Predigt über Genesis 13 „Denn wir sind Brüder“, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2023              

             

 Am 21. Sonntag n.Tr. 2023

Liebe Gemeinde,

die Geschichte der gütlichen Trennung von Abraham und Lot findet wie von selbst Widerhall in dem gegenwärtig besonders von Gewalt geplagten Landstrich in Palästina und Israel. Es geht um Land, es geht um die Erde, die trägt und nährt, Sicherheit und Freiheit ermöglicht.

Doch bevor wir – vielleicht vorschnell – den Text auf die heutige politische Lage – und das heißt das leidvolle Erleben der Menschen in Israel und der Menschen in den palästinensischen Gebieten – beziehen, lasst uns ein wenig tiefer in die biblische Geschichte von Abraham und Lot und ihr Hoffnungspotential blicken.

Abraham

Abraham ist der Träger der Verheißung Gottes. Gott verheißt ihm ein Land in das er ziehen soll und welches ihm und seinen Nachkommen Zukunft schenkt. Diese Zukunft ist nicht exklusiv, sondern schließt alle Menschen ein: „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“ (Gen 12,3)

Der Aufbruch Abrahams aus Ur in Chaldäa wird mit einem Ziel verbunden, einem Land, das ihm und seinen Nachkommen versprochen ist.

Scheinbar geht Abraham mit dieser Landverheißung leichtfertig um, als er seinen Neffen Lot wählen lässt, wo er mit seinen Hirten und Herden lagern und sesshaft werden will. Oder ist hier schon ein Stück Altersweisheit bei Abraham zu erkennen, dass er nicht meint, er müsste um dieses versprochene Land kämpfen und selbst die Grenzen abstecken? Der HERR wird seine Sache schon führen auch gegen jeden Augenschein. Wenn das nicht Gelassenheit ist!

Lot

Lot jedenfalls lässt sich von seinen Augen leiten, von dem, was er sieht, ein fruchtbares Tal, das Wasser des Jordans, eine goldene Zukunft für Hab und Gut. Doch Lot hat nicht damit gerechnet, dass hinter dem glanzvollen Augenschein eine ganz andere Macht und Wirklichkeit zum Vorschein kommt. Es leben böse Menschen in Sodom, die ihm seine Wahl so richtig versalzen werden. Wer kann schon in Frieden mit bösen Menschen leben? Am Ende bleibt ihm – wie so vielen – nur die Flucht. Und auf der Flucht der Verlust seiner Frau, die zurückschaut und zur Salzsäule erstarrt. (Gen 19,26)

 

Das verheißene Land

Abraham dagegen ist zu bewundern für seine Großzügigkeit. Er, der Ältere, lässt dem Jüngeren den Vortritt und fügt sich seiner Wahl. Vorher hatte er im Gebet den HERRN angerufen. Mag das der entscheidende Unterschied gewesen sein?

Jedenfalls ist es bei näherer Betrachtung auffällig, dass der HERR Abrahams Blick über sein künftiges Weideland schweifen lässt und dieser es anschließend nicht mit Pflöcken und Grenzziehungen absteckt, sondern an besonderen Orten Altäre für den HERRN baut. Das verheißene Land ist hier nicht geografisch konnotiert, sondern an die Wirklichkeit und den Glauben an den HERRN gebunden (Altäre).

Immer wieder betont der biblische Text, dass das Land schon bewohnt war, dass der HERR Abraham zuweist. Das ist in diesem eher noch fluiden Stadium der Sesshaftwerdung und des Glaubens an den einen HERRN überhaupt kein Problem. Für Abraham ist der Glaube an den HERRN gerade Voraussetzung einer friedvollen Koexistenz mit den Mitbewohnern des Landes, ist ihm doch verheißen: „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde.“ (Gen 12,3)

Hoffnungspotential

Wenn wir also auf das Hoffnungspotential dieser Geschichte schauen, können wir festhalten, dass die Verheißung Gottes sich auch gegen den Augenschein durchsetzt und Ziel der Verheißung – auch der Landverheißung an Abraham, später an Israel – das Wohlergehen aller im Blick hat (Segen). Mit einer gewissen Ironie wird das Schicksal von Lot erzählt. Sein alleiniges Setzen auf den Augenschein und auf die menschliche Vernunft wird kritisiert. Wer sich von Macht, Kapital und Sicherheit blenden lässt, erlebt ein böses Erwachen.

Bilder des Schreckens

Wenn wir jetzt die schrecklichen Bilder der Gewalt in den Kriegen der Welt und besonders in letzten Wochen in Israel und Gaza sehen und uns in den Kommentaren der Medien und Politiker, der Kriegstreiber und Kriegsbefürworter, aber auch der Mahner verlieren, fragen wir uns als die, die wir heute Gottesdienst feiern, was können wir denn der Verzweiflung über das Leid und auch der Abstumpfung entgegensetzen? Gibt es nicht Wege aus Unterwerfung, Unterdrückung und der ewigen Spirale der Vergeltung heraus?

