Naturwissenschaft und Glaube im Dialog, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017

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Zu: Andreas Losch, Frank Vogelsang (Hg.): Wissenschaft und die Frage nach Gott, Theologie und Naturwissenschaft im Dialog, verlegt durch die Evangelische Akademie im Rheinland, Bonn, 2. Auflage 2015, 190 Seiten, Softcover, Layout mit vielen Bildern von art work shop, Düsseldorf, ISBN 978-3-937621-50-0, Preis: 20,00 Euro

Auf der letzten Seite öffne man den angezeigten QR-Code und finde dann die Homepage: www.theologie-naturwissenschaften.de. Aktuell zeigt sie einen Artikel über die Auswertung von Nahtoderfahrungen von Jens Schlieter (Professor für systematische Religionswissenschaft an der Universität Bern). Im Archiv wird auf die gesamte Diskussion zum Thema der Homepage verweisen. Gleich oben wird der erste Artikel des hier rezensierten Buches von Mitherausgeber Andreas Losch (promovierter Theologe und verantwortlicher Redakteur der Homepage) dokumentiert: „Theologie und Naturwissenschaften – sind das nicht Gegensätze?“.

Dass hier von einem zweifelsohne nicht wirklich existenten „Konflikt“ zwischen Theologie und Naturwissenschaft die Rede ist, hätte an dieser Stelle die Rolle des sog. Naturalismus erwähnt werden sollen, der nun tatsächlich im Konflikt mit einer religiösen Lebensauffassung steht. Wenn also beispielsweise organisch gesehen der „Tod des Gehirns das geistige Leben einer Person“ beendet, wäre dies religiös gesehen kein Grund, nicht an der christlichen Hoffnung festzuhalten.

Im Vorwort werden Konzept und Inhalt des Buches ausführlich vorgestellt. Trotz der ausführlichen und auch sehr ansprechenden Illustrationen sind die Artikel absolut sachlich, informativ und auf hohem Niveau. Der Konflikt zwischen Naturwissenschaft und Theologie wird als „Inszenierung des 19. Jahrhunderts“ entlarvt, wobei allerdings genau diese Inszenierung bis heute weiterwirkt. Faktisch entbehrt der Konflikt jeder Grundlage, wobei alle Weichen in Richtung Dialog gestellt sind oder, wenn man so will, zum Trialog zwischen Theologie, Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft.

Folgerichtig beschäftigt sich der erste Abschnitt mit Beispielen der Konfliktinszenierung, die sich mit den Hauptvertretern Galilei, Kepler und Darwin verbindet. Der zweite Abschnitt dokumentiert Ansätze, in denen Evolutionsfragen behandelt werden wie z.B. die Hauptbegriffe „Emergenz“, „Anthropologie“ und „Schöpfung“. Mit Emergenz ist gemeint, dass das „Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile“. Ich kann in diesem zunächst naturwissenschaftlich orientierten Artikel jedoch nicht schlüssig erkennen, was mit Theismus genau gemeint ist, wenn es dann heißt: „Wenn wir sagen, ‚Neues zu produzieren, ist einfach eine Eigenschaft der Natur‘, dann wäre es vielleicht doch ehrlicher, gleich von ‚Gott‘ zu reden.“ (Hans-Dieter Mutschler, Professor für Philosophie in Krakau, Polen). Klar ist doch, dass Theismus in der Moderne oder danach eine mögliche Option ist, die aber andere Denk – und Sprachmodelle nicht ausschließen muss.

Im nächsten Abschnitt wird auf die auch sonst im Buch oft bemühte Quantentheorie rekurriert. Es ist ja nun im Sinne der Theologie tatsächlich eine einladende Theorie, die mit der Unschärferelation (Heisenberg) feststellt, dass die Naturwissenschaft vom subjektiven Faktor nicht zu trennen ist. Interessanterweise stellt Jürgen Audretsch (Professor i. R. für theoretische Physik, Konstanz) in seinem Aufsatz „Quantentheorie und Theologie“ eine Strukturanalogie zwischen den Aussagen der Quantentheorie und der sogenannten „negativen Theologie“ fest: „Ein Reden über Gott ist unmöglich.“ Interessanterweise bekommt gerade dadurch der Gottesbegriff eine Weite, die über pure Subjektivität hinausgeht, aber die auch nicht so einfach in die Struktur eines positiven Theismus gefasst werden kann. Am Ende des Artikels lädt Audretsch zur weiteren Diskussion ein, statt erst einmal die theologische Position eines erweiterten Theismus zu formulieren.

Auch ohne den Begriff der Postmoderne zu bemühen, zeigt sich im letzten Abschnitt vor dem Ausblick, dass Theologie nun tatsächlich auch in einen gleichzeitigen Dialog mit Philosophie eintreten muss. Interessant ist dabei das Plädoyer von Frank Vogelsang (seit 2005 Leiter der Evangelischen Akademie im Rheinland und Mitherausgeber des Buches) für eine „offene Wirklichkeit“. „In einer so beschriebenen ‚offenen Wirklichkeit‘ verzichtet man auf die Behauptung, Aussagen über das Ganze einer Welt oder das Ganze der Identität machen zu können, man gewinnt aber die Fähigkeit zur Unterscheidung.“

Das Buch zeigt, dass der Ansatz eines Trialogs zwischen Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie nötig und sinnvoll ist. Wenn in diesem Zusammenhang Autoren (es gibt keine Autorin) in theistische Rollenbilder zurückfallen, versperren sie die Diskussion eher, als dass sie sie öffnen. Die Diskussion ist eröffnet und sollte weitergeführt werden. Vonseiten der Theologie werden hier noch weitere Beiträge vorgelegt, die vermutlich darauf hinauslaufen, dass ein exklusives Verständnis und ein offenes Wirklichkeitsverständnis sich kaum vertragen.

Vielleicht leidet der naturwissenschaftlich-theologische Dialog darunter, dass die Autoren sich allzugern zu naturwissenschaftlichen Experten machen, anstatt sich zu fragen, welche Antworten die Theologie tatsächlich geben kann, ohne in Denkmuster zu verfallen, die in den bekannten Sackgassen landen.

 

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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