Predigt Pfingstsonntag Johannes 14,23–27, Christoph Fleischer, Welver 2015

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Predigttext Johannes 14,23–27 (Gute Nachricht Bibel)

23Jesus antwortete ihm: »Wer mich liebt, wird sich nach meinem Wort richten; dann wird ihn mein Vater lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.

24Wer mich nicht liebt, richtet sich nicht nach meinen Worten – und dabei kommen doch die Worte, die ihr gehört habt, nicht von mir, sondern von meinem Vater, der mich gesandt hat.

25Ich habe euch dies gesagt, solange ich noch bei euch bin.

26Der Vater wird euch in meinem Namen den Helfer senden, der an meine Stelle tritt, den Heiligen Geist*.

Der wird euch alles Weitere lehren und euch an alles erinnern, was ich selbst schon gesagt habe.

27Zum Abschied gebe ich euch den Frieden*, meinen Frieden, nicht den Frieden, den die Welt gibt.

Erschreckt nicht, habt keine Angst!

 

Liebe Gemeinde!

Einstieg zum Anlass: Pfingstfest. Dazu ein kurzer Text aus einer Predigtmeditation:

„Pfingsten feiern wir heute, Ausgießung des Heiligen Geistes, Geburtstag der Kirche. »Halleluja« und herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Unsere Pfingstlieder sind fröhlich, wir haben sie laut und voller Freude mitgesungen. Jetzt setzen Sie sich bitte mal so richtig bequem hin und warten auf die Pfingstpredigt. Schön wäre es, wenn die Predigt voll Feuer und Geist ist, eine richtige Pfingstpredigt also, die uns Mut macht und von Herzen froh: »gieß aus dein heilig Feuer«, ja, so soll es sein …“ (Gottesdienstpraxis Serie A:, 1. Perikopenreihe, Band 3, Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 2015, Ingrid Keßler-Woertel, S. 27)

 

Der Predigttext aus dem Johannesevangelium besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: Aussagen über die Einheit Jesu mit dem Vater, besonders bezogen auf die Worte Jesu, die ein bleibendes Element sind, die Ankündigung des Geistes und den Friedenssegen für die Jünger. Vielen wird der Text ein wenig abstrakt vorkommen. Anschaulicher ist da schon der Bericht aus der Apostelgeschichte, den wir als Epistel gelesen haben. Doch auch diese Pfingst-Geschichte wirft Fragen auf, die vielleicht hier von einer anderen Seite her beantwortet werden können.

Die zentrale Frage dabei ist: Wer oder was ist eigentlich der „Heilige Geist“?

Hören wir den Bericht von dem Pfingstereignis mal nicht aus der Sicht der Einmaligkeit, dann sehen wir die jüdischen Elemente. Nicht nur das Wochenfest, sieben Wochen nach dem Passah, sondern auch die Versammlung in der Pilgergemeinde im Tempel überhaupt. Um das Jüdische daran ein wenig nachzuempfinden, möchte ich einmal eine Geschichte der Chassidim erzählen, überliefert und gesammelt von Martin Buber:

Die Rede ist dem bekannten und wichtigen Rabbi Israel Ben Elieser, den genannt Baalschem. Diese Geschichte stammt aus dem Ostjudentum, ist aber auch typisch für die jüdische Religion allgemein. Genannt wird z. B. die Schriftrolle, die in der Synagoge eine besondere Rolle spielt, vielen auch bekannt durch Bilder von Marc Chagall. Die Geschichte heißt: „Der Meister tanzt mit“

„An einem Abend des Festes der Freude an der Lehre (im Judentum gefeiert am Ende des Laubhüttenfestes, d.V.) tanzte der Baalschem selbst mit der Gemeinde. Er nahm eine Schriftrolle in seine Hand und tanzte mit ihr. Dann gab er die Rolle aus der Hand und tanzte ohne sie. In diesem Augenblick sagte einer der Schüler, der mit den Bewegungen des Baalschem sonderlich vertraut war, zu den Gefährten: ‚Jetzt hat unser Meister die leibliche Lehre aus der Hand getan und hat die geistige Lehre an sich genommen.’“ (Martin Buber, Die Erzählungen der Chassidim, Manesse-Verlag Zürich 1949, S. 134)

Diese Geschichte ist auch völlig unabhängig vom jüdischen Hintergrund nachvollziehbar. Einmal ist es die Torarolle, wie man sie in die Hand nehmen kann, aus ihr vorlesen kann, und das andere Mal ist der Tanz des Rabbiners für die nichtmaterielle Tora, für den puren Inhalt der nicht materiell ist. Dieses ist der Geist.