Unsere Abrahams-Geschichte enthält nicht die eine Lösung – und wir haben sie alle nicht – gleichzeitig bewahrt sie heilsames Potential des Umgangs miteinander in Konflikten auf, die uns auch heute noch Wegweisung sein können.

Der Glaube an Gott stiftet Frieden

Erinnern wir uns an die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR am Ende der achtziger Jahre im letzten Jahrhundert. Von den Leipziger Friedensgebeten, den Montagsgebeten und Montagsdemonstrationen ging der Ruf aus: Keine Gewalt!

Die friedlichen Demonstrationen waren vom Geist des Friedens beseelt und der Machtapparat wurde dadurch überwunden.

Konfliktpotential erkennen und präventiv Handeln

Abraham nimmt den Konflikt der Hirten um die Wasserquellen wahr. Er macht sich Gedanken, wie der schwelende Konflikt mit seinem Neffen zu lösen ist. Abraham hat die Größe zurück zu treten. Verzichtet auf Macht und Anspruch, er benutzt Gottes Verheißung nicht, um sich einen Vorteil zu verschaffen.

Wir brauchen ein neues Hören auf die Frühwarnsysteme, auf Menschen, die vorausdenken können und Empathie für alle Seiten von Beteiligten an Konflikten und Kriegen haben. Ohne das Hineinversetzen in den anderen, in seine Angst, in sein Sicherheitsbedürfnis, in sein Wertesystem wird es keine Verständigung geben. Es geht um Verstehen, was ein himmelweiter Unterschied ist zu Verständnis haben für z.B. Gewalt. Mir scheint, dass wir die Zeit des Verstehens zugunsten von Durchsetzung von Recht und von Interessen übersprungen haben, einfach ausgeblendet. Das aber führt nicht zur Verständigung, sondern verstärkt das Recht behalten um jeden Preis – doch die Toten können Gott nicht mehr loben.

Denn wir sind Brüder

Diese vier Worte Abrahams an Lot sind der Grund der Verständigung. Ich kann und will dich nicht übervorteilen. Du trägst Sorge um das Leben deiner Familie und um deinen Besitz wie ich auch. Lass uns einen Weg finden, damit die Gräben zwischen uns nicht tiefer werden.

Was hat der Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt gesagt: „Besser hundert Mal verhandeln als einmal schießen.“ Wie konnte der Geist der Diplomatie und der Wille nach einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen im kriegsgeprüften Europa verschwinden? „Wir sind doch Brüder.“ Ein toter russischer Soldat unterscheidet sich nicht von einem toten ukrainischen Soldaten. Wann endlich schwenkt der Westen um und setzt nicht mehr auf Waffen, sondern auf Friedensverhandlungen?

Für Abraham und Lot war die Trennung ein Weg, den Konflikt zu entschärfen. Es gibt Unterschiede. Es gibt Gewalt, die es einzudämmen gilt. Es gibt das Recht auf Selbstverteidigung, doch bleibt die Frage, wie kann der Krieg beendet werden, „denn wir sind Brüder.“

Das gilt auch für Israel, dem erwählten Volk Gottes. Das über Jahrzehnte eingepferchte palästinensische Volk – ohne eigenen Staat – sind doch Schwestern und Brüder. Haben sie nicht auch ein Recht auf eigene Erde?

Fazit

Wenn Religion die Anbetung Gottes hervorhebt, dann immer gleichzeitig auch die Unversehrtheit allen Lebens. Wir können nicht Gott würdigen und achtlos an Schwester und Bruder vorübergehen. Wir sind füreinander und für den Frieden verantwortlich. Das sagt uns die Geschichte von Abraham und Lot.

 

 

 

Sicher nicht – oder? Predigt zur Eröffnung der Friedensdekade, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2023

„Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit, dann überfällt sie schnell das Verderben.“ 1. Thessalonicher 5,3

Ihr Lieben,

auf der Bundeswehrtagung in Berlin am vergangenen Freitag (10.11.2023) hat Verteidigungsminister Boris Pistorius zum wiederholten Mal gefordert, Deutschland muss kriegstüchtig werden, da die Sicherheit in Europa auch zukünftig gefährdet ist und weitere Kriege auf unserem Kontinent nicht ausgeschlossen werden können. Kanzler Olaf Scholz verwies darauf, dass das mit 100 Milliarden Euro ausgestattete Sondervermögen für die Verteidigung nur „ein erster wichtiger Schritt sei.“ (Aachener Zeitung, 11. Nov 2023) Die Waffenlieferungen an die Ukraine wurden und werden damit begründet, dass das „tapfere Volk der Ukrainer“ (Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei Markus Lanz) auch für unsere Freiheit und Sicherheit kämpft. Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschuss verstieg sich sogar zu der Aussage: „Waffen für die Ukraine sind Pflicht christlicher Nächstenliebe.“ (https://twitter.com/WAZ_Redaktion/status/1606315034203807760?lang=de)

Sicher nicht – oder?

