des Lachens orientieren, was dagegen in der christlichen Literatur der Spätantike geradezu verpönt war. Dort war es eher das Weinen über sich selbst, nicht als Übung, sondern als Ereignis echter Trauer und Erkenntnis, das den verborgenen Konflikt zu lösen verstand, wie es auch etwa bei Sigmund Freud angedeutet wird. Auch wenn in dieser Rezension nicht alle Aufsätze angesprochen werden können, so soll doch wenigstens erwähnt werden, dass die schweizerische Theologin Barbara Müller neben all den Wüstenvätern eine Wüstenmutter entdeckt hat, Amma Theodora, die darstellte, dass das mönchische Leben von einer geistigen Problematik beschwert sein konnte, die oft zum Abbruch der Wüstenzeit führte, die Akedia, übersetzt wohl mit Unlust oder Gleichgültigkeit. Wen solche Gleichgültigkeit übermannte, war nicht mehr in der Lage die Beschwernisse der Wüstenexistenz aufrechtzuerhalten. Die Frage ist also, worin heute eine solche Akedia besteht und wozu sie Menschen führen kann. Dass in diesem Zusammenhang auch von Depression die Rede ist, überrascht nicht.
Der Aufsatzband „Patristik und Resilienz“ überzeugt gerade auch in den Beiträgen, die von der spätantiken Quellenlage her zur Resilienzforschung finden, weil jede und jeder der Autoren zu Beginn bemüht ist, für sich (und die Leser) den Begriff der Resilienz zu definieren und im Ablauf der Argumentation aufzuzeigen, was die Gedanken der Kirchenväter hierzu beitragen. Hierbei werden die aktuellen Positionen der Resilienzforschung dargestellt und eingeführt. Jeder Artikel enthält eine neben den zahlreichen Anmerkungen eine ausführliche Literaturliste, aus der dann Hinweise zur Weiterarbeit in Fragen der Resilienz wie auch der Patristik entnommen werden können. Der Band ist für die praktische Theologie von großem Nutzen, auch wenn er durch seine interdisziplinäre Vorprägung nicht auf den eingetretenen Pfaden etwa der Seelsorgelehre verläuft. Durch die Verbindung zur Patristik werden geradezu theologische Vorgaben für seelsorgerliche Themen eingefordert, wie die Frage, welche Gestalt eine lebendige Gottesbeziehung hat und wie diese auf die Bewältigung von Alltagsproblemen einwirken kann. Während die ursprüngliche Orientierung der Beschäftigung mit der Seele dem Leben nach dem Tod und der Frage der Auferstehung galt, tritt in der Beschäftigung mit diesen Texten ein erstaunlicher Alltagsbezug zu Tage, der auch darauf hinweist, dass die moderne Trennung in Seele und Psyche nur historisch entstanden ist, und dass eben beides ursprünglich zusammengehört. Der Begriff Seelenkraft zeigt, dass der Glaube das menschliche Leben im Alltag durch Widerstandskraft und Motivierung auf den Anderen prägen kann, was für die heutige Verkündigung wohl ausschlaggebend sein sollte. Dem Akademieverlag ist für die Herausgabe des Buches zu danken, das nun leider vom Preis her nur für wissenschaftliche Interessierte und Bibliotheken in Frage kommt. Es ist zu hoffen, dass es so erfolgreich ist, dass es danach noch einmal preiswerter aufgelegt werden kann.
Für Ihre Einsicht und Ihre den Dialog eröffenden Worte bedanke ich mich ausdrücklich. Grundlegend teile ich Ihre Ansicht, dass der Glaube das Kreisen um sich selbst beenden kann und somit der Blick für die anderen wieder frei wird.
Im Kontext des Briefwechsels des Kirchenvaters Johannes Chrysostomus mit seiner Freundin Olympias geht es jedoch um einen anderen Akzent, der dadurch kenntlich wird, dass sich Olympias in aufopfernder Weise bis an ihre Grenze bereits im Sinne der Caritas um die anderen kümmert.
Hinzu kommt, dass Olympias traurig darüber ist, dass ihr die Freundschaft mit Johannes entzogen worden ist, da er durch die Machthaber in die Verbannung geschickt wurde. In diese traurige Verwirrung sowie in ihre aufopfernde Erschöpfung hinein möchte Johannes seine Freundin Olympias zu ihrem verschütteten glaubenden Selbst zurückführen, das im Glauben an Gott gute Dinge auf den Weg gebracht hat und jetzt durch die Umstände blockiert ist.
Johannes setzt ebenso den Glauben an sich ein, um ein ungutes Kreisen der Olympias um sich selbst durch die Erinnerung an ihren Glaubens an Gott aufzulösen. Im Fahrwasser der christlichen Resilienz geht es in erster Linie jedoch darum, dass Johannes seine Freundin Olympias an das erinnert, was bereits tragend in ihr liegt. Somit geht es nicht nur um den Glauben an sich, der uns von der Egozentrik wegführen kann, sondern im Kontext einer christlich geprägten Resilienz darum, sich auf die bereits tragenden Werte des Glaubens erneut zu besinnen.
Es geht also nicht hier um den Glauben im Sinne einer eher moralischen Intention, ‚Du bist nicht allein auf der Welt, es gibt auch noch andere Menschen‘ – denn Olympias geht bis an die Grenzen der Erschöpfung, um anderen zu helfen -, sondern darum, sich auf die Quellen zu beziehen oder diese frei zu legen, die bereits in der Seele vorhanden sind.
