Predigt über 1. Korinther 13, Christoph Fleischer, Meschede 2004

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[1] Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. [2] Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. [3] Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen[A] und hätte die Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze. [4] Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, [5] sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, [6] sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; [7] sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. [8] Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. [9] Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. [10] Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. [11] Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. [12] Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. [13] Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Liebe Gemeinde,

wie in kaum einem anderen Jahr ist mir in diesem Winter der Valentinstag aufgefallen, Samstag vor einer Woche, der 14. Februar, Fest der Verliebten. In den Geschäften gab es alles Mögliche zu kaufen, das für diesen Tag nützlich schien, Blumen mit einem Herzgesteck, Herzservietten, Herzkerzen, Herzschmuck. Für den Satz, „ich liebe Dich“ ist wohl das Herz ein symbolischer Ausdruck. Das hat wahrscheinlich mit dem römischen Gott Amor zu tun, dessen Tun man mit einem Herzen bezeichnet, dass von einem Pfeil getroffen ist. Liebe und Herz, das gehört zusammen. Das Herz ist der Sitz des Gefühls, und Liebe doch wohl zuerst ein Gefühl, eine Gewissheit der Verbundenheit, der gegenseitigen Anziehung und des festen Willens, alles Zeit miteinander zu verbringen. Aber auch Schmerzen gehören zur Liebe, die Tränen beim Abschied etwa. Streit und Unfriede ist das Gegenteil von Liebe, womit natürlich nicht Neckereien oder Scherzstreitigkeiten gemeint sind. Aus den Worten des Paulus haben wir gar nicht soviel darüber gehört, was die Liebe ist, sondern nur sehr viel darüber, was mit der Liebe nichts zu tun hat. Es geht bei ihm auch nicht um Verliebte, sondern um des menschliche Miteinander, das allgemeine Verhältnis der Christinnen und der Christen zueinander. Nichts geht ohne die Liebe richtig gut, so sagt er zu Beginn an drei für die damaligen Christen sehr aktuellen Beispielen:

Wer meint alle Menschen zu verstehen und zu ihnen in verschiedenen Sprachen sprechen kann, muss dennoch die Liebe haben, um sie zu überzeugen. Das Reden ohne Liebe bezeichnet er als Blech oder als Schlagzeug. Wer einen prophetischen Glauben hat, mit der über die sichtbare Zukunft hinaussehen kann, braucht doch die Liebe um sich bei den Menschen verständlich zu machen. Wer alles gibt, was er hat, und sogar zu Opfertaten bereit ist, um ein Held des Glaubens zu werden, und tut dies ohne Liebe, hätte mit all dem nichts gewonnen.

Diese Beispiele ließen sich natürlich ausweiten auf die vielen Gaben, die Menschen haben, und die sich im Sinn des Glaubens auch für die Gemeinde einsetzen, für die Musik, die Leitung der Gemeinde, den Küsterdienst, die Jugendarbeit und vieles mehr. Kirche ohne Liebe ist eine Kirche ohne Herz. Und eine Kirche ohne Herz kann nicht die Kirche Jesu sein.

Was ist denn nun die Liebe? Was ist das Herz im Leben der Christen, ja im Leben überhaupt? Wer sich von Ihnen und Euch schon etwas besser in der Bibel auskennt, hat vielleicht schon einmal gehört, dass die griechische Sprache, die Ursprache des Neuen Testaments drei verschiedene Worte für Liebe kennt, die verschiedenes betonen. Ich nenne die Worte, weil sie zum Teil in der deutschen Sprache vorkommen:

Philia – Freundschaft (Ein Philo – soph ist ein Freund der Weisheit)
Eros – (Erotik) Liebe zwischen Partnern, auch Sexualität und Beziehung meinend
Agape – aufopfernde Liebe zu anderen Menschen, Nächstenliebe.