Aus dem Slogan der Friedensbewegung zur Überwindung des Kalten Krieges und Aufruf zum Rüstungsabbau: „Frieden schaffen ohne Waffen“ wird in unseren Tagen: „Frieden schaffen mit Waffen.“ Ja, es ist richtig, dass Recht hoch zu halten und darauf zu pochen; Gewalt einzudämmen und alles dafür zu tun, dass ein gerechter Friede wieder hergestellt wird. Ich zweifle jedoch daran, dass die westlichen Waffen Frieden und Sicherheit bringen. Die Waffen müssen niedergelegt werden, der Konflikt muss eingefroren werden, eine internationale Friedenskonferenz einberufen werden. Allein es fehlt politisch dazu der Wille.

Sicher nicht – oder?

„Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn der Friede muss gewagt werden. Friede ist das Gegenteil von Sicherung. Sicherheiten fordern heißt Misstrauen haben, und dieses Misstrauen gebiert wiederum Krieg…“ (Dietrich Bonhoeffer, London 1933-1935, DBW Band 13, Seite 300)

Es war der Theologe Dietrich Bonhoeffer, der in den frühen dreißiger Jahren hellsichtig vor einem Krieg in Europa gewarnt hat. Auf heute bezogen: Wann ist Sicherheit erreicht? Wie stark muss aufgerüstet werden, nachgerüstet werden bis eine Sicherheit garantiert werden kann? Schon die immer rigideren Coronamaßnahmen, die das Ziel Sicherheit hatten, haben diese Sicherheit gerade nicht erreicht, sondern zu Verwerfungen in der Gesellschaft geführt. Wo Misstrauen und Angst unser Handeln bestimmen, legt sich der Mehltau der Verdächtigungen auf uns und es wird kein Friede werden. Nein, Frieden wird aufs Spiel gesetzt. Das ist die Tragik der sogenannten Zeitenwende.

Sicher nicht – oder?

Bonhoeffer sagt aber noch etwas, was elementar wichtig ist für unser Zusammenleben als Gesellschaft, für das Zusammenleben der Völker und Staaten: „Friede muss gewagt werden.“

Jahrzehntelange Konfliktforschung wird über Nacht ad acta gelegt, eine rein defensiv angelegte Verteidigung wird inzwischen belächelt. Immer der Diplomatie den Vorrang einzuräumen ist in Frage gestellt. Diese Verschiebung macht mir Angst. Sie lässt uns den Frieden nicht mehr wagen, nicht im Kleinen und nicht im Großen. Sie führt zu einem verfestigten Freund-Feind-Denken und ich dachte, dass binäres Denken und Handeln überwunden ist.

Sicher nicht – oder?

Paulus schreibt der Gemeinde in Thessaloniki, dass sie sich nicht in ihrer Hoffnung auf den Tag Christi beirren lassen sollen, wenn ringsum Friede und Sicherheit ausgerufen wird. Auf welch brüchigen Fundament der Friede steht, der durch Waffen und Vernichtung hergestellt wird, erleben wir in unseren Tagen. „Seid Kinder des Lichts und nicht Kinder der Finsternis“(1. Thes 5,5), ruft Paulus der Gemeinde zu. Das Licht selbst aber ist Jesus Christus. Jesus hat seine Jüngerinnen und Jünger zu Gewaltverzicht und zur Feindesliebe aufgerufen. Dazu müssen wir uns verhalten. Ich will mich dafür einsetzen, dass wir als Kirchen und Gemeinden Orte sind, die das Friedenszeugnis Jesu bewahren, in die Gesellschaft einbringen und in versöhnter Verschiedenheit miteinander leben. Sehen Sie das anders?

Sicher nicht – oder?

Angelika Christiane Krakau, Joachim Leberecht: Predigt Tut mir auf die schöne Pforte, Herzogenrath 2023

Anlass:Festakt – 125 Jahre Markuskirche, Angelika Christiane Krakau war 12 Jahre Pfarrerin an der Kirche in Herzogenrath (der kursiv gesetzte Text ist von Pfarrerin Krakau, der andere von Pfarrer Leberecht).

 

Foto von Georg Schwering, links Pfarrer Leberecht, rechts Pfarrerin Krakau.

Liebe Festgemeinde,

also ich kann euch sagen, wenn man erst einmal die 100 überschritten hat, dann wird man immer jünger und frischer. Na, ganz so übertreiben will ich nicht, aber ich bin gegenüber früher schon deutlich ruhiger geworden. Mich haut nicht jeder Sturm um. Ihr müsst wissen, ich bekomme hier nicht nur jeden Gottesdienst mit, in meinen Mauern lagern sich nicht nur Gebete ab, sondern auch so manches Gerede. Früher hat mich das ziemlich irritiert, aber ich bin im Laufe der Zeit gelassener geworden. Heute wird mein 125. Geburtstag gefeiert. Da ist es gut innezuhalten und einiges Revue passieren zu lassen. Alles fängt ja mit der Geburt an oder soll ich besser sagen mit der Zeugung?