So versucht Johannes zuallererst Olympias daran zu erinnern, dass wir uns durch Gott getragen wissen dürfen, dass er der Weltenlenker ist, auf den wir gerade in der Not hoffen dürfen:
„Welches Bild ich auch immer wählen mag, um die Drangsale unserer Zeit zu veranschaulichen, … lasse ich keineswegs die Hoffnung auf eine glückliche Wendung fahren, indem ich des Steuermanns gedenke, der diese Welt regiert, der nicht durch Mittel der Kunst des Meisters Sturm wird, sondern durch einen Wink den Orkan beschwichtigt. Wenn er das aber nicht von vornherein und nicht alsbald tut, nun, das ist so seine Art. Nicht beim Beginne steuert er dem Unglück, sondern wenn es damit schlimmer geworden, wenn es zum Äußersten gekommen ist, und wenn die Meisten schon verzagen, dann greift er ein, wunderbar und wider Erwarten. So lange wartet er, um seine eigene Macht zu bewähren, und um die Heimgesuchten zu üben in der geduldigen Beharrlichkeit.“
Damit unterscheidet sich Johannes grundlegend von säkularer Ratgebung.
Natürlich wendet Johannes auch rein psychologische Ratgebungen an, die jedoch allesamt in seinem Glauben an Gott gründen. Obwohl Johannes spürt, dass Olympias seinen helfenden Worten Vertrauen schenkt, weiß er darum, dass trotz dieser aufkommenden seelischen Perspektiven, eine Gesundung erst noch ein intensives Schwachsein überwinden muss. Darauf weist er Olympias unmissverständlich hin: „Denn habe ich auch durch die früheren Briefe die Herrschaft deines Kummers gebrochen und seine feste Burg zerstört, so ist gleichwohl noch viel Fleiß und Ausdauer vonnöten, damit mein Zureden dir zu einem tiefen Frieden verhilft, damit es alle Aufregung, die aus deinem Kummer entstanden ist, selbst aus deinem Gedächtnis verbannt, dir eine ungetrübte und sichere Ruhe verschafft und dich in einen Zustand vollkommener Zufriedenheit versetzt.“
Im Sinne der Ratgebung des Johannes bedarf es somit Gott und des Ratgebers.
Zur Ergänzung: Ihr Artikel zeigt, dass in den Schriften der Kirchenväter die Themen Traurigkeit und Lebensverdrossenheit vorkamen, am Beispiel eines Schriftwechsels von Johannes Chrysostomos. Ich meine dies so deuten zu können, dass der Glaube das Kreisen um sich selbst beendet und dazu beiträgt, die Anderen wieder wahrzunehmen. Das Ziel ist also nicht der Glaube selbst, sondern eher eine Art psychologische Heilung. Können Sie mir die Position des Johannes vor diesem Hintergrund kurz skizzieren?
Sie haben recht. Ich habe Ihren Artikel anscheinend nicht verstanden. Daher habe ich ihn mit einem anderen parrallel nur kurz erwähnt. Das war zu oberflächlich. Daher habe ich den Text jetzt bearbeitet und die Erwähnung Ihres Artikels entfernt. Danke für die Nachfrage. Es ist besser, Artikel nur dann zu rezensieren, wenn man sie verstanden hat.
Wenn Sie eine rezeptionsorientierte Darlegung zugrunde legen, so sollten Sie dies von vorneherein darlegen und ebenso erklären, was damit gemeint ist, damit der Leser weiß, dass es Ihnen weder um Sachlichkeit noch um eine korrekte Darlegung der Inhalte und somit nur um Ihre Empfindungen in einem möglichen egozentrischen Sinne geht.
Somit sollten Sie eine Tasse Kaffee neben Ihren Ausführungen abbilden, damit deutlich wird, dass Ihre Gedanken Kaffeesatzlesereien sind.
Es geht nicht um die Intention von mir als Autor, sondern darum, was in meinem Text ausgeführt ist. Und somit wiederhole ich meine Kritik: Ihre Darlegung in Bezug auf meinen Beitrag ist nicht nur sachlich falsch, sondern sie ist im meinem Text nicht wiederzufinden, sondern lediglich Ihr Gedankenkonstrukt jeneits einer wahrhaftigen Realität.
Vielleicht überprüfen Sie Ihre Intentionen noch einmal bei einer guten Tasse Kaffe oder entfernen einfach den Satz aus Ihrer Rezeption.
Danke für Ihren Kommentar. Meine Rezensionen sind rezeptionsorientiert. Diese subjektiven Eindrücke können der Intention eines Autors auch widersprechen.
Lieber Herr Christoph Fleischer,
im Hinblick auf Ihre Darlegung im Kontext meines Beitrags liegen Sie mit den bündelnden Begiffen ’säkular‘ und ‚altruistischer Einstellung‘ völlig falsch. Es finden sich in meinen Beitrag im Kontext von Johannes Chrysostmos zahlreiche religiöse Darlegungen, wie denn auch die Ratgebung dieses Kirchenvaters auf dem Glauben aufbaut.
Von daher möchte ich Sie bitten, Ihre falsche Darlegung im Sinne gedanklicher Lauterkeit zu korrigieren.
Udo Manshausen