Zu: Dr. med. Eben Alexander, Blick in die Ewigkeit, Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen, Aus dem Englischen übersetzt von Juliane Molitor, Ansata Verlag München 2013, ISBN 978-3-7787-7477-9, Preis 19,99 Euro
Fest steht, dass dieses Buch auf viele Leserinnen und Leser eine Faszination ausübt. Der Bericht von Eben Alexander über die Erfahrungen mit seinem einwöchigen Koma ist eingebettet in eine anschauliche Schilderung der familiären und beruflichen Situation. Der versierte Arzt und Wissenschaftler arbeitete lange Zeit in Harvard (Boston, USA). Seit 2006 lebt die Familie in Virginia. Die neue Arbeitsstelle erreicht Eben Alexander erst nach siebzig Minuten Autofahrt, wodurch er täglich um 4.30 Uhr aufstehen muss. An dem Tag, an dem sich eine sehr schwere Meningitis bemerkbar macht, wird er ins Krankenhaus seines Wohnorts gebracht und fällt unmittelbar ins Koma; auf der Intensivstation muss er künstlich beatmet werden. Ob er sich den Keim bei einer Studienfahrt nach Israel eingefangen hat, auf der er einer ähnlichen Erkrankung eines Antibiotika-resistenten Keims auf der Spur war, lässt sich zunächst nicht klären. Er weiß, dass bei einem entsprechenden Krankheitsverlauf, wie er ihn erlebt, die Krankheit zu über 90% tödlich verläuft, da das Gehirn quasi abschaltet und der Hirntod unweigerlich folgt. Doch dem medizinischen Personal und der begleitenden Familie gelingt das Wunder: Der erkrankte Arzt fällt zwar ins Koma, bleibt aber am Leben. An diese Zeit hat er keine bewussten, lediglich „vage“ Erinnerungen, die er jedoch in der Rückschau als Nahtoderfahrung beschreibt. Was daran Phantasie bzw. Rekonstruktion und was Erlebtes ist, bleibt also im Prinzip offen. Dennoch sind die Grundfakten einer Nahtodschilderung durchaus interessant. Es ist das subjektive Erleben, das zwischen Leben und Tod geschieht. Auch dieses Buch ist kein Beweis für das Leben nach dem Tod, da der Autor diese Krankheit überlebt hat. Es ist ein Bericht aus dem Koma und dieser ist insofern bemerkenswert, als er von einem Fachmann in Eigenanalyse gedeutet und gewertet wird. Man lese dazu auch den neurowissenschaftlichen Anhang. Hier werden unterschiedliche hirnphysiologische Vorgänge der vorliegenden Krankheit beschrieben, und doch kann dieses Wissen keine Erklärung für die erlebte Nahtoderfahrung liefern. Im Prinzip ist schon die Tatsache, diese Krankheit einigermaßen unbeschadet überlebt zu haben, ein Wunder und Grund, Gott zu danken. Aus dem Dank geht auch hervor, dass es die Grundeinstellung ist, die den entsprechenden Blick auf die Erfahrung ermöglicht. Der Autor bezeichnet sich darin als Mystiker, was nichts anderes heißt als anzunehmen, dass die konkrete Lebenserfahrung eine Erfahrung der Mitteilung Gottes ist. Um diese Erkenntnis zu bejahen, muss man nicht über die Schwelle des Todes gegangen sein. Die Botschaft dieser Erkenntnis, die dem Arzt hier im Verlauf seiner Nahtoderfahrung zuteil wird: „Du wirst für immer zutiefst geliebt und geschätzt. Du hast nichts zu befürchten. Du kannst nichts falsch machen.“ (S.104). Es gibt in diesem Buch gerade gegen Ende viele religiöse Aspekte. Auch die Frage des Sterbens wird behandelt, wobei es um manchmal recht „erstaunliche“ Ereignisse geht. Schwierig ist es, all dies zu objektivieren. Die Lektüre macht aus unserer Perspektive bewusst, dass in der amerikanischen Gesellschaft Esoterik und Religion nicht streng getrennt werden. Man erlebt, wie ein naturwissenschaftlich orientierter Arzt seine naturalistische Perspektive in eine ganzheitliche ändert. Doch da sein Leben bislang von Wissenschaft geprägt war, ist er nun auch erneut bestrebt, die neue Erkenntnis in begreifbare Erkenntnisse zu bringen. Es wäre allerdings schade, wenn ein solches Bemühen wiederum in die Metaphysik führte, die das, was Menschen nur glauben und subjektiv erfahren können, in eine neue Form des Wissens verwandelt.
Das Buch durfte ich bereits lesen und es hat mir ausgesprochen gut gefallen. Vor Allem die Art, mit welcher das Erlebnis und die anschließende Transformation erzählt wird, finde ich super und auch für Laien leicht verständlich.
Es gibt für mich zwei Ebenen, auf die es ankommt. Die eine Ebene nenne ich mal die Erzählung und die andere Ebene das Ereignis. In der Realität ist beides vermischt, und die Erzählung ist das dominierende. Ereignisse wollen bezeugt sein. Und die Leute, die das erleben, können nicht anders, als in der Gestalt von Erzählung berichten. In der Bibel wird darum bei der Wiedergabe der Erzählung immer die Glaubwürdigkeit der Zeugen betont, um die Möglichkeit des Ereignisses nicht auszuschließen.
Das ist doch auch bei der Nahtoderfahrung nicht anders. Letztlich müssen wir als Leser dem Autor glauben. Dafür wird hier schon im Titel der medizinische Doktor betont. Trotzdem ist, was uns bleibt eine Erzählung, die ein Ereignis in Worte fasst, das man eigentlich gar nicht in Worten beschreiben kann. Meinetwegen kann auch jemand mit toten oder komatösen Menschen sprechen, wenn er oder sie dabei sagt, dass dass alles in seinen Gedanken geschieht. Ich bin nicht dafür, hier eine zweite Realität oder Wirklichkeit zu konstatieren, die ich dann Gott nenne. Dann wird Gott ein Platz außerhalb meines Alltags zugewiesen, in der unmöglichen Sphäre. In der Mystik ist Gott einfach in Allem, im Lebendigen. Das heißt ja faktisch, wenn Beten heißt in der Nennung Gottes an andere zu denken, eine Verbindung herzustellen, in Gott, unter Anrufung Gottes. Da ist es doch ganz richtig, dass wir theologisch sagen, dass wir Gott nicht beschreiben können. Wir können auch nicht sagen, was er oder sie genau bewirkt. Deshalb hat es Religion immer zugleich mit mir, dem Individuum und dem Ganzen zu tun. Was geschieht, ist für den oder die Einzelnen sicherlich manchmal erstaunlich, weil es über die jeweilige Vorstellungsmöglichkeit hinausgeht.