Diese dreifache Unterscheidung hat die Auslegung über Jahrhunderte bestimmt und damit die erotische Liebe aus der Kirche ausgegrenzt. Sie hat allenfalls etwas mit der Hochzeit zu tun, ansonsten wurde davon geschwiegen.
Paulus schreibt ja hier ausschließlich Agape. Doch ich hörte neulich, dass die Auffassung völlig überholt ist, die die griechischen Worte für Liebe völlig voneinander trennt. Die grundsätzliche Unterscheidung der drei griechischen Begriffe war zur Zeit Jesu überhaupt nicht mehr bekannt, so hieß es. Das Wort Agape taucht deshalb in der Bibel oft auf, weil es der aramäischen Spräche ähnlich ist, es meint aber immer auch Eros und Philia, Liebe und Freundschaft.
In Abwandlung einer Fernsehsendung könnte Paulus also seine Zuhörer mit „liebe Liebenden“ anreden. In der christlichen Kirche ist die Liebe in jeder Hinsicht die Hauptsache. Das was Paulus über die Liebe sagt ist nicht zu verstehen, wenn nicht hier mitgedacht wird, was die Liebe zwischen liebenden Partnern bedeutet:

4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie [a) Phil 2,4] sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; [a) Röm 12,9] 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. [a) Spr 10,12; Mt 18,21-22; Röm 15,1] 8 Die Liebe hört niemals auf.
Entweder sind diese Sätze völlig überzogene und übertriebene Forderungen, oder sie sagen: Das was fast unmöglich zu sein scheint, ist zwischen Liebenden Realität. Der Höhepunkt ist das vierfache „alles“: Die Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles und duldet alles. Und dazu muss unbedingt gesagt werden: Die Liebe tut dies nicht weil sie muss, sondern weil sie will. Indem Menschen lieben vertrauen sie einander unbedingt, sie glauben, hoffen, dulden und ertragen alles. Kennen Sie, kennt ihr Ehepaare oder Freundschaftspaare die das vierfache alles nicht mehr beherrschen? Ich glaube wir kennen alle solche Paare. Man sollte es ihnen nicht übel nehmen, dass die Liebe bei ihnen unter die Räder gekommen ist. Aber es ist traurig und vielleicht können wir auch als Kirche für mehr Herz in unserer Gesellschaft sorgen.

Damit sind im Grund auch schon die Aussagen erklärt, in denen Paulus sagt, was sich mit der Liebe nicht verträgt: Eifersucht und Neid, Leichtsinn, Übertreibung und Eigenlob, Ungeduld, Hartherzigkeit, Unwahrheit und Lüge. Wenn man diese Aussagen des Paulus in die entsprechenden Substantive umformt, erkennt doch jeder sofort, dass Paulus tatsächlich von der Partnerbeziehung redet.

Nur seine Aussagen zielen nicht auf die Ehe oder die Partnerliebe, sondern auf den allgemeinen Umgang miteinander. Die christliche Gemeinde ist ein Bereich, der die Erfahrungen der Liebe, wie man sie von liebenden Menschen kennt, in Jesu Namen auf alle überträgt. Die Kirche Jesu ist eine Gemeinschaft mit Herz. Und wo sie das nicht ist, wo also keine Liebe in der Kirche ist, da ist sie vielleicht eine Kirche, aber nicht die Kirche Jesu Christi.
Schon Jesu hat das Doppelgebot der Liebe aufgegriffen und als die höchste Bestimmung des Glaubens dargestellt: Lk 10,27 Er antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst« (5. Mose 6,5; 3. Mose 19,18). Jesus hat doch selbst nichts anderes getan, als die Liebe in die Tat umzusetzen. Immer wieder wird gesagt, wie er denen Menschen Heil und Hoffnung gegeben hat, die selbst völlig am Ende waren, den Blinden, Lahmen, Armen und den Aussätzigen. Den Geisteskranken hat er ihre bösen Geister ausgetrieben, so dass sie frei wurden. Im Jüngerkreis teilte er das Brot mit den Freundinnen und Freunden und lud auch die Zöllner und andere Menschen, die als Sünder galten dazu ein. Als er zum Schluss in Jerusalem einzog und den Tempel von den Händlern reinigte, blieb der romfreundlichen Obrigkeit keine Wahl. Sie ließen ihn wegen Gotteslästerung hinrichten. Auch Jesu Tod am Kreuz als das Ende des Weges seiner Liebe kann so als Liebe verstanden werden. Ja man sagt sogar: Dieser Tod Jesu zeigte die Vaterliebe Gottes zu uns. Aber nicht, weil er einen Menschen für uns opferte, sondern weil Gott den Weg Jesu mitging und weil er an seiner Seite war und blieb. Er hat ihn nicht im Tod gelassen. Denn Jesus lebt unter uns in seinen Zeichen und Worten der Liebe weiter. Liebende Menschen können gar nicht richtig sterben, denn in ihrer Liebe sind sie auferstanden.

