Richard Wagner und seine Einflüsse, Rezension von Christoph Fleischer, Fröndenberg 2022

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Zu: Wolfgang W. Müller, Der Bayreuther Kreis und sein Umfeld, Religion – Macht – Musik, Schwabe Verlage, Basel, 2022, gebunden, 386 Seiten, 70,00 CHF

Wolfgang W. Müller ist emeritierter Professor für Dogmatik und war bis 2021 Leiter des Ökumenischen Instituts an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern. (Verlagsprospekt).

Es ist ausgesprochen nützlich, den Komponisten und Autor Richard Wagner in seinen zeitgeschichtlichen Kontext einzuordnen. In diesem Buch kommt zusätzlich der Bayreuther Kreis um Houston Stewart Chamberlin (1855-1927) zu Wort. Das umfassende Konzept des Buches konzentriert die Wirkung beider nicht nur auf die Frage des Antisemitismus, sondern kommt zu einer differenzierten Würdigung. Gegen Ende des Buches geht es gleichwohl auch um die Wirkung Richard Wagners und seines Umfeld auf den Nationalsozialismus und dessen Antisemitismus.

Ich habe mich bei der Lektüre auf die Darstellung Richard Wagners konzentriert und war doch wirklich erstaunt über seinen nicht zu unterschätzenden Einfluss allein schon durch die Musik. Will man Wagner mit der heutigen Musik vergleichen, kann man ihn nur als prominenten Musiker und Starkomponist bezeichnen.

Die Nähe zur Religion ist gleichwohl ausgeprägter als das der bekannte Opernzyklus andeutet. Wagner hat sich nicht nur theoretisch mit religiösen Fragen befasst, sondern auch in Opern und Opernfragmenten ausgeführt wie in „Das Liebesmahl der Apostel“.

So wie er politisch der Demokratiebewegung um die Paulskirche nahesteht, so entzieht er gleichwohl die Inhalte des neuen Testaments der kirchlichen Einbettung und deutet sie stattdessen selbständig. Religion, sowie sie auch in der Kunst dargestellt werden kann, ist für ihn die Erkenntnis der Einheit alles Lebendigen und die Täuschung sowie die Idee der Aufopferung. Allgemeine Ideale wie „Glaube, Liebe, Hoffnung“ sollen den „jüdischen Gottesbegriff“ ersetzen (vgl. S. 64).

So problematisch es ist, den christlichen Glauben seinem jüdischen und biblischen Kontext zu entziehen, so verständlich ist der Versuch, die religiösen Inhalte zu säkularisieren. Wagner soll sich gegen Ende seines Lebens vom Antisemitismus abgewandt haben, was seinen derartigen Einfluss auch durch den Bayreuther Kreis nicht ungeschehen gemacht hat.

So ist dieses umfangreiche Buch ein wertvolles Werk zur Einordnung der deutschen Geistesgeschichte auf dem Weg zum Nationalsozialismus, wobei Wagners Einfluss darauf nicht eingeengt werden kann, was schließlich auch die andauernde Wagner-Euphorie im Blick auf die Bayreuther Festspiele erklären mag.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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