Schriften aus frühchristlicher Zeit, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2018

Zu:

Uwe-Karsten Plisch: Was nicht in der Bibel steht, Apokryphe Schriften des frühen Christentums, Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart, 2. erweiterte Auflage, Stuttgart 2018, Hardcover, 16 Abbildungen (sw.), 212 Seiten, ISBN: 978-3-438-05148-6, Preis: 18,00 Preis

Der Autor dieses Bandes Uwe-Karsten Plisch ist promovierter Theologe und arbeitet als Referent beim Bundesverband der Evangelischen Studierendengemeinden in Hannover. Er hat nicht nur bereits 2006 die erste Auflage dieser Schrift herausgegeben, sondern auch die Funde von Nag Hammadi (Ägypten, 1945) und das Thomasevangelium ausführlich kommentiert und eine Einführung in die koptische Sprache herausgegeben. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

Es ist für die Lektüre der Bibel insgesamt wertvoll und nötig, die dort nicht aufgeführten Schriften im Umfeld des Judentums und des Christentums zur Zeit des Urchristentums und der frühen Kirche wahrzunehmen. Auch wenn im Vorwort angekündigt wird, dass die neuere Auflage einige bisher unbekannte judenchristliche Schriften enthält, wird dies im Ablauf der Buches nicht recht deutlich. Das Buch ist nach Gattungen gegliedert, nicht in der Reihenfolge der Entstehungszeit. 

Vielleicht ist genau diese Zuordnung noch nicht immer gleich gut möglich und so wissenschaftlich nicht begründbar. Die hier veröffentlichten Texte sind aus den historischen Quellen des frühen Christentums zwar der Existenz nach bekannt, weil sie in den Texten der Kirchenväter und anderer Autoren zitiert werden, aber in einer Textgestalt bislang unauffindbar. Manches spricht dafür, dass sie eben nicht allgemein, sondern schlicht nur regional verbreitet waren, da sie nun auch nur in einer syrischen, arabischen oder koptischen Übersetzung des Originaltextes vorliegen. In der hier vorgelegten Auswahl werden Texte ins Deutsche übersetzt, die zwischen Ende des 19. Jahrhundert bis heute überwiegend in Ägypten gefunden worden sind, vor allem aus dem bereits genannten Nag Hammadi.

Die hier aufgeführte Didache (Lehre der zwölf Apostel) war aus der altkirchlichen Literatur lange bekannt, wurde aber erst am Ende des 19. Jahrhunderts in Textform gefunden. Hier wäre m. E. in der Einleitung eine Information über die Rolle der judenchristlichen Gemeinden in der Alten Kirche möglich gewesen, da die die Didache zwar alle wesentlichen Bestandteile der christlichen Gottesdienste kennt, aber doch z. T. gravierend abweicht. Obwohl vom Reich Gottes und der Kraft durch Jesus Christus die Rede ist, z. B. im Bezug auf das Vater Unser, fehlt in der Beschreibung jeder Bezug auf die Passion und die Kreuzigung Jesu. Die aus der Bibel bekannten Einsetzungsworte fehlen ganz und werden durch Segnungen ersetzt, die aus der jüdischen Liturgie bekannt sind. 

Sind andere Schriften dagegen nur regional verbreitet und nicht allgemein bekannt, so ist es verständlich, dass sie heute nur in Übersetzungsgestalt vorliegen, obwohl auch deren Existenz durch frühkirchliche Zitate belegbar ist. Dies gilt z. B. für den jüngsten Schriftfund dieser Ausgabe, dem Evangelium des Judas. Es ist im Jahr 2000 in die Hände einer Sammlerin gekommen und danach zwischen Ägypten und den USA aufgeteilt worden. Es gehört als Kulturerbe eigentlich nach Ägypten, war aber zum Teil zur Prüfung in die USA gebracht worden. Schon bei Irenäus (um 180 n. Chr.) war die Existenz dieses in der frühen Kirche umstrittenen Textes bekannt. Der Textfund ist nur fragmentarisch, wobei allerdings der Autor relativ klar sagen kann, welche Seiten oder Textstücke fehlen und so sinngemäß zu ergänzen sind. 