Doch ist das wirklich so einfach und wie ist es konkret gemeint, wenn dann vom Heiligen Geist die Rede ist?

Pfingsten ist schwierig und einfach zugleich. Einfach ist es deshalb, weil es ja völlig klar ist, gerade durch den Abstand der Generationen, dass es allein der geistige Inhalt des Glaubens ist, der sich weitervermittelt hat bis heute und der zur Grundlage der Kirche geworden ist. Und andererseits ist es schwierig, weil man offensichtlich in der aktuellen Gesellschaft mit diesem Geist sehr wenig anzufangen weiß. Da würde auch ein Rabbiner oder Pastor, der in der Kirche tanzt nicht besonders weiterhelfen. Hat dieses Problem eigentlich hauptsächlich etwas mit uns, mit der Kirche zu tun, oder ist es nicht vielmehr sogar ein Problem der Gesellschaft? Nein, ich möchte nicht von den Schwierigkeiten ablenken, die die Kirche heutzutage hat. Aber es ist nicht nur der Kontakt, der zu den Menschen weitgehend verloren gegangen ist, sondern die Tatsache, dass man so recht nichts miteinander anzufangen weiß.

Das heutige Denken ist immer noch von der Moderne geprägt und kennt den Vorrang der Materie vor allem Geistigen. Das Geistige wird man ja allenfalls als psychisch bezeichnen, womit man den Einzelnen jeweils die Verantwortung dafür gibt, ob er oder sie sich anderen gegenüber mit Inhalten, wie dem Glauben oder der Religion, verständlich machen kann und will. Die Religion selbst ist individuell, weil jeder seinen eigenen Glauben hat und der muss sich dann nicht zwangsläufig anderen Menschen mitteilen. Gibt es heute den Geist einer Bewegung, wie er früher wie es im Nationalsozialismus geschehen ist, dann geht die Sache derart nach hinten los, dass man heute schon bei ganz harmlosen Demos oder Mahnwachen das Argument von Passanten hört, man wolle keiner Fahne mehr hinterher laufen. Es hat insofern gar keinen Sinn, den Geist des Christentums zu beschwören, weil man so nur eine Ideologie gegen die andere setzt, die sich in der heutigen Lage der völligen Beliebigkeit aussetzt, da jede Ideologie nur für die Menschen gilt, die ihr angehören.

Wie aber kann dann trotzdem vom Geist oder gar vom Heiligen Geist gesprochen werden?

Man kann den Spieß einfach herumdrehen und zeigen, dass der Glaube an Naturwissenschaft und Technik zuletzt auch nicht anderes ist als Geist, der wie man bei den Unfällen oder Katastrophen sieht am allermeisten durch menschliches Versagen gefährdet ist.

Was also ist heute noch als Heiliger Geist denkbar?

Nachvollziehbar ist zum Beispiel nach wie vor die schlichte Begeisterung. Selbst einem Fußballverein, der nahe an einen Abstiegsplatz kam, BVB Dortmund, waren von Spiel zu Spiel 80000 Besucherinnen und Besucher treu. Da laufen tatsächlich nur 22 Leute hinter einem Ball her, unterstützt durch Unparteiische und ein paar technischen Mitteln. Neben dem Geist des Spiels gibt es noch den Geist der Kultur vom anspruchsvollsten Theater bis zu den vollen Stadien der Popmusik. Manche ruhigen Lieder wie von Metallica oder Leonard Cohen erinnern schon fast an Gebete.

Vielleicht kommt diese Begeisterung in der Kirche oder auf Kirchentagen auch durchaus einmal vor, nur soll der Gottesdienst aufgehen in schlichte Performance? Das kann es doch auch nicht sein. Oder soll man sagen: Kirche begeistert noch auf einer anderen Ebene, ist innerlicher und tiefer.

Warum ist Kirche letztlich doch noch mehr und anders, als der Schlussbeifall beim Weihnachtsoratorium oder bei Popmusikal „Luther“ das am 31.10. in der Westfalenhalle aufgeführt wird?