Das war nämlich so: Die Evangelischen in Herzogenrath gehörten zur Evangelischen Kirchengemeinde Aachen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Zahl der Gemeindeglieder in Herzogenrath. Einige von ihnen waren recht betucht. Sie gaben den Anstoß zum Bau einer evangelischen Kirche. Doch bis es soweit war, vergingen noch einige Jahre. Ein Bauplatz wurde gesucht. Für den Bau der Kirche in Herzogenrath schenkte der damalige evangelische Bergbaupionier und Bergwerksdirektor der Grube Nordstern in Merkstein, Carl Honigmann, der Aachener Gemeinde das Grundstück in der Geilenkirchener Straße. Ohne das geschenkte Grundstück stünde ich jetzt nicht hier an diesem Ort. Auch das für die Rheinprovinz zuständige königliche Konsistorium in Koblenz – ihr müsst wissen damals gab es für die Evangelischen Kirchen in der Leitung noch keine Trennung von Staat und Kirche – musste dem Kirchenbau zustimmen. Außerdem musste die Finanzierung geklärt werden. Und dann kam endlich das langersehnte Ja. Nach der Planung kam es zur Grundsteinlegung im August, im Jahr des HERRN 1897. Ein Reporter der Neuen Preußischen Zeitung schrieb damals: „Im langen Zuge, voran etwa 10 (evangelische) Pfarrer in Amtstracht, ein für die hiesige Gegend völlig fremder Anblick, zog die feiernde Gemeinde hinaus zum festlich geschmückten Bauplatz.“ (Festschrift S.29)

Wenn ich an meinen Anfang zurückdenke, wird mir bewusst, wie viele Menschen sich beharrlich engagiert haben, damit ich zustande kam. Und letztlich war es ein Geschenk, wie alles Leben ein Geschenk ist. Ich erblickte das Licht der Welt 1898 und wurde mit einem Gottesdienst im Oktober 1898 in den Dienst genommen. Ich war so stolz, und stellt euch vor auf dem Altar lag eine Altarbibel, ein handsigniertes Geschenk der Kaiserin Augusta Viktoria.  Diese Geburt war ein großes Ereignis für die Rodastadt an der Wurm, war ich doch das erste evangelische Gotteshaus unter vielen katholischen Gotteshäusern in Herzogenrath. Im Laufe der Jahrzehnte ist die Ökumene mit mir gewachsen.

Alles in allem, ein guter Anfang. Dafür bin ich dankbar.

Und dann kam die Zeit, in der ich gefüllt wurde mit vielen Menschen, die in mir ihre Gottesdienste gefeiert haben, ganz normale, aber auch die zu besonderen Festen wie Taufe, Konfirmation, Hochzeit und auch Beerdigungen. „Kirche am Berg“ wurde ich genannt – und das bin ich für viele immer noch – bis heute, obwohl ich ja schon seit 20 Jahren „Evangelische Markuskirche“ heiße.

Aber zurück zu meinen Jahren als Jugendliche, sozusagen meine Sturm- und Drangzeit. Ich war schon ein schmuckes Kirchlein damals, wenn ich an die alten Fotos von mir denke. Und erst als ich fünf Jahre alt war, wurde die Kirchengemeinde Herzogenrath geboren. Immer mehr Evangelische zogen rings um mich herum und kamen gerne zu mir. Und dann kam der Boom als ich ungefähr im Konfirmandinnenalter war. Von etwa 300 Evangelischen war die Rede, aber schon 1914 wurden 1500 gezählt. Die hatten gar keinen Platz mehr in mir. Schließlich war ich ja klein. Und dann bekam ich im Mai 1931 meine kleine große Schwester in Streiffeld dazu. Jetzt waren wir schon zu zweit in Herzogenrath. Aber ich bin und bleibe die ältere. In Kohlscheid wurde schließlich 1933 meine kleine Schwester geboren. Allerdings war sie nicht so gut in Schuss und wurde in den 1960er Jahren durch das Lukas-Gemeindezentrum ersetzt.

Aber zurück zu mir. Im Dritten Reich wurde es schwer für mich. Aber Pfarrer Steinfartz hat auf mich und unsere Gemeinde aufgepasst. Er kam im Herbst 1934 und blieb 26 Jahre lang. Er hat sich durch die Deutschen Christen nicht unterkriegen lassen. Ja, ich weiß, er war Parteimitglied, aber seine Zugehörigkeit zur NSDAP hat sich in der Zahlung der Mitgliedschaftsbeiträge erschöpft. Darum durfte er auch nach dem Krieg bei mir bleiben.

Finanziell war es in den dreißiger Jahren auch nicht so dolle, denn meine beiden kleinen Schwestern kosteten ganz schön viel Geld, bis sie endlich geboren waren. Und es kamen immer mehr Menschen zu mir. Das war richtig schön in den Gottesdiensten und den Kindergottesdiensten jeden Sonntag. Ja, das Leben tobte so richtig. Aber dann kam ja der Zweite Weltkrieg. Aber auch da hatte ich Glück. Gottesdienst und kirchlicher Unterricht konnten trotz Fliegeralarm stattfinden, denn gleich neben mir war ein Bunker, in den alle laufen konnten, wenn Fliegeralarm war.

