Der andere Islam, Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2012

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Zu: Mouhanad Khorchide: Islam ist Barmherzigkeit, Grundzüge einer modernen Religion, Herder Verlag Freiburg im Breisgau 2012, ISBN 978-3-451-30572-6

Liest man die Gestalt einer Religion aus ihren pädagogischen Konsequenzen, so lässt sich daraus auf das Gottesbild oder das Gottesverständnis schließen. In dieser Hinsicht ist der Islam nicht so uniform autoritär orientiert, wie es der westlichen Welt vorgespielt wird. Mouhanad Khorchide, der 2010 als Professor für islamische Theologie von Österreich nach Münster gewechselt ist, verbindet in seiner Biografie einen weltoffenen und interreligiös eingestellten Islam in seinem aus dem Libanon stammenden Elternhaus mit der Strenge und an Geschlechtersegregation orientierten salafistischen Richtung in Saudi-Arabien, wo er die Schule besuchte, zwei Welten im Islam. Und er lässt keinen Zweifel daran, wohin seine Orientierung gehört, zum Gott der Liebe und der Barmherzigkeit, nicht zum Gott der Strafe und der Verängstigung. Wird also einerseits eine „schwarze Pädagogik“ durch eine eher von Autoritäts- und Gewaltideen geprägte Religion produziert, so findet andererseits die eher an Humanität und Freiheit orientierte Form eine ebenso gute und breite Basis im Koran. Khorchide macht schon im Titel darauf aufmerksam, wie oft Allah im Koran „Rahman“ (Erbarmer) genannt wird. Was bedeutet es dann sogar darüber hinaus, wenn Gott „ar-Rahman“ (All-Erbarmer) genannt wird? Die Theologie des Islam lässt sich darauf aufbauen und konstruktiv als Religion der Barmherzigkeit darstellen. Inwieweit sich Khourchide hierbei für die Priorität des Korans vor den Rechtsquellen entscheidet, wird in der Untersuchung deutlich. Die Scharia ist in dieser Hinsicht mit einem humanitären Islam nicht zu vereinbaren und als Fehlentwicklung zu bezeichnen. Islam richtet sich auf den Menschen und ist von der Intention her humanitär. Die Koranhermeneutik folgt dieser Prämisse und zeigt sich als Analyse der koranische Verkündigung vor dem Hintergrund des historischen Kontextes. Der Ansatz von Mouhanad Khorchide ist zu begrüßen, da er zum Dialog mit der deutschen Islamforschung beiträgt, die Integration der Muslime fördert und dabei zeigt, dass Religionen nicht einem überholten Gesellschaftsmodell verbunden bleiben müssen. Auch Christinnen und Christen müssen sich durch einen solchen hermeneutischen Ansatz fragen lassen, inwieweit sie selbst die Bibel oder auch andere religiöse Texte aus einer bestimmten Perspektive selektiv lesen. Der interreligiöse Dialog wird dazu dienen, die eigenen Sinne dafür zu schärfen, inwieweit die jeweilige religiöse Tradition die Gottesbeziehung so predigt, dass sie ein freiheitliches und humanitäres Menschenbild ermöglicht.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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