zu Georg Schwikart: Du hörst mich, Die Psalmen in neuen Worten, Vier-Türme-Verlag Münsterschwarzach 2015, ISBN 978-3-89680-3, Preis: 14,99 Euro, erscheint am 18.08.2015 (Christoph Fleischer, Welver 2015)
Diese Sammlung der Psalmen ist sehr interessant, da es sich um Bearbeitungen in aktueller Sprache handelt. Zu jedem biblischen Psalm findet sich je ein Text. Der Benediktinerpater Pirmin Hugger und der herausgebende Autor Georg Schwikart sowie die Autorin Christel Kehl-Kochanek sind mit den meisten Texten vertreten. Meinen Text zu Psalm 25 hat der Autor im Internet gefunden. Dazu gibt es auch andere Beispiele, wo der Herausgeber im Quellennachweis schlicht vermerkt: „Rechte beim Autor.“
Manche Texte sind gereimt, manche schlicht gestaltet, manche liegen eng am Text an, manche meditieren einen Gedanken des Textes. Neben den aktuellen Autoren finden sich auch einzelne Texte von Dietrich Bonhoeffer, Rainer Maria Rilke, Eva Strittmatter und anderen eher klassischen Autorinnen und Autoren.
Die Psalmen sind als biblische Lyrik überliefert. Das reizt einfach dazu, sie auch in die Gestalt moderner Lyrik zu überführen oder, wie es der Autor selbst beispielsweise zu Palm 104 gemacht hat, ein Lied daraus entstehen zu lassen, dessen Refrain lautet:
„Was für ein Gewimmel
Unter deinem Himmel!
Du hauchst – und alles ist da!
Du lässt Quellen springen
Und wir Menschen singen
Dir Halleluja.“
Und auch sind Gedanken dabei, die Gott in ganz neuer Form denken, manchmal sogar in Prosa wie hier in einem Text von Etty Hillesum:
„Ja, mein Gott, an den Umständen scheinst du auch nicht viel ändern zu können, sie gehören nun mal zu diesem Leben. Ich fordere keine Rechenschaft von dir, du wirst uns später zur Rechenschaft ziehen. Und mit fast jedem Herzschlag wird mir klarer, dass du uns nicht helfen kannst, sondern dass wir dir helfen müssen und deinen Wohnsitz in unserem Inneren bis zum Letzten verteidigen müssen.“ (zu Psalm 60)
Auch wenn ich sonst von einer Verteidigung bis zum Letzten nicht viel halte, so finde ich doch den Grundgedanken beachtlich. Gott ist eben keine anonyme Schicksalsmacht mehr, sondern findet sich in unserem Leben. Er ist nah und wir geben ihm Raum, beides.
Nochmal zum Buch: Sicherlich gibt es Psalmübersetzungen und Nachdichtungen, die hier nicht vorkommen, von Martin Buber, Hanns Dieter Hüsch und anderen. Aber dazu ist das Buch eben auch gut, die Arbeitsergebnisse von Georg Schwikart dankbar anzunehmen und zu gebrauchen und auch hier und da nach weiteren Alternativen zu schauen. Oder danach auch woanders nach einem Gedicht zu suchen von Paul Celan, Dorothee Sölle, Erich Fried oder Gottfried Benn etwa, das vielleicht erst im Nachhinein einen Psalm aufzugreifen scheint. In den Psalmen finden sich viele Gedanken, des Glaubens und des Zweifels, der Schuld und der Liebe, ja auch des Zorns und der Zustimmung.
Prophetie hieß damals: Gott spricht durch unsere Worte. So hören wir auch heute aus unseren Worten Gott, und Gedichte werden zu Psalmen. Vielleicht lernen wir so wieder mehr zu loben und zu danken.
Moderne Psalmenübertragungen – im Evangelischen Gesangbuch finden sich ja auch einige – sprechen mich oft an. Beim Lesen habe ich dennoch zwiespältige Gefühle. Im Prozess des Übertragens entfernen die Bearbeitenden in der Regel sorgfältig alle – wohl als fremd empfundenen – Bezüge zu Israel. Ohne es zu wollen, kommen dabei „entjudete“ Psalmen heraus. Ich habe nur wenige Textproben aus vorliegendem Buch im Netz gelesen und hoffe, dass eine komplette Lektüre meinen Befürchtungen den Boden entziehen.