Aber dann im Herbst 1944 habe ich große Verletzungen erlitten. Der Dachreiter musste sogar ganz entfernt werden, Fenster und Kirchenbänke waren stark beschädigt und das Gemeindehaus im Hof war komplett zerstört. Aber unterkriegen lassen habe ich mich nicht. Und viele haben geholfen, dass ich wieder eine schmucke Kirche wurde, wenn ich nun auch vor allem von außen, aber auch von innen anders aussehe. Aber Leute, Ihr habt euch ja auch verändert im Laufe der Jahre. Und das ist gut so.

Ich jedenfalls bin froh, dass ich noch so fit bin, und dass mir dabei so viele geholfen haben, damit ich weiterhin ein Wahrzeichen hier am Berg bin.

Ihr wisst das ja, nach der Jugend, der Familiengründung und Konsolidierung im Berufsleben folgt die Midlife-Crisis. Eigentlich hört sie nie mehr auf, ständig müssen sich Mann und Frau neu erfinden, erste Verluste verschmerzen, einander aushalten und sehen wie ein Ideal nach dem anderen in den Niederungen des Alltags dahinschmilzt. Ähnlich ist das auch bei mir gewesen. Ihr müsst euch das mal vorstellen. Nach den umfangreichen Umbauarbeiten 1964/1965 mit der Erweiterung des Kircheninnenraums, der neuen Orgelempore und der Errichtung des Glockenturms, überlegte doch das Presbyterium Anfang der 1970er ernsthaft, mich abzureißen und an anderer Stelle eine neue Kirche mit Gemeindezentrum zu bauen. Ich war am Boden zerstört. Ich schwitzte Blut und Wasser und verstand die Presbyter nicht – damals wirklich alles nur ältere Männer(!) bis auf wenige Ausnahmen – aber: Der Mensch denkt, Gott lenkt. Es wurde anders entschieden. Ich wurde nicht abgerissen – und neben mir entstand ein evangelisches Gemeindehaus – mmh… heute an K.I.D.S. , einem privaten Kitaträger vermietet – immer diese Veränderungen! Hört das denn nie auf?

Das Positive: Der Geist des Neuaufbruchs der 1968er wehte auch in der Kirche. Nach der Krise – was aus mir werden würde – kam es zur Neugestaltung des Innenraums mit Schwerpunkt neue Altargestaltung, neue Kirchenbänke und Kunst. Das war eine kontroverse Diskussion, kann ich euch sagen – und auch ich musste mich erst einmal mit der neuen Gestaltung anfreunden. Ich war ja eine überaus schlichte Kirche und – wie es sich reformiert gehört – aufs Wort ausgerichtet. Und auf einmal ein schwerer großer Granitaltar statt Abendmahlstisch, Fenster mit Passionsmotiven – bin ich katholisch oder was?! – und ein wuchtiges Hängekreuz – das geht doch gar nicht. Doch es wehte wie gesagt ein neuer Wind, gesellschaftlich und kirchlich. Und ich habe mich dran gewöhnt und im Laufe der Jahre habe ich mein neues Innenleben lieben gelernt: das Schöpfungsrelief und die Passionsglasfenster von Peter Paul Hodiamont, das Kreuz des Kölner Künstlers Kurt Wolf von Bories – das mich mit dem bronzenen Mose und der Bockreiterstatue in Herzogenrath-Mitte verband. Stammten diese beiden Exponate – der Mose ist ja leider geklaut worden – doch auch aus der Werkstatt von Bories.

Aber Kunst rettet auch nicht, gab es doch – es fällt mir gerade wieder ein – 2013 oder 2014 einen Beschluss des Presbyteriums, alle evangelischen Gebäude in Mitte und Kohlscheid aufzugeben, zu veräußern und an einem neuen Ort in ökumenischer Zusammenarbeit ein neues Kirchenzentrum aufzubauen. Aber: Der Mensch denkt, Gott lenkt. Jetzt wird schon wieder überlegt, ob ich eine Zukunft habe und wie die aussehen könnte. Was soll ich machen? Wie gesagt, ich bin gelassener geworden und für mein Alter noch gut in Schuss…, zugegeben, wenn geheizt wird, bin ich nicht klimaneutral – Mensch, Mensch, Mensch, was man/frau/kirche heute nicht alles sein muss!

Wisst ihr, was ich mache? Ich mache das, was ich gelernt habe. Ich vertraue mich und meine Zukunft ganz der Fürsorge Gottes an. Gern öffne ich meine Pforten für Menschen, die in mir beten, singen, hören und tanzen wollen, und lass meine Glocken weiterhin kräftig läuten. Gern noch für mindestens weitere 125 Jahre – so Gott will.

