Predigt Bist du mein Freund? Joh 21,15-17 – Predigt von Joachim Leberecht, Herzogenrath 2022

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„Als sie nun Mahl gehalten, sagt zu Simon Petrus Jesus: Simon, Sohn des Johannes (1,42), liebst du mich mehr als diese? Sagt er ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dir Freund bin. Sagt er ihm: Hüte meine Lämmer. Sagt er ihm wiederum zum zweiten Mal: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Sagt er ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dir Freund bin. Sagt er ihm: Weide meine Schafe (1. Petr 5,2). Sagt er ihm zum dritten Mal: Simon, Sohn des Johannes, bist du mir Freund? Betrübt ward Petrus, dass er so gesagt hat, zu ihm, zum dritten Mal: Bist du mir Freund? Und er sagte ihm: Herr, alles weißt du, du erkennst, dass ich dir Freund bin (16,30). Sagt zu ihm Jesus: Hüte meine Schafe (10,1-18).

Übersetzung von Dr. Eugen Drewermann

 

Predigt Bist du mein Freund? Joh 21,15-17

Liebe Gemeinde,

was für einem intimen Gespräch zwischen Jesus und Simon Petrus dürfen wir hier belauschen? Intimeres als über die Liebe von Person zu Person gibt es nicht. In der Frage: „Liebst du mich?“ wird das Entscheidende angesprochen, was eine Liebesbeziehung ausmacht. Der Fragende legt seine ganze Person hinein und wagt diese Frage an sein Gegenüber. An der Antwort hängt Glück und Enttäuschung, hängt die Zukunft. Diese Frage wird in der Regel erst gestellt, wenn der Fragende im Herzen überzeugt ist, die Antwort kann nur Ja sein.

Der Philosoph Roland Barthes hat einmal gesagt, dass der Satz: „Ich liebe dich!“, ein unmöglicher Satz ist. Wenn er ausgesprochen ist, stimmt er schon nicht mehr, da er nicht einzulösen ist, da er gewissermaßen nur in der Schwebe wahr ist und nur glaubend erahnt werden kann. Ausgesprochen jedoch verliert er seine Gültigkeit. Es ist als sei diese ungeheure Aussage „Ich liebe Dich!“ ein Ding, das der Mensch haben kann und über das er verfügt. Der Satz: „Ich liebe Dich!“ ist unverfügbar und entzieht sich in dem Moment, wo er ausgesprochen wird.HerzeH Wer von uns kennt nicht die Schwierigkeit und manchmal auch Schalheit, wenn wir diesen Satz aussprechen? Und dennoch ist es so wichtig, dass wir zueinander sagen: „Ich liebe Dich!“, weil der Glaube – auch an die Liebe – über das Hören kommt, über die Versprachlichung unserer existentiellen Gefühle und Einstellungen.

Jesus fragt Simon Petrus nach der höchsten Form der Liebe, nach der Agape, der selbstlosen (göttlichen) Liebe. Die Frage ist schlechtweg nicht zu beantworten und Simon Petrus zieht sich mit seiner Antwort geschickt aus der Verlegenheit, erstens indem er sich nicht auf den unmöglichen Vergleich, dass er Jesus mehr liebe als andere einlässt und zweitens, indem er sagt: „Wer, wenn nicht du, weißt es schon längst, dass ich dein Freund bin? Simon Petrus spricht nicht von Agape sondern von Phileo, der freunschaftlichen Liebe. Das ist eine Selbstbescheidung, gewachsen auch aus der bitteren Erkenntnis, dass seine Hingabe an Jesus, dass seine Beziehung zu ihm seinem unsteten Ego unterworfen ist, seiner Launenhaftigkeit, seinen Zweifeln und auch seiner Selbstüberschätzung.

Freundschaft ist nach dem römischen Philosophen Sallust: „Dasselbe wollen, dasselbe nicht wollen.“ (1) In diesem Sinn liebt Simon Petrus Jesus. Darauf antwortet Jesus: „Hüte meine Lämmer!“ (Vers 15).

Ich muss hier an meinen Enkel denken, ein Jahr ist er jetzt alt. Seine Eltern hüten ihn, beschützen ihn, ernähren ihn, tragen um ihn Sorge. Sie nehmen sich selbst zurück und stillen seine Bedürfnisse. So ist es, wenn uns ein neues Leben anvertraut wird. Das ganze Leben ändert sich, wird umgestellt und eingestellt auf das kleine Kind. Ganz natürlich sind wir Menschen ausgestattet, dass Neugeborene zu beschützen und zu bewahren so gut es uns möglich ist. Das neue Leben braucht verantwortungsvolle und verlässliche Zuwendung.

Das traut Jesus Simon Petrus zu. Durch Vertrauen wachsen wir an unseren Aufgaben. Ohne Vertrauen wächst der Selbstzweifel, wachsen Angst und Furcht in uns.

Ein zweites Mal fragt Jesus Simon Petrus: „Liebst du mich?“ Und Simon Petrus antwortet wiederum: „Du weißt es, ich bin dein Freund.“

„Weide meine Schafe!“ antwortet Jesus. Der Verantwortungsbereich für Simon Petrus wird ausgeweitet. Jetzt geht es nicht mehr nur ums Hüten, es geht ums Weiden. Das muss vorrausschauend geschehen. Wo gibt es Nahrung? Wie können die Tiere am besten durch das Leben gehen? Wie können Sie begleitet werden? Wie sind sie zu schützen? Wohin sind sie zu führen?

