Die biblische Erzählung, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2015

Zu: Anselm Grün: Die große Herder Kinderbibel, Mit Illustrationen von Giuliano Ferri, Herder-Verlag Freiburg 2014, ISBN 978-3-451-71250-0, Preis 19,90 Euro

410071250Der Auswahl des biblischen Stoffes in der Kinderbibel von Anselm Grün berücksichtigt zu gleichen Teilen das Alte und das Neue Testament. Die Urgeschichte sowie die Erzvätergeschichten nehmen einen breiten Raum ein. Über Mose geht es bis in die Königszeit, die allerdings mit Salomo endet. Am Ende folgen fünf Prophetengeschichten.

Die Erzählung dieser biblischen Geschichten ist durchaus mit Deutungen versehen, die den Text lesbarer und damit auch verständlicher machen. Der Auszug aus dem Paradies wird nicht als Sündenfall bezeichnet, sondern als Übergang in das menschliche Leben, so wie wir es kennen, mit „Schmerzen und Leid“. Der Auszug aus dem Paradies ist kein Weg in die Gottferne: „Doch auch wenn der Mensch nicht mehr im Paradies lebt, ist Gott noch immer in seiner Nähe.“ (S. 13) Ein sehr schöner Gedanke, wie ich finde.

Anselm Grün fragt in den Erzählungen immer nach der Erfahrungsebene: „Kain ist so ein Bild für uns geworden. Wenn wir einem anderen etwas Böses tun, wird es uns selbst nicht gut gehen dabei. Wir kommen nicht zur Ruhe und haben Schuldgefühle.“ (S. 15)

Sehr schön ist die Davidgeschichte vor dem Hintergrund der Freundschaft zu Jonathan erzählt. Mir fehlt nur bei der Salbung durch Samuel der berühmte Satz: „Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“ (1. Samuel 16,7). Vielleicht könnte dieser Satz und das dahinein gelesene Gottesbild Angst auslösen und als Bedrohung empfunden werden, im Sinn eines permanenten „Big Brother is watching you“ und wurde deshalb weggelassen. Dass David als Hirte arbeitete, wird aber nicht verschwiegen.

Der Rest der Königszeit folgt, wenn auch nur kurz erzählt, bis zum Weg in das babylonische Exil. Einen plausiblen Übergang zum Neuen Testament gibt es jedoch nicht. Das neue Testament setzt mit der Botschaft zur Geburt Johannes des Täufers neu ein.

Im Bereich des Neuen Testaments gibt Anselm Grün keinem Evangelium den Vorzug, sondern kombiniert neutestamentliche Erzählmotive.

Hier hat die Kreuzigung Jesu letztlich ihre Ursache in der Vertreibung der Händler durch Jesus aus dem Tempel: „Denn mit der Vertreibung der Händler hatte er ihnen ihre Einnahmequelle genommen.“ (S. 169) Ein ökonomisches Interesse an der Verurteilung Jesu ist sicher plausibel erzählt, wenn auch in den Evangelien der Beschluss, Jesus beseitigen zu wollen, zum Teil schon vorher genannt wird. Schon beim Einzug in Jerusalem heißt es: „Sie riefen Jesus aus der Menge zu: ‚Meister, bring deine Jünger zum Schweigen.‘“ (S.168)

Die Fußwaschung der Jünger durch Jesus gilt hier als Vorbereitung zum Abendmahl, das als Paschamahl (hier statt: Pessachmahl) in den jüdischen Kontext des Lebens Jesu eingeordnet wird.

Dass in der Kreuzigungsgeschichte die Tendenz erzählt wird, Pilatus habe Jesus nach der Befragung „der Juden“ kreuzigen lassen, aus „Angst“ er könne durch eine Denunziation von Rom aus entmachtet werden, ist eine bedauerliche Pauschalierung, da er allenfalls vor den Menschen Angst haben konnte, die im Hof des Palastes anwesend waren und nicht vor „den Juden“.

Besser ist schon der Kommentar zu dem Bekenntnis des Hauptmanns unter dem Kreuz, Jesus sei Gottes Sohn gewesen: „So fanden selbst Jesu Feinde unter dem Kreuz zu Gott.“ (S. 181)

Die Illustrationen von Giuliano Ferri sind in den Textblock eingefügt. An einigen Stellen gehen Bild und Text regelrecht ineinander über. Die Kleidung der Figuren ist geprägt durch antike Umhänge und arabisch wirkende Kopfbedeckungen. Aus sich der Kinder wird damit die Erzählung der Bibel im Vorderen Orient angesiedelt.

Die Texte der Bibel eignen sich m. E. auch für den Unterricht, weil sie die Geschichten plausibel erzählt, mit Deutungen versieht, die sachgemäß sind. Was die theologischen Ansätze angeht, so hat Anselm Grün hier eher den kirchlichen Konsens gesucht. Das Projekt Kinderbibel kann, so wie es hier vorgelegt wird, keine Einzelarbeit sein. Leider fehlen didaktische Kommentare zu diesem Text. Vielleicht werden sie noch nachgereicht. Gut ist, dass es die Kinderbibel auch als Hörbuch gibt, eine gute Ergänzung zum lesbar gedruckten Text.

Gut ist, dass diese Kinderbibel die Bibel trotz ihrer Aufteilung zwischen Altem und Neuem Testament als Einheit vermittelt. Keine Geschichte bleibt ohne Deutung. Die Texte sind für Kinder wie für Erwachsene nachvollziehbar und gut lesbar. Dass manche Begriffe wie „Paschamahnicht im Text selbst erklärt werden, ist dann wohl als Hinweis dafür gedacht, dass hier nicht nur einfach gelesen werden kann, sondern mit der Bibel weiter gearbeitet werden muss, so dass die Kinderbibel  letztlich zur Original-Bibel führt.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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