Das vorgefasste Urteil über die Zukunft des Islams. Christoph Fleischer, Werl 2011

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Rezension zu: Good Bye Mohammed. Norbert G. Pressburg. Books on Demand, 2. Überarbeitete und erweiterte Auflage, Norderstedt 2011, ISBN 978-3-8391-9601-4

 

Das Verdienst von „Books on Demand“ und anderer ähnlicher Verlage ist, den Autoren eine maximale Unterstützung unter der Voraussetzung minimaler Einmischung zu gewähren. Der Autor kann sein Buch so herausbringen, wie er es will. Es ist dadurch auch nicht nötig, einen Druckkostenzuschuss zu finanzieren oder einen Lektor zu bezahlen. Wer ohne wissenschaftliche Absicherung und eventuell auch gegen den Mainstream ein Buch produzieren möchte, ist hier genau richtig. Der spätere Wechsel in einen anderen Verlag ist nicht ausgeschlossen.

Daher sollte man das Buch „Good Bye Mohammed“ von Norbert G. Pressburg nicht an seinen Irrtümern messen. Denn der Autor ignoriert die aktuelle umfangreiche Koranforschung bzw. referiert nur einen kleinen Teil, der sich in der Wissenschaft nicht durchgesetzt hat. Sein Widerspruch zur islamischen Koranforschung hat sich als nicht produktiv erwiesen, da er wichtige Prämissen ignoriert. Die antiislamische Haltung des Autors ist problematisch. Ausdrücklich grenzt er sich gegenüber der Arbeitsstelle des Corpus Coranicum in Berlin ab, und auch mit Tilman Nagels Buch „Mohammed“ kann er nichts anfangen, da beide im Dialog mit der islamischen Forschung stehen möchten. Die von ihr gefundenen Ergebnisse befinden sich nach Pressburg ausschließlich im Gegensatz und können nicht in einer Linie gesehen werden.

Das bedeutet, dass der Autor so überzeugt von der Linie seiner Erkenntnisse ist, die er meint den Veröffentlichungen von Luxenberg und der Saarbrücker-Schule der deutschen Islamforschung entnommen zu haben, so dass es für ihn keinen Zweifel geben kann: Mohammed, so wie wir ihn aus der islamischen Tradition kennen, hat es so nicht gegeben, wenn überhaupt.

Der Duktus scheint damit von einer ebensolche weltanschaulichen Brille geprägt, wie er dies der islamischen Seite oder anderen westlichen Islamforschern vorwirft. Dennoch ist das Buch gerade deshalb interessant, weil es die Diskussion offenlegt, in der sich die Islamforschung zurzeit befindet. Folgende Fragen sind exemplarisch zu nennen:

–          Wem schon einmal die eigenartige Rede von „Jungfrauen“ im Koran begegnet ist, der wird hier mit einer anderen Lesart bedient, die die Arbeit von Luxenburg referiert. Wie kommt es im Koran zu den aus unserer Sicht heterosexuellen Männerphantasien, die dann noch darin gipfeln, dass im Paradies unberührte Jungfrauen auf sie warten? Wenn der Ursprung des Korans eher im Aramäischen liegt, haben die Koran-Sätze, in denen das Wort „huris“ vorkommt völlig andere Bedeutungen. Es sei hier von Früchten die Rede. Sind die heterosexuellen Männerphantasien des Koran dann die Deutung des Symbols „Früchte“ oder ist noch etwas völlig anderes gemeint?

–          Welche Kraft hat das Argument, dass der arabische Urtext des Koran ursprünglich unvokalisiert überliefert war und demnach mehrere Varianten ermöglichte? Dieses Argument ignoriert die Bedeutung der mündlichen Tradition bzw. setzt deren Fehlerhaftigkeit voraus. Aber in welcher Beziehung stehen schriftliche und mündliche Überlieferung wirklich?