Daher hat man vorgeschlagen, dass wir in diesem Text an die Stelle des Wortes Liebe auch Jesu Namen oder in letzter Konsequenz unsere eigenen Namen einsetzen können. Wir können uns als Geliebte fühlen und uns zu den anderen Menschen als Liebende verhalten. Das nimmt der Liebe unter Partnern nichts von ihrer Besonderheit. Für Paulus sind die Liebenden ja gerade das Vorbild für die christliche Gemeine in Korinth. Ohne die Liebe wird die Kirche im Streit versinken, als im Geist der Liebe ist Jesus gegenwärtig und so wird die Kirche bleiben. Was bleibt, stiften die Liebenden, schrieb Jörg Zink einmal über ein Buch. Und so sagt Paulus in letzter Konsequenz auch gegen jede Kirchenleitung und Theologie: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen. Ich möchte ihnen nun noch einmal Gelegenheit geben, den Gedanken des Textes nachzusinnen, indem ich ihnen die Sätze vorlese, die ich selbst dazu gefunden habe:

1. Wär meine Rede voller Macht,
im Sinn der Menschen und der Engel,
doch ohne Liebe dargebracht,
wär ich doch nur ein schlechter Bengel.

Spräche ich von Gottes Botschaft,
und kündete euch Gottes Willen,
und hätte nicht der Liebe Kraft,
ich besser tät die Red im Stillen.

Zeigte ich ein gutes Beispiel,
ein Leben voller Opfergüte,
hätt aber selbst der Lieb nicht viel,
das wär ´ne vorgespielte Blüte.

2. Die Liebe nimmt sich Zeit mit allen,
vergibt, und dabei nicht vermessen,
sucht sie nicht Streit, sucht nicht zu prahlen.
Die Worte bleiben angemessen.

Die Liebe lässt`s dabei im Rahmen,
versucht auch manchmal zu verzichten,
sie lässt die Wut zuerst erlahmen,
und sie verzichtet ganz aufs Richten.

Die Liebe meidet böse Taten,
und freut sich über wahre Worte.
In allem lässt sie Gott das Raten,
vertraut und glaubt an jedem Orte.

Sie sieht im Dunkeln auch das Helle,
Ist stark im festen Widerstehen.
Die Lieb ist immer auf der Stelle,
denn kluges Reden wird vergehen.

3. Als Mensch kann ich nicht viel erkennen,
Zu Schnell fliegt diese Zeit vorbei.
Nur Gott kann uns Geliebte nennen,
Vollendung kommt durch ihn herbei.

Es ist wie Kinder noch erkennen,
die nicht erwachsen worden sind.
Bei Gott jedoch da seh ich brennen
Lieb. Er ist der Vater, ich das Kind.

Es bleibt nur Glaube, Hoffnung, Liebe,
Keins ohne jedes andre geht.
Zuerst und wichtig ist die Liebe,
sie gibt den Sinn, der mich versteht.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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