Glaube oder Steuer? Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2015

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Zu: Jochen Teuffel: Rettet die Kirche, Schafft die Kirchensteuer ab, fontis – Brunnen, Basel 2014, ISBN 978-3-03848-011-2, 144 Seiten, gebunden, 12,99 Euro

Rettet-die-Kirche.-Schafft-die-Kirchensteuer-ab.-Jochen-Teuffel-204011Jochen Teuffel ist ein promovierter Theologe und Pfarrer der bayerischen Landeskirche, heute Gemeindepfarrer im Kirchenkreis Augsburg, der eine Zeit lang am „Lutheran Theological Seminary“ in Hongkong als Dozent gearbeitet hat. Der dortigen Gemeinde (Praise Lutheran Church, Mongkok Road, Hongkong) ist das Buch gewidmet, da es eine der vielen lutherischen Kirchen in der Welt ist, die auch ohne Kirchensteuer leben.

Seine Thesen zu Beginn und weite Strecken des Buches vor allem im ersten Teil sind davon bestimmt, dass die Kirche von den Worten der Bibel und der Bekenntnisse bis hin zur Barmer Theologischen Erklärung von 1934 geprägt ist und nicht von staatskirchenrechtlichen Vorgaben. Am deutlichsten wird es vielleicht in These 3: „Kirche lebt nicht von Abgaben der Gläubigen, sondern allein durch die Selbsthingabe Jesu, die wir im Abendmahl empfangen.“ (S. 8).

So plausibel sich das zuerst anhört, so problematisch ist es auch. Die volkskirchlichen Strukturen stehen sicherlich nicht automatisch im Gegensatz zur biblischen Botschaft. Die durch die Kirchensteuer entstandene Schieflage liegt eher auf der praktischen Ebene als in der Bekenntnisfrage. Es bleibt ja jedem offen, sich einer (lutherischen) Freikirche anzuschließen. Der Ausdruck „Zwangsabgabe“ (S. 24), den Jochen Teuffel für die Kirchensteuer wählt, ist in einer multireligiösen und multikonfessionellen Situation nicht unbedingt passend, wohl nur im engeren Sinn für die Kirchenmitglieder, sofern sie steuerpflichtig sind.

Im zweiten Teil des Buches werden immerhin Fragen erörtert, die mehr von der Bekenntnisorientierung bis hinein ins Kirchenrecht abweichen und auf die Auswirkung des Kirchensteuersystems in den Kirchenstrukturen eingehen. Eine Grundposition des ersten Teils sollte man allerdings festhalten: Wer aus der Kirche austritt, verliert die Taufe nicht. Das kann man ja schon daran erkennen, dass bei einem Wiedereintritt keine Neutaufe erforderlich ist. Damit bleibt jedem Ausgetretenen die Möglichkeit, sich als getauften Christen zu verstehen, was, wie ich aus der Praxis der Seelsorge bestätigen kann, durchaus nicht selten der Fall ist (der Rez.).

Teuffel schreibt dazu: „Keine kirchliche Lebensordnung kann getauften Christen ein sakramentales Recht entziehen, nur weil sie auf dem Standesamt einen staatlichen Rechtsakt vollzogen haben, der im sakramentalen Gliedschaftsrecht der Kirche Jesu Christi gar nicht vorgesehen ist.“ (S. 80)

Die historischen Verhältnisse einer weitgehend christlich geprägten Gesellschaft, aufgeteilt in unterschiedliche Konfessionen nach dem Prinzip „cuius regio eius religio“ (wie das Land so die Religion) gibt es heute so nicht mehr und ist einer multireligiösen Struktur gewichen. Viel zu kurz kommen in dem Buch die eher pragmatischen Probleme, da die Kirchensteuer in der heutigen Gesellschaft wie ein Abo für religiöse Dienstleistungen wirkt, das man Belieben an- oder abmelden kann.

Theologisch interessant ist da schon eher der Verweis auf die reformatorische Alternative zwischen Glaube und Leistung. Die Geldleistung ersetzt den Glauben. Das Kirchensteuersystem widerspricht laut Teuffel dem reformatorischen Ansatz des „allein aus Glauben“ (Vgl. S. 86f.). So fragt der Alterspräsident der bayerischen Synode, ob schon innerhalb der verfassten Landeskirche nicht inzwischen das Geld anstelle von Gott zur „alles bestimmenden Wirklichkeit“ geworden ist (Vgl. S. 99). Da die Kirchenstruktur sich stark in diese Richtung entwickelt, sieht auch der Autor nicht die Möglichkeit, von heute auf morgen aus dem System auszusteigen. Er stellt eine Übergangszeit von mehreren Jahrzehnten in Aussicht. Interessant ist in dieser Hinsicht der Hinweis auf die Reform der Finanzverwaltung in einigen Landeskirchen wie auch der westfälischen, wo man bemüht ist, die Kosten dort darzustellen, wo sie real entstehen. Dadurch wird den Gemeinden schon heute die Suche nach einem zweiten Standbein abgefordert, das zuletzt die Kirchensteuer ersetzen könnte. Der „Weg einer kirchensteuerunabhängigen Selbstfinanzierung“ ist damit schon einen Schritt weit eröffnet.

Die Lektüre dieses Buches ist allen zu empfehlen, die in der Kirche etwas mit Geld zu tun haben, von den Gemeinden bis zur Kirchenleitung. Das Thema „Reformation und Kirchensteuer“ steht als Elefant im Raum.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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