Amen

Predigt Himmelfahrt 2023, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2023

Foto aus der ehemaligen Abteikirche Essen-Werden, Christoph Fleischer 2023

„Nach diesen Worten wurde er vor ihren Augen emporgehoben.“  Apostelgeschichte 1,9a

Liebe Himmelfahrtsgemeinde,

heute feiern wir, dass Jesus Christus in den Himmel gefahren ist. Seine Sendung auf Erden hatte ein definitives Ende, mit seiner Auferstehung beginnt sein himmlisches Leben im Reich des Vaters. Dort im Himmel ist Gottes Herrschaft schon errichtet, auf Erden aber noch nicht. Daher fragen ihn seine Jüngerinnen und Jünger, wenn du zum Vater gehst, wird dann Gottes Herrschaft in Israel errichtet werden? Jesus antwortet ihnen: Dafür braucht ihr weder Zeiten noch Fristen zu kennen (V.7). Den Zeitpunkt hat allein der Vater festgelegt. Ihr aber wartet auf den Heiligen Geist, dieser wird euch mit Kraft erfüllen und euch den Weg weisen.

Das Fest der Himmelfahrt Jesu

Aus dieser Erzählung, die die Apostelgeschichte überliefert, ist das Fest Christi Himmelfahrt geworden. Mit der Himmelfahrt Jesu ist der Glaube verbunden, dass Jesus mit seinem Vater im Himmel regiert, das Reich Gottes schon aufgerichtet ist, und dass der Geist Gottes uns beten lehrt: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.“

Reich Gottes, Es ist bereits da und wird doch noch erwartet

In dieser Spannung leben wir heute. Wir wissen, was Gottes Wille ist und wie wir leben sollten, aber wir tun es nicht. Wir können das Reich Gottes nicht aus eigener Kraft auf dieser Erde errichten, aber ernstlich anstreben und darum bitten, das ist unsere Aufgabe. Richtschnur unseres Handelns sind dabei die Gebote Gottes und das Leben Jesu. Das Reich Gottes ist schon mitten unter uns, und doch muss es immer wieder kommen, bis es sich an Jesu Wiederkunft vollends durchsetzt. Nicht mit Macht und Gewalt, sondern mit Liebe und einer neuen Sicht auf den Menschen und Gottes Schöpfung.

Heute beginnt das Himmelfahrtswochenende. Für viele eine Auszeit von Beruf und Verpflichtungen. Der Freitag wird als Brückentag genommen und viele fahren ins Blaue, genießen das frische Grün und den malzigen Maibock.

„Himmelfahrtskommando“ – Warum dieses Wort wieder aktuell ist.

Für Soldaten und Söldner am Dnipro setzt sich aber am Himmelsfahrtwochenende das Himmelfahrtskommando fort. Sie werden in den Krieg geschickt, Rückkehr mehr als ungewiss. Viele Tausende sind schon im Russland-Ukrainekrieg gestorben, viele Familien bangen um ihre Söhne und Töchter. Für die einen sind es Heldinnen und Helden für das Vaterland, für die anderen bloßes Kanonenfutter.

Liebe Gemeinde,

leider kann ich Ihnen heute am christlichen Himmelsfahrttag, der doch unsere Hoffnung und Freude ausdrückt – dass Gott das Regiment hat – nicht verhehlen, dass statt eines weiten blauen Himmels, sich der Himmel verengt hat, statt der zwitschernden und paarungsbereiten Vögel an Kriegsorten die Drohnen ausschwärmen.

Immer noch nicht wurden unsere Gebete erhört, dass die Waffen niedergelegt werden und ernsthaft Friedensverhandlungen angestrebt werden, ja überhaupt gewollt werden. Es ist kein Wille zum Frieden da. Weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Das ist ein Skandal!

Wir haben uns an den Krieg gewöhnt. Im Reich Gottes aber gibt es keine Gewöhnung an Gewalt und Unrecht.

Warum wir an den Frieden glauben.

An Christi Himmelfahrt glauben heißt, sich nicht an den Krieg und die Waffenlieferungen zu gewöhnen, sondern sich an den Auftrag zu erinnern, dass es auf Erden sein soll wie im Himmel. Wir aber glauben an den Krieg. Wir glauben an die Macht des Stärkeren. Wir glauben – so falsch es klingen mag – dass der Friede allein durch Waffen hergestellt werden kann. Wer etwas anderes glaubt, liegt falsch, ist naiv und wird kurzerhand aus dem Diskurs ausgegrenzt und mundtot gemacht.

Liebe Gemeinde,

Christi Himmelfahrt ist kein verstaubtes Fest. Der Glaube an die Herrschaft der Liebe ist nichts für bürgerliche und romantische Gemüter, er ist so radikal wie Jesu Leben selbst.

Dieses Zeugnis Jesu sind wir der Welt schuldig, die wieder auf Gewalt, Rüstung und Militär setzt als gebe es kein Morgen.

Es ist derselbe Jesus, der in den Himmel gefahren ist, wie der, der auf Erden lebte. Es ist Jesus mit seiner Botschaft: „Liebet eure Feinde!“ Darin liegt schon der Keim der Überwindung der Institution des Krieges. Doch wer glaubt daran? So gut wie niemand.

Es ist nicht die große Zahl, die berufen ist, Jesus nachzufolgen und sein Kreuz auf sich zu nehmen. Doch ohne Nachfolgerinnen und Nachfolger, die Gewaltlosigkeit wie ihr HERR leben, sind die Gläubigen kein Licht und kein Salz mehr in dieser Welt.

