Predigt 2. Sonntag nach Epiphanias 2022, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2022,  (freigegeben ab dem 16.01.2022)

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Text der Predigt: 1. Korinther 2,1-5 (Luther 2017)

1 Auch ich, meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen.

2 Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten.

3 Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern;

4 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweis des Geistes und der Kraft,

5 auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.

                                             

 

Epiphanie – ein Widerfahrnis

                                                                                                                       

Liebe Gemeinde,

Epiphanie: der Himmel stürzt gen Erde, zerschellt und erscheint für einen Augenblick als Feuerflamme. Epiphanie: Erscheinung Gottes, erlebbar, doch nicht greifbar; sie entzieht sich jeglicher Vorstellung, leuchtet auf und verdunkelt sich zugleich. Epiphanie: nicht wiederholbar, ein Widerfahrnis, nur stammelnd lässt sich davon reden.

 

Christus-Epiphanie

Von einer Christus-Epiphanie, die Paulus´ Leben umkrempelte, durcheinanderbrachte und in eine völlig neue Richtung lenkte, erzählt die Apostelgeschichte (Apg. 9,1-18). Paulus wurde durch das Christuslicht geblendet, erblindete und wurde nach drei Tagen durch Handauflegung des Hananias wieder sehend. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen: Christus ist der HERR. Von seiner Christus-Epiphanie berichtet Paulus nicht direkt, jedoch von einem Wechsel, der in ihm stattgefunden hat: „Jetzt lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir.“ (Gal 2,20)

 

Von der Epiphanie Gottes im Gekreuzigten

Der Auferstandene ist ihm erschienen. Paulus aber hört nicht auf, von dem Gekreuzigten zu reden. So schreibt er der Gemeinde in Korinth: „Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten.“ (1. Kor 2,2)

Paulus will die Gemeinde auf die Erde holen. Er selbst war im „dritten Himmel“ (2. Kor 12,2), aber auch darüber schweigt er, weil es ihm nicht um seine persönlichen Erlebnisse und Erscheinungen geht. Es geht ihm um die Epiphanie Gottes in seinem Sohn Jesus Christus. Am verfluchten Holz – im Gekreuzigten – leuchtet das Geheimnis des Glaubens auf und ist dennoch nicht zu fassen. Für die Juden (bei Paulus!) ist das Sterben des Messias reine Blasphemie (Ärgernis). Ein Messias, der würdelos am Kreuz stirbt, kann nicht der endzeitlich erwartete Messias sein. Für die Griechen (Heiden) ist der Tod Gottes am Kreuz eine philosophische Unmöglichkeit (Torheit), denn das weiß doch jedes Kind, dass der Logos (das Göttliche) ewig ist und nichts mit der vergänglichen Materie zu tun hat (1. Kor 1,23).

Epiphanie findet verborgen im Sterben Jesu statt. Immer und immer wieder kreisen Paulus´ Gedanken um das Kreuz Christi: in unzähligen neuen Anläufen versucht er das, was den Verstand übersteigt, in seinen schwachen Worten zu verkünden. Pauls weiß selbst, dass er daran nur scheitern kann, aber er kann nicht anders als von Jesus als dem Gekreuzigten reden.

Was für eine Predigtlehre! Sie geht davon aus, dass die Sprache versagt angesichts des Geheimnisses Gottes. Paulus weiß, dass seine Predigt vergeblich ist, wenn Gott nicht seine schwachen Worte in sein Wort verwandelt. Epiphanie allein durch die Dynamis Gottes. Gott hat die Macht und die Kraft, menschliche Worte in das Wort Gottes, das dich und mich anspricht, zu transformieren.

 

Von der Gottesgewissheit

Der religiös empfängliche Mensch der Gegenwart sehnt sich nach sinnlicher Erfahrung Gottes, er möchte von Gottes Kraft erfasst und berührt werden. Er sucht die Stille, das Licht, die Gemeinschaft. Er versenkt sich in Anbetung, richtet sich auf Gott aus, singt ihm leidenschaftlich im Lobpreis. Bei aller richtigen Erkenntnis, dass die Stille ein Ort sein kann zur Gottesbegegnung, bei aller Erfahrung der Geborgenheit und des Aufgehoben-Seins in einer betenden Gemeinschaft, kann der tiefreligiöse Mensch die empfundene Gottesnähe schon im nächsten Augenblick oder noch während der Anbetung in Zweifel ziehen, alles sei nur subjektive Einbildung, ein schönes Gefühl, ja, aber erfahre ich wirklich Gott oder nur die Resonanz meiner Projektion? Dieser Modernitätsfalle entkommt niemand.

