Eine religiöse Schatzsuche, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2020

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Tobias Daniel Wabbel: Der Templerschatz, Eine Spurensuche, Bassermann Verlag (in der Verlagsgruppe Random House), München 2020, gebunden, 255 Seiten, ISBN: 978-3-8094-4306-3, (print), Preis: 9,99 Euro

Link: https://www.randomhouse.de/Buch/Der-Templerschatz/Tobias-Daniel-Wabbel/Bassermann/e577245.rhd

 

Es ist wirklich eine tolle Leistung des Verlages und des Autors, die beiden Bücher über die Bundeslade von Tobias Daniel Wabbel in einer gekürzten Neufassung zu einem unschlagbar günstigen Preis herauszugeben, um so neue Leserschichten zu gewinnen und sicher auch zu interessieren. Die von mir an anderer Stelle gestellte Frage, Sachbuch oder Erzählung?, fällt hier doch klar für das Erstere aus. Da man ein Sachbuch nicht wie eine Erzählung liest, sondern auch den Anhang und den Rahmen zur Kenntnis nimmt, mit dem Nachwort und dem Postskriptum, stelle ich fest, dass die Arbeit des Autors aus Sicht eines Schatzsuchers vergeblich war, auch wenn er dabei wichtige und auch weiterführende Beobachtungen gemacht hat.

Das wäre eben so, als hätte Indiana Jones in „Jäger des verlorenen Schatzes“ die Bundeslade nicht gefunden. Historisch bibliophiles Vorbild ist Werner Keller mit seinem Buch „Die Bibel hat doch recht“, in dem der Leser und die Leserin bei der Lektüre feststellen, dass die Archäologie zwar manches ans Licht gebracht hat und Passagen der Bibel in einem anderen historischen Licht erscheinen lassen, womit die Option der Überschrift aber keinesfalls eingelöst wird. Hier von einer „Schatzsuche“ zu sprechen. Der Weg dieser Schatz-Spurensuche wird weitergehen. Vielleicht ist ja eines Tages mal die Frage dran, wo sich das Gold der Nibelungen nun wirklich befindet, im Rhein oder ganz woanders (Bemerkung des Rezensenten).

Doch was hier aus der Sicht eines Schatzsuchers vergeblich ist, die Bundeslade des Volkes Israel zu suchen und ihre Geschichte aufzuklären, wie etwa die kürzlich in Bayern kriminologisch gelungene Aufklärung eines Mordes ohne Leiche, mag ja kirchengeschichtlich oder profangeschichtlich doch einige interessante Beobachtungen zu Tage bringen. Die Geschichte der Templer gehört in die Rubrik der Ketzerverfolgung wie auch die der Waldenser (heute als evangelische Konfession in Italien zu Hause).

Fakt ist also: Die Bundeslade des Volkes Israel ist und bleibt verschollen. Doch an dieser Stelle möchte ich den Autor vor sich selbst warnen und ebenso die Lesenden, sich allein auf die materielle Frage zu konzentrieren. Könnte es nicht also sein, dass der brutale Massenmord an den Templern, von den Methoden her ein erstes Beispiel unter Folter erpresster Schuldeingeständnisse wie bei der Hexenverfolgung, den der französische König Philipp IV. in Verbindung mit Verantwortlichen der Kirche begangen hat, nicht allein durch Neid und Habsucht motiviert war, sondern auch darin, die israelfreundliche Haltung der Templer zum Schweigen zu bringen?

Auch dieses gehört dann nämlich in die Annalen der Kirchengeschichte, dass es mit den Templern einen Orden gab, der nicht (nur) für den Schutz der Pilger zuständig war, sondern für den Schutz der heiligen Stätten in Jerusalem allgemein. Und hier ist die erste Hypothese des Buches zu Hause, die feststellt, dass die Templer, die auf dem Tempelberg wohnten, das Versteck der Bundeslade in einem unterirdischen Höhlengang unter dem Tempel gefunden hätten. Hier gehen aber m. E. mit dem Autor die Pferde durch, indem er Alternativen dazu schlicht ausblendet und diese Annahme fortan in seinem Buch als Fakt behandelt.

Das ist fast so, als seien die heiligen drei Könige tatsächlich im Kölner Dom beerdigt, wobei sie in Wahrheit die Ausschmückung einer Legende des Matthäusevangeliums sind, wo es sich schlicht um „Weise aus dem Morgenland“ handelt, die sich mit dem König Herodes auf einen scheinbaren Kuhhandel einlassen, jedoch nach dem Besuch Bethlehems keinesfalls nach Jerusalem zurückgehen und seitdem verschollen sind, als hätte es sie nie gegeben.

Meines Erachtens wird die Äußerung, die Bundeslade sei in Rom bzw. im Vatikan gesehen worden viel zu schnell ad Acta gelegt, denn sie ist genauso plausibel wie der Raub der Templer. Dann hätte der Tempelschatz nämlich nach der Eroberung Jerusalems um 70 n. Chr., wie im Titusbogen in Rom gezeigt, in der Schatzkammer der römischen Kaiser geruht, wo sie dann dem christlichen Kaisertum in die Hände gefallen und ggf. dem Vatikan geschenkt worden wäre. Wie man von Dan Brown und seinen Vorlagen weiß, sind ja die Geheimnisse des Vatikans auch nicht bis ins Letzte geklärt.

Aber es ist das Verdienst von Tobias Daniel Wabbel, einfach mit sturer Akribie seiner Theorie zu folgen und damit das Thema der Auffindung und des neuerlichen Versteckens der Bundeslade auf die Tagesordnung zu setzen. Warum sich dies mit dem Bau gotischer Kathedralen verbindet, liegt allein daran, dass der Reichtum der Templer erst 1307 in staatliche Hände überging und vorher als Kredit für den Bau der Kirchen verwendet wurde. Und nun beginnt in St. Denis, das heute zu Paris gehört, eine ikonographische und architekturhistorische Spurensuche und führt über Chartres bis Laon, wo in einer Kleinstadt eine riesige fünftürmige Kathedrale steht.

Fazit: Die Rolle der Templer beim Bau der Kathedralen ist anschaulich erzählt und begründet. Dabei wird ikonographisch dem Alten Testament eine besondere Stellung eingeräumt. Der erzählte Besuch der Kathedralen nach der Spur zweier Sternbilder hat Tobias Daniel Wabbel der Literatur entnommen und auf seine Frage nach dem Verbleib der Bundeslade bezogen. Das Buch „Der Templerschatz“ ist ein Beitrag zur Versachlichung aller Geschichten, die sich um die Gralssuche ranken. Den heiligen Gral und die Bundeslade gleich zu setzen, entschärft den Christusbezug und lässt Jesus wieder stärker als Messias Israels erscheinen. Die Theologie darf tatsächlich nicht dabei stehenbleiben, die Judenfeindschaft in der Kirchengeschichte ans Licht zu bringen, sondern muss gleichzeitig die projüdischen Spuren in der Welt des Christentums aufspüren, wie hier am Beispiel der Templer geschieht. Dazu lädt Tobias Daniel Wabbel ein.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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