–          Wie kommen die biblischen Bezüge konkret in den Koran, zumal sie sogar manchmal auf christliche Literatur zurückgehen, die gar nicht in den Kanon des Neuen Testaments aufgenommen sind? Wie erklären sich die Parallelen zu jüdischen Midrasch-Überlieferungen oder apokryphen Evangelien?

–          Wird gegen Pressburg angenommen, dass der Felsendom von Anfang an als Moschee gebaut worden ist, zugegeben im byzantinischen Stil, dann sind die arabischen Inschriften im Felsendom als Koranzitate zu lesen. Aus welchem aktuellen Anlass heraus wird dann darin Jesus mit Mohammed sprachlich auf eine Stufe gestellt? War der Ursprungsislam auch eine Art christlicher „Häresie“ mit gleichwohl universellem Wahrheitsanspruch?

–          Da Pressburg sich mit der Saarbrücker Schule auf die nicht-trinitarische christliche Tradition beruft, ist es schon berechtigt, daran zu erinnern, dass es noch mehr gegeben hat als den altkirchlichen Mainstream, der sich später in Ost- und Westkirche aufspaltete.

–          Welche Bedeutung hat die Eschatologie besonders die Vorstellung der Wiederkunft Christi für Christentum und Islam?

–          Wenn, wie gezeigt wird, die Blüte arabischer Wissenschaft relativ unabhängig von religiösen Einflüssen war, ist es berechtigt zu fragen, welche Bedeutung der Islam im Mittelalter hatte.

–          In welchem Zusammenhang stehen Kreuzzug und Djihad zueinander, besonders unter Beachtung der Geschichte der iberischen Halbinsel?

–          Ist das Erfolgsrezept „Säkularisierung“ nur gegen den Islam möglich, oder ist nicht eine Weiterentwicklung denkbar, wofür die Geschichte der Türkei und mancher Emirate zu sprechen scheint.

Fakt ist allerdings, dass sich solche Bücher, die von einer einlinigen Interessenlage ausgehen, auch gut gegen ihre eigene Intention lesen lassen. Hier ist Folgendes zu konstatieren. Es ist dringend eine Antwort auf die Frage fällig, wie eine globale und interreligiöse Geschichtswissenschaft oder Religionswissenschaft aussehen kann, die sich von der Dominanzidee der eigenen Religion oder Weltanschauung löst. Wer beispielsweise das Buch „Die Geschichte der Christenheit“ von Kurt Aland in die Hand nimmt, wird feststellen, dass hier unter Christentum eine ziemlich westliche, um nicht zu sagen, germanische Veranstaltung verstanden wird, was ja so nicht sein kann, da das Christentum über die gesamte antike Welt verbreitet war. Was spricht für die These, dass Islam und Christentum relativ friedlich miteinander koexistierten, bis zu den Kreuzzügen im 11. Jahrhundert die Vorstellung vom Heiligen Krieg entstand, auf die der Islam mit der Idee der militanten Djihad antwortete (so argumentiert z.B. Bassam Tibi in seinem Buch: Kreuzzug und Djihad)? Die Hauptintention des Buches von Norbert G. Pressburg wäre sozusagen eine nachträglich christlich-ideologische Domestizierung des vorderasiatisch-arabischen Raums, anstelle zu fragen, warum das Christentum zumindest in den ersten drei Jahrhunderten seines Bestehens keine imperialistische Idee entwickelt hat, ja sogar in seinen Ursprüngen rein pazifistisch ausgelegt war.

Es ist also durchaus einmal berechtigt, nur eine bestimmte Richtung der Islamforschung zu verfolgen und zu vereinfachen, um damit zu zeigen, wie weit es führt, so zu argumentieren. Dass man ein solches Buch dann aber auch noch antiislamisch instrumentalisiert, um die Vorstellung zu verbreiten, Mohammed habe es historisch so nicht gegeben, hat gezeigt, dass die religiöse Argumentation immer in der Gefahr steht, ideologisch missbraucht zu werden. Ein Urteil über die Zukunft des Islams steht dem Autor nicht an.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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