Predigt über Genesis 13 „Denn wir sind Brüder“, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2023              

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 Am 21. Sonntag n.Tr. 2023

Liebe Gemeinde,

die Geschichte der gütlichen Trennung von Abraham und Lot findet wie von selbst Widerhall in dem gegenwärtig besonders von Gewalt geplagten Landstrich in Palästina und Israel. Es geht um Land, es geht um die Erde, die trägt und nährt, Sicherheit und Freiheit ermöglicht.

Doch bevor wir – vielleicht vorschnell – den Text auf die heutige politische Lage – und das heißt das leidvolle Erleben der Menschen in Israel und der Menschen in den palästinensischen Gebieten – beziehen, lasst uns ein wenig tiefer in die biblische Geschichte von Abraham und Lot und ihr Hoffnungspotential blicken.

Abraham

Abraham ist der Träger der Verheißung Gottes. Gott verheißt ihm ein Land in das er ziehen soll und welches ihm und seinen Nachkommen Zukunft schenkt. Diese Zukunft ist nicht exklusiv, sondern schließt alle Menschen ein: „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“ (Gen 12,3)

Der Aufbruch Abrahams aus Ur in Chaldäa wird mit einem Ziel verbunden, einem Land, das ihm und seinen Nachkommen versprochen ist.

Scheinbar geht Abraham mit dieser Landverheißung leichtfertig um, als er seinen Neffen Lot wählen lässt, wo er mit seinen Hirten und Herden lagern und sesshaft werden will. Oder ist hier schon ein Stück Altersweisheit bei Abraham zu erkennen, dass er nicht meint, er müsste um dieses versprochene Land kämpfen und selbst die Grenzen abstecken? Der HERR wird seine Sache schon führen auch gegen jeden Augenschein. Wenn das nicht Gelassenheit ist!

Lot

Lot jedenfalls lässt sich von seinen Augen leiten, von dem, was er sieht, ein fruchtbares Tal, das Wasser des Jordans, eine goldene Zukunft für Hab und Gut. Doch Lot hat nicht damit gerechnet, dass hinter dem glanzvollen Augenschein eine ganz andere Macht und Wirklichkeit zum Vorschein kommt. Es leben böse Menschen in Sodom, die ihm seine Wahl so richtig versalzen werden. Wer kann schon in Frieden mit bösen Menschen leben? Am Ende bleibt ihm – wie so vielen – nur die Flucht. Und auf der Flucht der Verlust seiner Frau, die zurückschaut und zur Salzsäule erstarrt. (Gen 19,26)

 

Das verheißene Land

Abraham dagegen ist zu bewundern für seine Großzügigkeit. Er, der Ältere, lässt dem Jüngeren den Vortritt und fügt sich seiner Wahl. Vorher hatte er im Gebet den HERRN angerufen. Mag das der entscheidende Unterschied gewesen sein?

Jedenfalls ist es bei näherer Betrachtung auffällig, dass der HERR Abrahams Blick über sein künftiges Weideland schweifen lässt und dieser es anschließend nicht mit Pflöcken und Grenzziehungen absteckt, sondern an besonderen Orten Altäre für den HERRN baut. Das verheißene Land ist hier nicht geografisch konnotiert, sondern an die Wirklichkeit und den Glauben an den HERRN gebunden (Altäre).

Immer wieder betont der biblische Text, dass das Land schon bewohnt war, dass der HERR Abraham zuweist. Das ist in diesem eher noch fluiden Stadium der Sesshaftwerdung und des Glaubens an den einen HERRN überhaupt kein Problem. Für Abraham ist der Glaube an den HERRN gerade Voraussetzung einer friedvollen Koexistenz mit den Mitbewohnern des Landes, ist ihm doch verheißen: „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde.“ (Gen 12,3)

Hoffnungspotential

Wenn wir also auf das Hoffnungspotential dieser Geschichte schauen, können wir festhalten, dass die Verheißung Gottes sich auch gegen den Augenschein durchsetzt und Ziel der Verheißung – auch der Landverheißung an Abraham, später an Israel – das Wohlergehen aller im Blick hat (Segen). Mit einer gewissen Ironie wird das Schicksal von Lot erzählt. Sein alleiniges Setzen auf den Augenschein und auf die menschliche Vernunft wird kritisiert. Wer sich von Macht, Kapital und Sicherheit blenden lässt, erlebt ein böses Erwachen.