Die Lektüre ist dadurch gleichwohl schwierig, wenn auch nicht unmöglich. Uwe-Karsten Plisch setzt auch in diesem Buch einen geschlossenen Diskurs voraus und rekonstruiert dessen Erzählstruktur. Der Text ist nach Judas benannt. Doch da dieser nach der Schilderung der Evangelien die Passion Jesu nicht überlebt hat, ist diese Annahme schwierig. Es geht gleichwohl um Judas, der in der Woche vor der Passion ein Gespräch mit Jesus im Jüngerkreis geführt haben soll. 

Inhaltlich hat das Gespräch allerdings wenig mit der biblischen Vorstellung der Passion zu tun, sondern dreht sich mehr oder weniger um die Einordnung der Person Jesu in eine gnostische Lehre, genannt „Sethianismus“. Hinweise für die Weiterarbeit dazu sind im Literaturverzeichnis gegeben. Das Judasevangelium muss daher in einem Kontext gelesen werden, der einen relativ festen Kanon neutestamentlicher Schriften schon voraussetzt. Er liest die gnostische Lehre in der Gestalt Jesu und konkretisiert diese. Ein judenchristlicher Kontext scheint hier nicht vorzuliegen.

Allein schon von ihrem Alter her scheinen die hier vorlegten und in deutscher Sprache dokumentierten Texte wertvolle Dokumente der frühen Kirche zu sein. Die Bedeutung des biblischen Kanons wird hier eher noch gestärkt. Biblische Parallelstellen und Anspielungen anderer nachbiblischer Schriften finden sich jeweils am Rand neben der Textstelle.

Vielleicht ist wenigsten das Fazit möglich, dass die Geschichte der frühen Christenheit weit weniger einheitlich ist, als das die Fokussierung auf einen bestimmten, später als römisch-katholischen geprägten Traditionsstrang glauben machen will. Ein Beispiel dazu soll zum Schluss aus dem hier dokumentierten Evangelium der Maria gegeben werden, womit nicht die Mutter Jesu, sondern Maria Magdalena gemeint ist. Auch dieses Evangelium ist fragmentarisch überliefert, zeigt aber deutlich frühchristliche Züge. Das soll am Schluss ein kleines Zitat aus dem Kommentar des Autors verdeutlichen: „Die feindselige Haltung des Petrus (im Text, d. Rez.) gegenüber Maria begegnet auch in anderen apokryphen Texten. Sie spiegelt viellicht das allmähliche Zurückdrängen des Engagements von Frauen in führenden Gemeindepositionen in der Geschichte der frühen Christenheit wieder.“ (S. 148).

Nägel vom Kreuz, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017

Zu: Stephen Cottrell: Jesu Tod – Was habe ich damit zu tun? Ein Lese – und Praxisbuch für die Karwoche, Aus dem Englischen von Christiane Vorländer, Neukirchener Verlagsgesellschaft, Neukirchen – Vluyn 2017, gebunden, 94 Seiten, ISBN: 978-3-7615-6389-2. Preis: 12,99 Euro

Der Autor dieses Büchleins ist anglikanischer Bischof nahe London. Im Vorwort schreibt er, dass er schon vor 30 Jahren als Pfarrer im Entsendungsdienst freie Andachten für den Karfreitag durchgeführt hat, wobei das Hauptmedium der Meditation Nägel sind. Um das Kreuzesgeschehen als Geschenk der Vergebung zu verstehen, muss jeder und jede damit anfangen, die eigenen „Nägel“ zu betrachten und zuletzt abzulegen.

Um die eigene Rolle bedenken zu können, sollen bei den Andachten eine oder mehrere der folgenden Personen der Kreuzigungsgeschichte zur Sprache kommen, gesprochen von Menschen aus der Gemeinde: Petrus, Der römische Hauptmann, Pontius Pilatus, Kajaphas, Judas, Maria Magdalena. Diese Texte sind alternativ für die Andacht am Karfreitag Nachmittag vorgesehen. Für die direkt Abendandacht folgt der Text der „Frau des Pilatus“. Das Buch endet die Nagelmeditation mit dem Text: „Jesus vergibt mir. Lasse ich das zu?“ „Nägel vom Kreuz, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017“ weiterlesen

Predigt über Apostelgeschichte 1, 15 – 26, Christoph Fleischer, Welver 2016

Die Predigt wird zum Matthiastag am Sonntag Okuli 2016 in Günne und Meiningsen gehalten. Die Gemeinde trifft sich nach dem Gottesdienst traditionell zum Grünkohlessen.

