Der schwache Glaube, Rezension von Christoph Fleischer, Fröndenberg 2023

Zu: John D. Caputo: Die Torheit Gottes, Eine radikale Theologie des Unbedingten, Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern 2022, Softcover, 167 Seiten, ISBN 978-3-7867-3298-3, Preis: 19,00 Euro,

Mit einer aktuellen Einleitung des Autors und einem Nachwort von Helena Rimmele, Herbert Rochlitz und Michael Schüßler

Aus dem Englischen von Helena Rimmele und Herbert Rochlitz

Link: https://shop.verlagsgruppe-patmos.de/die-torheit-gottes-303298.html

Zuvor:

Über meine Lektüre von Jacques Derrida und Gianni Vattimo und deren „schwaches Denken“ kam ich vor ca. 20 Jahren auf den Begriff vom „schwachen Glauben“, nach dem auch diese Homepage benannt ist. Erst später entdeckte ich Schriften von John D. Caputo, dessen Religionsphilosophie eine ähnliche Begrifflichkeit erforscht. Ich muss gestehen, dass ich kaum in der Lаge gewesen wäre, ein Buch von Caputo im Original zu lesen, obwohl ich es immer wieder versuche, da sie in einem anspruchsvollen Englisch formuliert sind. Umso mehr freut es mich, dass jetzt mit diesem Band eine deutsche Übersetzung vorliegt. Das Buch „The Folly of God“ greift in der Tat die Fragestellung des schwachen Glaubens in besonders Maß auf. Leider warten noch mehrere weitere Werke Caputos auf deutschsprachige Übersetzungen, die ich sehr begrüßen würde

Die Torheit Gottes.

Obwohl der Titel etwas schroff oder rätselhaft klingt, ist er ganz passend und bietet zugleich eine Chiffre, die sowohl zur Philosophie als auch zur Theologie passt. Sie greift ein Bibelzitat aus dem 1. Korintherbrief auf, das vielleicht gar nicht so wörtlich gemeint ist, wie es hier klingt, heißt es nämlich: „Das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen.“ (1. Korinther 1, 25). Da fragt sich ja kaum jemand, was die Torheit Gottes eigentlich ist. Aber das sollte man.

Möglichkeit und Grenze der Ontologie.

John D. Caputo greift zuerst auf Paul Tillich zurück, um sich aber an späterer Stelle wiederum von diesem deutsch-amerikanischen Theologen abzugrenzen. Für Tillich ist Gott das Unbedingte, das Sein selbst. Derrida, ein weiterer für Caputo wichtiger Philosoph, trennt zusätzlich das Unbedingte von jedem Machtanspruch, spricht von einer Macht ohne Allmacht. Diese Eigenschaft kann auf Gott übertragen werden.

Was meint Dekonstruktion?

Hierbei ist mit Derrida häufiger von Dekonstruktion die Rede. Das Unbedingte ist etwas, das nicht dekonstruierbar ist. Das heißt, das Unbedingte ist nicht mehr auf menschliche, gedankliche Konstruktion zurückzuführen. Dekonstruktion ist somit eine ideologiekritische Analyse.

Im weiteren Ablauf der Argumentation wird hier deutlich, dass auch die Ontologie z. B. bei Tillich oder Heidegger als Konstruktion entlarvt wird. Deren Gottesbegriffe klingen vielleicht schwach, sind es aber nicht. Mit dem schwachen Denken wird der Atheismus genauso entlarvt wie der Theismus. Caputo schreibt: „Die Religion des höchsten Wesens … ist eine spirituelle Kindheit, die in der Angst vor ewigen Strafen durchlebt wird.“ (S. 97).

Wer nun meint, Caputo wiederhole lange Bekanntes sollte weiterlesen. Denn die zentrale Aussage Caputos besteht darin, die Existenz Gottes zu bestreiten. Damit wird aber die Rede von Gott nicht sinnlos, sondern nur anders. In eigenen Worten würde ich (d. Rez.) das Gelesene so zusammenfassen: Gott ist nicht, Gott geschieht, Gott ereignet sich, Gott insistiert. Gott lässt sich auch als Name beschreiben: „Der Name ‚Gott (-es)‘ ist symbolisch, aber er umschreibt das ganze Bedeutungsfeld.“ (Caputo, S. 107)

Hierbei zeigt der von Hause aus katholische Religionsphilosoph, dass die Theologie oft mehr auf Aristoteles aufbaut als auf die Bibel. Dagegen hatte, so bemerkt der Katholik Caputo, schon Martin Luther protestiert.

„Theopoesie“ statt religiöses Wissen.

Schon auf den ersten Seiten des Buches begegnet der Begriff der „Theopoesie“. Später wird dann deutlich, dass dieser Hinweis die theologische oder religionsphilosophische Beschreibung des Gottesbegriffs ersetzt. (Das geht schon auf das schwache Denken von Vattimo und Derrida zurück. Diese meinen, Wissen sei Interpretation. D. Rez.)

Wer meint, Gott genau zu kennen, verbaut das mögliche Ereignis seines/ihres Geschehens. „Theopoetische Sprache,“ wie es Caputo nennt, „ist auf das Unbedingte zugeschnitten und passt genau zu dem Ereignis“ (des Namens Gottes, d. Rez., S. 118f.).

Arbeit mit der christlichen Sprache in der Gegenwart.

Ich fasse es für mich zusammen in den Worten Caputos: „Das Reich Gottes wächst mitten aus der Welt, es kommt nicht auf uns von oben herab.“ (S.137) Diese Erfahrung beinhaltet gleichzeitig auch eine Abgrenzung gegen eine starke Systematisierung: „Das Reich Gottes braucht keine königlichen Bevollmächtigten, es braucht, ja es erträgt keine Absicherung, keinen Grund, keine Ursache, kein Ziel.“ (S. 139f). Dabei solle man aber auch nicht auf eine zu starke negative Theologie im Sinn der Mystik hereinfallen, die lediglich eine alternative Ontologie bietet.

Fazit

Ich denke (d. Rez.), dass der Begriff „Torheit Gottes“ nicht zuletzt geklärt werden kann. Ist es mehr als der Teil eines Sprachspiels? Ist die Schwäche Gottes seine wahre Stärke, dann wäre eben genau dies eine Metaphysik durch die Hintertür (wie oben an der Mystik gezeigt). Was jedoch auf jeden Fall deutlich wird, wenn auch meiner Meinung nach zu wenig, dass die Bibel in weiten Zügen Beispiele für eine schwache Theologie enthält, z. B. die Kreuzestheologie. Dass aber auch andere Machtvorstellungen in Bezug auf Gott vorkommen, dürfte nicht überraschen. Caputo zeigt die Am Beispiel von Matthäus 25, dem Gleichnis vom Weltgericht.

Die Provokationen der „radikalen Theologie“ Caputos, in denen m. E. die frühe Dorothee Sölle nachklingt, sind aktuell. Die Verbindung zur Dekonstruktion lässt sich auch mit Husserls Phänomenologie und den Untersuchungen von Emanuel Levinas verbinden. Dass hier kein religiöser Subjektivismus gemeint ist, zeigen die biblischen Zitate und Anspielungen, die m. E. noch verstärkt werden könnten. Der Machtverzicht Gottes ist in vielen Texten der Bibel im Alten und Neuen Testament mit Händen zu greifen. Hier meine ich auch Spuren Jürgen Moltmanns politischer Theologe zu entdecken. Die Machtlosigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung kann somit nicht als Verlust, sondern als Chance begriffen werden.