Nägel vom Kreuz, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017

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Zu: Stephen Cottrell: Jesu Tod – Was habe ich damit zu tun? Ein Lese – und Praxisbuch für die Karwoche, Aus dem Englischen von Christiane Vorländer, Neukirchener Verlagsgesellschaft, Neukirchen – Vluyn 2017, gebunden, 94 Seiten, ISBN: 978-3-7615-6389-2. Preis: 12,99 Euro

Der Autor dieses Büchleins ist anglikanischer Bischof nahe London. Im Vorwort schreibt er, dass er schon vor 30 Jahren als Pfarrer im Entsendungsdienst freie Andachten für den Karfreitag durchgeführt hat, wobei das Hauptmedium der Meditation Nägel sind. Um das Kreuzesgeschehen als Geschenk der Vergebung zu verstehen, muss jeder und jede damit anfangen, die eigenen „Nägel“ zu betrachten und zuletzt abzulegen.

Um die eigene Rolle bedenken zu können, sollen bei den Andachten eine oder mehrere der folgenden Personen der Kreuzigungsgeschichte zur Sprache kommen, gesprochen von Menschen aus der Gemeinde: Petrus, Der römische Hauptmann, Pontius Pilatus, Kajaphas, Judas, Maria Magdalena. Diese Texte sind alternativ für die Andacht am Karfreitag Nachmittag vorgesehen. Für die direkt Abendandacht folgt der Text der „Frau des Pilatus“. Das Buch endet die Nagelmeditation mit dem Text: „Jesus vergibt mir. Lasse ich das zu?“

Zunächst wird mir beim Lesen der Texte bewusst, dass hier versucht wird einen Kompromiss zwischen der eigenen Verflechtung in die Passion Jesu und die Gegenwart heute zu finden. So frage ich mich beim Text von „Kajaphas“, ob dieser wirklich ganz ohne antijüdische Klischees auskommt, die bei der Passion in den Evangelien oft naheliegen. Die Perspektive gelingt allerdings dadurch, dass die Schuldfrage nicht moralisch gestellt wird, sondern nur nach der Ursache gefragt wird, die in der Verflechtung Kajaphas mit den Gewaltaspekten der Politik liegen .

Allerdings liegt dann die Gefahr nahe, die Passion Jesu zu ent-historisieren.

Als Beispiel für die Argumentation sei eine Stelle aus dem 8. Kapitel „Jesus vergibt mir. Lasse ich das zu?: Wie die meisten Jünger sind wir geflohen, als es schwierig wurde. Wir sind eingeschlafen bei unserer Aufgabe. Unsere Fantasie hat uns im Stich gelassen; unser Mut hat sich verflüchtigt.“ (S. 84)

Darauf folgt eine Aufzählung ähnlicher Feststellungen. Das Fazit lautet: „Denn um zu siegen, braucht das Böse nichts weiter als gute Menschen, die nichts tun. Und vielleicht liegt darin der größte Schrecken: Jesus wurde nicht von bösen Menschen getötet.“ (S. 85) Diese Weichenstellung ist nötig, um die Verallgemeinerung der Nägel-Hypothese durchführen zu können.

Zum Schluss sind die Leserinnen und Leser und erst recht auch die Besucherinnen und Besucher der Karfreitagsandachten dieses Buches aufgefordert, das Gesicht des Lebens und die Vergebung Gottes anzunehmen. Hier endet die Differenzierung und das Buch bringt die Kreuzigung Jesu auf die klare Position, dass sie Gottes Geschenk der Vergebung ist.

Das Mitleid mit den stellvertretenden Leiden wird hingegen schon unter den Voraussetzungen als Teil der Schuldgefühle angeführt. Die Verkündigung der Vergebung im Kreuz weist sozusagen im Rückspiegel auf das Geschenk des Lebens hin. Es ist sinnvoll und notwendig, daran am Karfreitag zu erinnern. Es gibt kein Leben ohne Verletzungen, und damit auch die Notwendigkeit, an die Heilung der Verletzungen zu glauben.

Nur die sozialgeschichtlichen Voraussetzungen der Gewalt werden so zu stark individualisiert. Jesus ist als Sohn Gottes gestorben, aber auch als Märtyrer. Die Passion sollte in ihrer Verflechtung in verschiedene Wirkungsebenen nicht zu stark auf einen Nenner gebracht werden.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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