Alles Fragen, die uns selbst intensiv beschäftigen, besonders heute, da vor unseren Augen Grenzen überschritten werden, ein Land in das andere einfällt und es beherrschen will. Wie kann dem Unrecht gewehrt werden und das Recht wieder hergestellt werden, dass die Menschen selbstbestimmt ihr Leben führen können? Was sind die richtigen Mittel, um dieses Ziel zu erreichen? Wann ist Gewalt mit Gegenwehr und ebenso mit Gewalt zu begegnen, damit gerechter Friede werde? Was ist verhältnismäßig? Was aber steigert nur die Gewalt und die Anzahl der Opfer?

Jesus selbst ist den Weg der Gewaltlosigkeit gegangen und hat damit der Menschheit einen Weg gezeigt, Gewalt zu überwinden. Wir haben aber auch gelernt und wissen, dass in unserer Welt staatliche Gewalt den Auftrag hat – auch in Gemeinschaft der Völker – Völkerrecht und Menschenrechte durchzusetzen. Es gibt einen schier undurchdringlichen Knäul von Interessen, Motivationen und durch Medien vermittelte Haltungen. Aus meinem kleinen Blickwinkel heraus handeln wir in diesem Konflikt nicht mit Besonnenheit, wir liefern lieber schwere Waffen als mit voller Überzeugung auf ein Ende des Krieges hinzudrängen. Für mich ist der Weg, den wir beschritten haben, ein Irrweg – auch wenn er demokratisch legitimiert ist. Es ist gar nicht so einfach mit der Verantwortung, im Großen, aber auch im Kleinen.

Vielleicht fragt Jesus Simon Petrus Jesus deshalb ein zweites Mal: „Hast du mich lieb?“ Nur in der Liebe haben wie die Kraft auch schwere Wege zu gehen, Schuld einzugestehen, hinzufallen, wieder aufzustehen, weiterzugehen, es wieder und wieder zu versuchen in Beziehung zu leben, einander in Güte zu begegnen und die Angst voreinander zu überwinden.

Als Jesus Simon Petrus zum dritten Mal fragt: „Hast du mich lieb?“, wird dieser traurig. Es gibt Lebensthemen, die gehören zu uns und sie brechen immer wieder auf. Die Frage nach der Liebe und unsere Antwort darauf gehört dazu. Es gibt auch verschiedene Phasen im Leben. Wir können die drei Fragen auch als wiederkehrende Fragen in einer Biographie wahrnehmen. Der junge Mensch liebt leidenschaftlich, der Mensch in der Mitte seines Lebens bekommt die Einsicht, dass Liebe nicht nur ein Gefühl ist, sondern sich konkret in der Hingabe und Annahme eines Du bewähren muss. Es stimmt, jede und jeder ist für das verantwortlich, was er sich vertraut gemacht hat, wie es im Kleinen Prinzen heißt. Liebe ist nicht allgemein, sie ist immer konkret und auf ein Du bezogen. Eine Gruppe können wir nicht lieben.  Einen Menschen aber wirklich lieben ist das einfachste und schwierigste zugleich. Das zu erkennen braucht Zeit, oft ein ganzes Leben. Von daher ist die dritte Frage Jesu so etwas wie eine gesteigerte Wiederholung. Diese Frage stellt sich uns immer wieder und eindeutig ist sie aus uns selbst nicht zu beantworten, hinter der dritten Antwort Simon Petrus´ steckt viel Selbsterkenntnis. Sein Betrübt-Sein zeigt eine Reife, fremden und eigenen Ansprüchen nicht zu genügen, sondern immer wieder selbst der Empfangende zu sein.

Auch wir sollten uns in unseren aufrichtigen Bemühungen zu lieben immer wieder unterbrechen lassen, dass es letztlich nicht unser Wille ist, auch nicht die ehrliche Absicht ein besserer Liebender oder Liebende zu werden, sondern das Liebe ein Widerfahrnis, ein Geschenk ist – das es zu ergreifen gilt, das uns gewährt wird von dem, der selbst die Liebe ist. Es braucht viel Leben um das zu spüren, um dem nahe zu kommen, um diese unserem Willen so paradoxe Erkenntnis in unser Leben zu integrieren. Die Trauer darüber ist ein erster Weg, aber dabei bleibt es nicht. Der Weg hat eine Richtung. Der Weg hat ein Ziel: „Folge mir nach!“ (Vers 18) sagt Christus oder ganz einfach und schlicht: Liebe und lasse dich lieben. Das ist die schönste Aufgabe des Lebens.

Amen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Literatur:

1 Zitiert aus Eugen Drewermann: Das Johannesevangelium. Bilder einer neuen Welt. Zweiter Teil, Seite 372

2 Die Predigt ist teilweise inspiriert durch: Eugen Drewermann: Das Johannesevangelium. Bilder einer neuen Welt. Zweiter Teil, Patmos Verlag, Düsseldorf, 2003, S. 367-379

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