Dazu als Antwort am Schluss noch einmal einen Blick auf den Predigttext:

Der Heilige Geist gehört zur Sendung Jesu dazu und vermittelt Jesu Einheit mit dem Vater. Indem Jesus hier Gott als Vater bezeichnet ersetzt er bewusst eine allgemeine Gottesvorstellung. Der fremde, ferne, unnahbare Gott wird zum nahen, aber dennoch nicht verfügbaren Gott, zu einem Gottesbild, dem Bild des Vaters. Das heißt: Gott ist Beziehung, wie ein Vaterbegriff Beziehung zu den Kindern bezeichnet. Das Wort Gott ist ein Beziehungsbegriff. Gott allein hat kein Wesen, sondern geschieht im Kontakt, in der Begegnung, im gemeinsamen Tun und Hören.

Das, was diese Beziehungsgestalt verbindet, nennt unser Predigttext den „Heiligen Geist“. Ich glaube, dass ist auch der Grund, wieso dieser Text zur Lesung des Pfingstfestest wurde, weil hier nämlich genau dieser Begriff das erst Mal auftaucht: Der Heilige Geist. Geist des Lebens, Geist Gottes, Geist der Schöpfung und der Liebe, all dies ist schon seit den Überlieferungen des Alten Testament bekennt. Der Heilige Geist, der später zu Person in der dreifachen Gestalt des Glaubensbekenntnisses wurde spielt aber eine eigenständige Rolle. Er tritt an die Stelle eines Menschen, an die Stelle des Messias, des Christus, an die Stelle Jesu als Mensch. Jesus bleibt präsent in den Worten und in der kirchlichen Lehre, aber nicht als Mensch. Er lebt weiter, aber er ist gekreuzigt worden. Jesus braucht einen Stellvertreter, das ist der Heilige Geist.

Nun möchte man sagen: Stellvertreter Jesu, dass kann ja jeder und jede von uns sein. Das ist ja im Prinzip auch richtig, aber es ist eben ein gemeinsamer Auftrag, den jeder und jede auch auf seine ganz eigene und persönlich Weise zu füllen hat, mit den je eigenen Gabe und Fähigkeiten aus denen erst Kirche zusammenwächst. Da heißt es dann: „Dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat.“ (1. Petrus 4,10)

Dieser Geist ist heute nur noch dann nachvollziehbar, wenn er nicht zur Ideologie verfestigt wird. Er darf nicht in ein Glaubensbekenntnis gepresst werden, sondern muss offen sein für persönliche Glaubensbekenntnisse. Die Menschen heute, möchten keine Kopien, sondern Originale sein, auch in geistiger Hinsicht. Andererseits geht der Geist nicht in oberflächlichen Stimmungen auf.

Der Heilige Geist macht jeden und jede von uns zu einem Teil von Christus, Christus zugehörig, Christus ähnlich). Wir sind Christinnen und Christen, wir kündigen die Herrschaft Gottes an und zeigen, worin sich diese verwirklicht. Wir lernen voneinander, ohne uns zu bevormunden. Wir erfahren Freiheit, wir spüren Freiheit und wir wissen doch, dass es keine Freiheit ohne Verbindlichkeit und Verantwortung geben kann. Und eben auch nicht ohne eine letzte Anbindung an die lebenschaffende Grundlage, die uns das Leben als Geschenk übermittelt, es uns aber eigentlich nur geliehen hat.

Das alles geschieht im richtigen Sinn gar nicht neben unserem Alltag, als kirchliches Hobby, nein es ist Teil unseres Alltags. Christlich ist wie eine Krankenschwester pflegt und wie ein Richter richtet. Wie eine Lehrerin unterrichtet und wie eine Erzieherin erzieht. Natürlich gibt es das Ehrenamt, weil eben vieles nicht mehr durch Berufe abgedeckt werden kann. Aber Kirche ist immer da, wo jemand mit den eigenen Gaben den Geist Gottes, den Geist der Liebe und des Lebens zur Sprache bringt. Und daraus kann man sehen, dass das alles nicht ohne uns geschieht, sondern gerade vor allem auch mit uns, und dass es auch gewollt und informiert geschieht, aber trotzdem in allem und im Zusammenspiel erst recht, doch ein Geschehen ist, das über das Vermögen eines und einer einzelnen weit hinausgeht. Diese Kirche der Menschen, die Jesus nachfolgen wollen ist immer ein Werk Gottes, seines Heiligen Geistes.

Darum zu beten, ist immer richtig: Veni creator spiritus, komm Heiliger Geist. Amen.

 

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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