Liebe Gemeinde,

Der Name Matthias stammt aus der Makkabäerzeit etwa im 2. Jahrhundert vor Christi Geburt. Es ist die griechische Form von Mattatias, was bedeutet: „Geschenk Gottes“. (vgl. 1. Makkabäer 2,1)

Die Makkabäer, ein judäisches Priestergeschlecht, bekämpften die neuen hellenistisch, griechischen Einflüsse in der Jerusalemer Religion und waren andererseits zugleich auf Machtübernahme aus, um Israel erneut einen selbständigen Status zu geben. 150 Jahre später lebte als letzter makkabäischer König ebenfalls ein Mattatias, bis unter dem Einfluss der Römer Herodes an die Macht kam, ein idumäischer Jude, der Israel mit der Sicherheit der römischen Herrschaft regierte. Daraus resultierten zu der Zeit Jesu die Diskussionen um die Kopfsteuer, die Steuerlasten und andere Themen.

Der biblische Matthias, von dem heute die Rede ist, galt als Jünger Jesu, gehörte aber noch nicht zu dem Zwölferkreis. Als Geburtsort gilt Bethlehem. Er steht den Schriftgelehrten nahe. In der Apostelgruppe konkurriert er mit Paulus, der erst später als Heidenapostel dazu kam. Zur Zeit um Pfingsten galt Paulus noch als Verfolger der Christengruppe.

Version 3Matthias war im weitesten Sinn Jünger Jesu, Paulus nicht. In der Abbildung der Heiligen, wie auch hier in der St. Matthiaskirche in Soest hält er eine Bibel und ein Richtbeil (siehe Bild). Matthias gilt als Evangelist, aber ein Evangelienbuch von ihm gibt es nicht. Das Evangelium ist die Botschaft von Jesus, dem Christus. Er soll um 63 nach Christus den Märtyrertod gestorben sind, erst gesteinigt, dann mit dem Richtbeil enthauptet.

Es gibt eine Stelle im Neuen Testament, in der Matthias erwähnt wird:

Lesung Apostelgeschichte 1, 15-26:
15
Und in den Tagen trat Petrus auf unter den Brüdern – es war aber eine Menge beisammen von etwa Hundertzwanzig – und sprach:

16Ihr Männer und Brüder, es musste das Wort der Schrift erfüllt werden, das der Heilige Geist durch den Mund Davids vorausgesagt hat über Judas, der denen den Weg zeigte, die Jesus gefangen nahmen; 17denn er gehörte zu uns und hatte dieses Amt mit uns empfangen. 18Der hat einen Acker erworben mit dem Lohn für seine Ungerechtigkeit. Aber er ist vornüber gestürzt und mitten entzweigeborsten, sodass alle seine Eingeweide hervorquollen. 19Und es ist allen bekannt geworden, die in Jerusalem wohnen, sodass dieser Acker in ihrer Sprache genannt wird: Hakeldamach, das heißt Blutacker. 20Denn es steht geschrieben im Psalmbuch (Psalm 69,26; 109,8): »Seine Behausung soll verwüstet werden, und niemand wohne darin«, und: »Sein Amt empfange ein andrer.« 21So muss nun einer von diesen Männern, die bei uns gewesen sind die ganze Zeit über, als der Herr Jesus unter uns ein- und ausgegangen ist 22– von der Taufe des Johannes an bis zu dem Tag, an dem er von uns genommen wurde –, mit uns Zeuge seiner Auferstehung werden.

23Und sie stellten zwei auf: Josef, genannt Barsabbas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias, 24und beteten und sprachen: Herr, der du aller Herzen kennst, zeige an, welchen du erwählt hast von diesen beiden, 25damit er diesen Dienst und das Apostelamt empfange, das Judas verlassen hat, um an den Ort zu gehen, wohin er gehört. 26Und sie warfen das Los über sie und das Los fiel auf Matthias; und er wurde zugeordnet zu den elf Aposteln.

Liebe Gemeinde, „Predigt über Apostelgeschichte 1, 15 – 26, Christoph Fleischer, Welver 2016“ weiterlesen