Zu: Frank Behrendt: Liebe dein Leben und nicht deinen Job, 10 Ratschläge für eine entspannte Haltung, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2016, gebunden, 222 Seiten, ISBN: 978-3-579-08646-0, Preis: 17,99 Euro
Diese Rezension gehört zu meiner Nachlese des Besuchs der Frankfurter Buchmesse im Herbst 2016. Dort begegnete ich am gemeinsamen Stand der Bertelsmann-Verlage dem Autor des Buches an einem Sonntagvormittag. Er war gekommen, um seine Bücher zu signieren, die dort am Stand verkauft wurden. Es war ja ein Publikumstag. Er genoss offensichtlich die kurzen Gespräche mit seinen Leserinnen und Lesern. Wir haben auch einige Worte gewechselt. Herr Behrendt ist Selbständiger und Unternehmer und macht täglich pünktlich um 18 Uhr Feierabend und reserviert sich genügend Zeit für Familie und Freizeitaktivitäten. Der Job, der Beruf ist nicht die Hauptsache, der Mittelpunkt des Lebens, sondern eher eine spannende Nebensache, die dazu da ist, um Geld zu verdienen. Das oftmals verurteilte „Jobdenken“ wird neu betrachtet und als Lösung aller Burnout-Probleme gesehen. Im breiten Strom der Work-Life-Balance-Literatur wird dieses Buch sich behaupten müssen. Trotzdem ist dieser konkrete Blick notwendig, da sich die Umstände der Berufsarbeit unter den Bedingungen des Digitalen noch einmal anders darstellen als früher.
Die Art von Arbeitsverständnis, wie es Frank Behrendt vorträgt, ist eindeutig vom Ziel der Burnout-Vermeidung her bestimmt: Man stelle das Privatleben über den Beruf. Sehr deutlich wird das im zweiten Kapitel: „Ausbildung zum Freiraumgestalter“: „Schaff dir Atempausen während des Arbeitstags. Audiobook im Auto hören statt herumzutelefonieren, im Flieger Bestseller auf dem Kindle lesen statt die letzte Sales-Statistik.“ (S. 33).
Wer dieses Kapitel liest, merkt, dass es tatsächlich hier nicht allein um den pünktlichen Feierabend geht, sondern um das Zeitverständnis überhaupt. Um die regelmäßigen Kurzpausen sollten wir die Raucherinnen und Raucher beneiden, so denke ich beim Lesen. Und anstelle Tabakrauch einzuatmen, hin und wieder mal für drei Minuten an die frische Luft gehen, auf dem Flur kurz mit Kollegen plaudern oder am Arbeitsplatz Sitzgymnastik machen. Begründung: Diese Unterbrechungen müssen alle für sich selbst organisieren, weil der regelmäßige Gang zum Kopierer und das Kurzgespräch in der Wartezeit in der Zeit des digitalen Büros genauso entfallen ist wie andere Abwechslungen im Büroalltag. Das Überstundenverbot im Büro von Frank Behrendt ist also keinesfalls alles. Auch der Chef der PR-Agentur sieht es selbst für sich so, wie man auch mit einem Blick auf seinen Twitter-Account sehen kann.
An allen vierundzwanzig Stunden des Tages hat das Leben absolute Priorität. Auf seinem Schreibtisch steht ein Playmobil-Kanu mit einem Trapper. Das erinnert ihn an eine Begegnung in Kanada während eines Angelurlaubs. Er hat dort „Mike aus Brighton“ (S. 219) kennengelernt: „Wenn er Geld braucht, jobbt er an einem Imbiss, an einer Tankstelle oder in einem Lager, freundlich und kompetent, bis es wieder für eine Weile reicht. … Er ist einfach nur Mike. ‚Life is great’, sagt er, und seine blitzenden Augen zeigen uns, wie tief empfunden dieser Satz für ihn ist.“ (S. 219). Gemeint ist nicht, dass Frank Behrendt mit diesem Mike tauschen will. Gemeint ist, dass er sich mit jedem Blick auf das Kanu auf seinem Schreibtisch daran erinnern will: „Life is great.“ (S. 220). Und dass es so auch bleiben soll.