Liebe Gemeinde,

ich will Ihnen den Himmelfahrtstag nicht versalzen, ich will auch nicht Salz in die Wunden streuen, ich will Geschmack auf das Salz der Himmelsherrschaft machen, dass unser Leben Würze bekommt, dass wir uns sehnen, dass der Himmel auf Erden kommt, und dass wir dem Frieden nachjagen.

Amen

Predigt „Wer teilt, gewinnt.“ (Joh 6,1-13) Konfirmation am 6. und 7. Mai 2023 in der Markuskirche, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2023

Bronzekreuz (Quelle:http://www.Christliche-Kunst-Bauer.de , der eigentliche Rechteinhaber ist unbekannt)

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Festgemeinde,

bei der Einsegnung wird euch ein Bronzekreuz umgehängt. Darauf sind fünf runde Brote und zwei Fische zu sehen und die Worte: „Wer teilt, gewinnt“ treten reliefartig hervor. Das Kreuz fand ich von Anfang an für euch Konfirmandinnen und Konfirmanden schön: eine handfeste und bleibende Erinnerung an eure Konfirmandenzeit in der Lydia-Gemeinde und an eure Einsegnung. Mit den Worten habe ich mich schwerer getan, da sie für mich etwas zu einfach die christliche Botschaft auf den Punkt bringen. Sie klingen für mich, wie die zahlreichen Titel der in jeder Bahnhofsbuchhandlung erhältlichen Ratgeberliteratur oder die vielen moralisierenden Appelle, die uns in den Medien täglich präsentiert werden. Was wir nicht alles zu tun oder zu lassen haben! Davon ist euer Leben eh schon geprägt, und je sensibler ihr veranlagt seid, desto mehr wächst der Erwartungs- und Anpassungsdruck.

Moralisierender Zeitgeist

Wir sind nicht erst seit Corona – und diese Zeit mit den vielen Einschränkungen und Verunsicherungen hat euch ganz schön gebeutelt – zu einer sehr moralisierenden Gesellschaft geworden. Um überhaupt einigermaßen den Durchblick zu behalten, werden komplexe Zusammenhänge zunehmend vereinfacht, und längst überwunden geglaubtes Schwarz-Weiß-Denken ist mit Macht zurückgekehrt. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht neue Sprach- und Denkverbote durch die Medien geistern, und viele haben das Gefühl, sich nicht mehr frei äußern zu können und sagen lieber nichts zu umstrittenen Themen. Gleichzeitig verbreitet sich das Phänomen, bekenntnishaft durch Sprache und Handeln zu zeigen, ich stehe auf der guten und richtigen Seite. Wir wollen zu den Guten gehören, die anderen aber liegen nicht nur falsch, sie handeln auch falsch und müssen deshalb permanent erzogen werden. Darunter leidet das Gespräch, das Aufeinander-Hören, der Austausch der Argumente und das, was uns alle miteinander verbindet: das Menschsein.

Narrative der Hoffnung contra Appellbotschaften

Was ist dem entgegenzusetzen oder wo finden wir in diesen verwirrenden Zeiten Orientierung und Hoffnung? Sicherlich nicht in Handlungsanweisungen, sondern in Geschichten, die uns Mut machen angesichts apokalyptischer Szenarien, die an die Wand gemalt werden und inzwischen fast in jeder Nachricht vorkommen. Wir leben von den tradierten großen Geschichten und Erzählungen – manche stehen neuerdings wieder auf einem ungeschriebenen und sich stets erweiternden Index, weil sie angeblich ein Menschenbild transportieren, das heute nicht mehr tragbar ist. Wir leben aber von Erzählungen, die weitererzählt werden. Sie enthalten Wesentliches, das weit über die Vernunft oder einer reinen Pflichtethik hinausgeht. Erzählungen sind menschlich und sie sprechen zu uns als Menschen, ob sie nun Märchen, Mythen oder biblische Geschichten sind.

 Essen und Trinken stiftet Gemeinschaft

Die Erzählung von den fünf Broten und den zwei Fischen ist dafür ein gutes Beispiel. Es wird von einer großen Mahlzeit berichtet. Menschen lassen sich nieder und teilen das, was sie empfangen haben. Wer miteinander isst, kommt sich nah. Kaum etwas schafft so viel Vertrauten und Gemeinschaft, wie gemeinsames Essen und Trinken. Und wenn wir ein Fest planen, nimmt das gemeinsame Essen und Trinken einen großen Platz ein. Alles will gut vorbereitet sein. Die Einladenden sind angespannt, ob es auch gut schmeckt und das Gespräch in Gang kommt. Ist es ein gelungenes Fest, überkommt die Gastgeberinnen und Gastgeber ein wohliges Gefühl. Die Gemeinschaft ist gestärkt und erneuert worden.

Mit Jesus wird es ein gelungenes Fest. Auf wundersame Weise wird der Mangel gestillt. Alle werden satt. „Nur auf Wunder ist Verlass“, dichtet Mascha Kaléko und sie hat recht. Denn wir können noch so viel tun, noch so gut ein Fest vorbereiten und an alles denken, ob es aber ein schönes Fest wird, liegt nicht in unserer Hand.