Bilder des Schreckens

Wenn wir jetzt die schrecklichen Bilder der Gewalt in den Kriegen der Welt und besonders in letzten Wochen in Israel und Gaza sehen und uns in den Kommentaren der Medien und Politiker, der Kriegstreiber und Kriegsbefürworter, aber auch der Mahner verlieren, fragen wir uns als die, die wir heute Gottesdienst feiern, was können wir denn der Verzweiflung über das Leid und auch der Abstumpfung entgegensetzen? Gibt es nicht Wege aus Unterwerfung, Unterdrückung und der ewigen Spirale der Vergeltung heraus?

Unsere Abrahams-Geschichte enthält nicht die eine Lösung – und wir haben sie alle nicht – gleichzeitig bewahrt sie heilsames Potential des Umgangs miteinander in Konflikten auf, die uns auch heute noch Wegweisung sein können.

Der Glaube an Gott stiftet Frieden

Erinnern wir uns an die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR am Ende der achtziger Jahre im letzten Jahrhundert. Von den Leipziger Friedensgebeten, den Montagsgebeten und Montagsdemonstrationen ging der Ruf aus: Keine Gewalt!

Die friedlichen Demonstrationen waren vom Geist des Friedens beseelt und der Machtapparat wurde dadurch überwunden.

Konfliktpotential erkennen und präventiv Handeln

Abraham nimmt den Konflikt der Hirten um die Wasserquellen wahr. Er macht sich Gedanken, wie der schwelende Konflikt mit seinem Neffen zu lösen ist. Abraham hat die Größe zurück zu treten. Verzichtet auf Macht und Anspruch, er benutzt Gottes Verheißung nicht, um sich einen Vorteil zu verschaffen.

Wir brauchen ein neues Hören auf die Frühwarnsysteme, auf Menschen, die vorausdenken können und Empathie für alle Seiten von Beteiligten an Konflikten und Kriegen haben. Ohne das Hineinversetzen in den anderen, in seine Angst, in sein Sicherheitsbedürfnis, in sein Wertesystem wird es keine Verständigung geben. Es geht um Verstehen, was ein himmelweiter Unterschied ist zu Verständnis haben für z.B. Gewalt. Mir scheint, dass wir die Zeit des Verstehens zugunsten von Durchsetzung von Recht und von Interessen übersprungen haben, einfach ausgeblendet. Das aber führt nicht zur Verständigung, sondern verstärkt das Recht behalten um jeden Preis – doch die Toten können Gott nicht mehr loben.

Denn wir sind Brüder

Diese vier Worte Abrahams an Lot sind der Grund der Verständigung. Ich kann und will dich nicht übervorteilen. Du trägst Sorge um das Leben deiner Familie und um deinen Besitz wie ich auch. Lass uns einen Weg finden, damit die Gräben zwischen uns nicht tiefer werden.

Was hat der Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt gesagt: „Besser hundert Mal verhandeln als einmal schießen.“ Wie konnte der Geist der Diplomatie und der Wille nach einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen im kriegsgeprüften Europa verschwinden? „Wir sind doch Brüder.“ Ein toter russischer Soldat unterscheidet sich nicht von einem toten ukrainischen Soldaten. Wann endlich schwenkt der Westen um und setzt nicht mehr auf Waffen, sondern auf Friedensverhandlungen?

Für Abraham und Lot war die Trennung ein Weg, den Konflikt zu entschärfen. Es gibt Unterschiede. Es gibt Gewalt, die es einzudämmen gilt. Es gibt das Recht auf Selbstverteidigung, doch bleibt die Frage, wie kann der Krieg beendet werden, „denn wir sind Brüder.“

Das gilt auch für Israel, dem erwählten Volk Gottes. Das über Jahrzehnte eingepferchte palästinensische Volk – ohne eigenen Staat – sind doch Schwestern und Brüder. Haben sie nicht auch ein Recht auf eigene Erde?

Fazit

Wenn Religion die Anbetung Gottes hervorhebt, dann immer gleichzeitig auch die Unversehrtheit allen Lebens. Wir können nicht Gott würdigen und achtlos an Schwester und Bruder vorübergehen. Wir sind füreinander und für den Frieden verantwortlich. Das sagt uns die Geschichte von Abraham und Lot.

 

 

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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