Wenn ich den Korintherbrief aus dieser Perspektive noch einmal genauer lese, stelle ich fest, dass das Problem der Gottesgewissheit so modern gar nicht ist: Schon Paulus kämpft damit, dass er das Geheimnis Gottes zwar predigen, aber letztlich nicht erklären kann. Paulus ist auch skeptisch gegenüber außergewöhnlichen Erscheinungen, die manche als Beweis ihrer Gotteserfahrung ins Feld führen und sich damit über andere erheben, ja sogar absondern und eigene Grüppchen bilden. Gewissheit im Glauben ist nach Paulus eine Gabe Gottes. Diese Gabe Gottes ist nicht an äußere Erscheinungen gebunden. Gerade das Geheimnis des Kreuzes, dass der HERR stirbt, zeigt, dass die Dynamis Gottes in den Schwachen mächtig ist. Martin Luther folgt hier Paulus. Der Mensch kann sich seines Glaubens nicht aus sich selbst heraus gewiss sein. Die Gewissheit kommt allein von Gott. Mit der Gewissheit verhält es sich wie mit der Rechtfertigung. Beide kommen von Gott. Kämen sie nicht von Gott, so bliebe der Mensch verloren, da er sich nur um sich selbst drehen würde. Auch Luther bindet sein ganzes Reden und seine gesamte Theologie an das „Wort vom Kreuz“, an den Gekreuzigten selbst. (Siehe Predella des Cranach-Altars in der Wittenberger Predigtkirche.)

Der Blick auf den Gekreuzigten zeigt, wie Jesus stirbt. In seinem Tod den Tod des Todes zu sehen und zu glauben ist ein ungeheurer Vorgang. Für den Gläubigen ist Christi Sterben ein Trost angesichts des eigenen Sterbens: „Wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein“, dichtet Paul Gerhardt (EG 85,9). Jesus, der Sohn Gottes, kennt die Angst und die Gottverlassenheit, daher können wir uns ihm mit allen unseren Schwächen und Ängsten anvertrauen, auch mit unseren Zweifeln oder wenn wir von Gottes Kraft gar nichts mehr spüren. „Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht“ (Julie Hausmann 1862; EG 376,3).

Annähern können wir uns der Gottesgewissheit durch das Gebet, wie es auch Jesus selbst am Kreuz getan hat. Das Beten fängt beim Kreuz an, es fängt dort immer wieder an. Durch das Beten, durch das Stammeln und auch Seufzen kommt, wenn wir nur dabei ausharren, die Anbetung und der Lobpreis wie von selbst: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis dass du kommst in Herrlichkeit.“

In Zeiten des eigenen Gottesverlustes und der eigenen Scham, nicht mehr glauben zu können, keine eigenen Worte mehr im Gebet zu finden, können wir uns bergen in gemeinsam gesprochenen Gebeten und Bekenntnissen, können wir uns an Sätzen geronnenen Glaubens nähren. Es ist schon ein Wunder, wie ein gemeinsam gesprochenesVater unser uns unseres Glaubens – zumindest für diesen Moment – gewiss machen kann.

 

 

Schon-Jetzt und Noch-Nicht

Der Wechsel von Gewissheit und Ungewissheit wird enden. Ein klares Bild wird hervortreten: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.“ (1. Kor 13,12)

Gewissheit stellt sich immer ein, wenn Gott sich uns selbst gewiss macht und endgültig am Ende der Tage. Paulus schreibt dieses der Gemeinde in Korinth – und uns – in das Stammbuch. Wir leben noch nicht in der Herrlichkeit, wir leben noch in der vergänglichen Welt. Wir sind allein durch Gnade gerettet, schon jetzt und dann in der Herrlichkeit. Das Schon-Jetzt und Noch-Nicht ist die Grundform der christlichen Existenz. Sie verweist uns zuerst auf den Gekreuzigten und dann auf den Auferstandenen. So ist das christliche Leben ein Sterben und Auferstehen, immer und immer wieder bis die Kraft Gottes, die Kraft der Auferstehung alles in ein neues, ewiges Leben verwandelt. Die Epiphanie der Auferstehung geschieht tausendfach unter uns, aber wir können sie nicht festhalten, wir dürfen sie nur immer wieder erwarten auch für die, die entschlafen sind.

Epiphanie: der Himmel stürzt gen Erde, zerschellt und erscheint für einen Augenblick als Feuerflamme. Epiphanie: Erscheinung Gottes, erlebbar, doch nicht greifbar; sie entzieht sich jeglicher Vorstellung, leuchtet auf und verdunkelt sich zugleich. Epiphanie: nicht wiederholbar, ein Widerfahrnis, nur stammelnd lässt sich davon reden.

Amen

 

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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