Gesegnete Mahlzeit

Die Mahlzeit von der Johannes berichtet, ist mehr als eine Mahlzeit. Sie weist über sich hinaus. Sie steht für ein gelingendes Leben. Die fünf Brote und zwei Fische werden zu Symbolen der Hoffnung. „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes kommt.“(Mt 4,4)

Das Gemeinschaftsmahl beginnt mit einem Gebet. Jesus empfängt die fünf Brote und die zwei Fische von einem Kind und dankt Gott dafür. Gott ist mit im Spiel. Gott ist der Geber aller guten Gaben. Das auszudrücken und diesem eine Gestalt zu geben ist Religion. Das ist der Mehrwert eines Lebens aus dem Glauben und aus dem Vertrauen, dass Gott es gut machen wird.

Oder, um es anders zu beschreiben: Im Glauben geschieht eine Hinwendung zu dem Urgrund allen Lebens und gleichzeitig eine Erfahrung, miteinander verbunden zu sein und aufeinander zu achten. Die Verbindung mit Gott, verbindet uns mit allem, was lebt. Erst dann entfaltet der Satz: „Wer teilt, gewinnt“ seine religiöse Tiefendimension.

Alles Leben ist Hingabe

Alles Leben ist Hingabe. Die frühen Kirchenväter und -mütter haben sich das so vorgestellt: Die Schöpfung ist aus dem Überfließen der Energie Gottes und seiner Sehnsucht nach einem Gegenüber entstanden. Und wenn der Mensch selbst von dieser Energie erfasst wird, dann antwortet er mit seinem Leben selbst, mit Hingabe und Liebe. Der Mensch wird selbst zur Schöpferin und zum Schöpfer des Guten und erlebt sich als Teil eines Ganzen.

Ihr werdet heute eingesegnet, mit der Kraft Gottes verbunden. Ihr werdet beauftragt mit euren Fähigkeiten selbst schöpferisch tätig zu sein. Das ist ein überaus spannender und auch ambivalenter Prozess, da wir Menschen sind. Wir können nicht nur Gutes schöpfen, wir können auch zerstörerischen Kräften in uns Raum geben; wir können durch viele äußere Ursachen und Einwirkungen auf unserem Weg stecken bleiben oder uns verlaufen; wir können versucht und verführt werden; wir können auch eine Zeitlang gar nicht wissen, was wir wollen, oder abschätzen, ob das, was wir tun, gut ist für uns und andere.

Die Erzählung von den fünf Broten und den zwei Fischen gibt uns aber Hinweise, wie ein erfülltes Leben trotz Mangel gelingen kann.

In der Gemeinschaft bleiben

Das Wichtigste in eurem Leben sind zurzeit eure Freundinnen und Freunde. Das ist das Feld, wo ihr euch ausprobiert, wo ihr unglaublich viel über euch selbst und auch über euch selbst lernt. Hier seid ihr verletzlich und es schmerzt riesig, wenn Freundschaften zerbrechen oder ihr spürt, ihr gehört gar nicht mehr richtig dazu. Hier seid ihr aber auch stark und habt Erlebnisse, die euch glücklich machen. Das sind die kleinen und großen Geschichten, die ihr euch erzählt.

Auch wenn es nicht so läuft, wie ihr es euch wünscht, zieht euch nicht zurück, wagt es weiter Freundschaften einzugehen, euch mitzuteilen, euch auszudrücken, von euch zu erzählen was euch wirklich bewegt. Und wenn es nicht mehr passt, sucht neue Kontakte, bleibt nicht an der Oberfläche, tauscht euch über Wesentliches aus.

Oft begleitet euch unterschwellig die Angst, nicht gemocht zu werden. Wisst ihr, diese Angst hat jede und jeder. Haltet ein wenig aus und ihr werdet merken, dass ihr so wie ihr seid, dazu gehört. Und wenn ihr das Gefühl habt, ihr gehört nicht mehr dazu oder ihr müsst euch so sehr anpassen, dass ihr euch verbiegt und ein schlechtes Gewissen habt, dann ist es Zeit, sich von einer Gruppe oder einer Person zu trennen.

Sich hingeben

Ihr habt von der Erfahrung berichtet, dass ihr euch selbst vergesst, wenn ihr euch einer Aufgabe, einem Menschen oder einem Tier ganz widmet. Dann erfahrt ihr eine Resonanz, die euch spüren lässt, hier bin ich genau richtig. Das ist Glück. Glück hat mit sich selbst geben und sich selbst empfangen zu tun.

Wer teilt, gewinnt. Wer sich mitteilt, gewinnt. Wer etwas von sich gibt, bekommt mehr zurück als er gibt. Lasst euch aber nicht ausnutzen. Das merkt ihr daran, wenn ihr ausgesaugt und ausgelaugt seid.

Christus hat sich uns hingegeben, auf eine Weise, die uns noch heute glücklich macht. Wenn ihr gleich Brot und Wein empfangt, werdet ihr das spüren.

Amen