Predigten zu Passion und Ostern, Emanuel Behnert, Lippetal 2020

Dietrich Bonhoeffer im Hof von Tegel 1944, vierter von links (http://www.dietrich-bonhoeffer.net/leben/tegel/)

Palmarum 2020

 

„Gott hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle. Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist. Ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen.“ (Psalm 69, 2.3)

 

Mit diesem Gebetsruf aus den Psalmen würden am Palmsonntag unsere Gottesdienste beginnen. Wie vielen Menschen heute geht es aus ganz unterschiedlichen Gründen genauso, wie es damals dem Beter aus alter Zeit gegangen ist?! „Das Wasser steht uns bis zum Hals.“ Angst hat sich breit gemacht. Die Frage nach dem „Was wird morgen sein?“ treibt viele um und bestimmt ihr Handeln. Purer Egoismus auf der einen Seite. Hamsterkäufe ohne Ende. Die Zahl der Mehlmotten in einigen Monaten in unserem Land mag ich mir gar nicht ausmalen.  Aber dann auf der anderen Seite eben auch Solidarität. Ich schaue nochmal nach, wo ich etwas von dem, was Du brauchst finde. Damit Du geschützt und hoffentlich wohl behütet zuhause bleiben kannst. Auch in der Gewissheit, wirklich keinen Mangel leiden zu müssen.

Ja, und dann sind da auch noch die Zyniker, zu denen ich mich zugegebenermaßen auch immer wieder einmal zählen muss mit meinem „schwarzen Humor“. Ihnen fallen dann Sprüche wieder ein wie dieser: „Wenn dir das Wasser schon bis zum Hals steht, solltest du nicht den Kopf hängen lassen.“ „Predigten zu Passion und Ostern, Emanuel Behnert, Lippetal 2020“ weiterlesen

Die Worte Jesu am Kreuz – Mich dürstet, Predigtreihe Herzogenrath 2020

Predigt zu Joh 18, 28 am 20.03.2020 in der Markuskirche, Pfarrer Jochen Remy*

Liebe Gemeinde,

„mich dürstet.“

über dieses kurze Wort aus dem Johannesevangelium möchte ich heute in diesen schwierigen Zeiten mit Ihnen nachdenken.

Schaut man sich Passionsbilder von Jesu Kreuzigung aus der Kunstgeschichte an, dann fallen einem direkt zwei Typen von Darstellungen auf.

Sehr viele Werke betonen die Göttlichkeit Jesu.

Ein strahlender Held mit makellosem Antlitz blickt uns vom Kreuz herab an. Dieser überhöhte Christus soll zeigen, dass am Ende Gott triumphiert.

Das Kreuz ist notwendige Durchgangsstation zur mitgedachten Auferstehung.

Karfreitag wird vom Ostermorgen aus gelesen. Ausgedeutet.

Jesus als glorreicher Held zeigt, dass nicht die selbsternannten Machthaber bestimmen, sondern dass Gott der eigentliche Herr des Geschehens ist.

Und in dieser Botschaft liegt durchaus etwas Tröstliches.

Es ist beruhigend, einen starken Partner an seiner Seite zu haben. Auf den man sich verlassen kann.

Der mit Macht einem beisteht.

Wer es schafft, sich das Bild eines allmächtigen Gottes zu bewahren, wird daraus Hoffnung und Kraft ziehen.

Aber ich will die beiden Nachteile, die sich aus diesem Gottesbild ergeben, nicht unterschlagen.

Für unseren menschlichen Geist ist die Diskrepanz zwischen einem allmächtigen und gütigen Gott und dem Elend der Welt nicht wirklich auflösbar. Daran kann man verzweifeln.

Und dieser mächtige Gott ist zudem so unnahbar, dass selbst für Gläubige es mitunter schwer ist, die spirituelle Mitte nicht zu verlieren.

Je mächtiger und stärker ich Gott denke, desto weiter ist er von meiner Lebenswirklichkeit entfernt, in der ich Erfahrungen von Schwachheit und Ohnmacht machen muss.

Der zweite Typus von Passionsbildern hat daher versucht, die menschliche Seite Jesu in den Vordergrund zu rücken.

Diese Gemälde zeigen einen gemarterten Jesus, mit schmerzverzerrtem Gesicht, sein Körper über und über mit Wunden bedeckt.

Dieser Jesus ist uns in seiner ganzen Verwundbarkeit näher.

Er hat seine himmlische Macht in irdische Ohnmacht getauscht.

Auch wenn er hoch am Kreuz hängt, bleibt mir immer nur die Perspektive, auf Jesus herabblicken zu müssen, denn in ihm und seinem Elend ist der Tiefpunkt menschlichen Leids verdichtet.

Ganz egal, was für Nöte ich in meinem Leben schon erfahren habe und noch durchleiden werde, Jesus kennt dieses Jammertal und zeigt mir dadurch, dass er mir nahe ist.

Viele von uns haben in diesen Tagen berechtigte Angst vor dem Coronavirus und seinen Folgen.

Corona kommt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt Krone.

Die Assoziation zur Dornenkrone Jesu mag zufällig sein und doch kann sie mich verblüffen.

Wenn es gut läuft, dann gibt mir der Blick auf den leidenden Jesus die Kraft, auch mein ganz privates Kreuz zu tragen.

Ich weiß mich mit Jesus geschwisterlich verbunden.

Wenn es schlecht läuft, dann hat dieses Jesusbild jedoch zwei gravierende Nachteile. Zum einem ist es wenig einladend, eine Nachfolge anzutreten, die mit so großem Leid verbunden ist. Mir macht gerade diese Betonung der Leidensbereitschaft Angst.

Und jemand, der freiwillig so viel Leid auf sich genommen hat, der kommt mir dadurch nicht zwingend näher, sondern der entfernt sich womöglich ebenso rasant von mir, weil ich selbst so viel Opferbereitschaft wahrscheinlich nicht aufbringen könnte. Die meisten Worte Jesu am Kreuz würde ich dem ersten Bildtypus zuordnen. Es ist bewundernswert, was und wen Jesus alles in seinem Todeskampf in den Blick nimmt. Der Ausruf „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ ist dem zweiten Bildtypus zuzuordnen.

Aber die große Ausnahme wird durch unser schlichtet „Mich dürstet“ gebildet. Ich wüsste keine andere Stelle im Neuen Testament, an der Jesus so sehr auf sich selbst und seine eigene Bedürftigkeit schaut.

Mir geht diese bescheidene Bitte, man möge ihm seinen Durst stillen, zu Herzen.

Und ich fühle mich ihm dadurch verbunden.

Mir kommen Bilder von frisch Operierten in den Sinn, deren Lippen nur angefeuchtet werden konnten, weil sie zu dem Zeitpunkt nichts trinken durften.

Durst ist ein so existentielles Bedürfnis, dass die deutsche Sprache keinen Begriff für seine Stillung kennt.

Wenn ich keinen Hunger mehr habe, dann bin ich satt. Wenn ich keinen Durst mehr habe, dann bin ich.. .?

Durst kann eben nicht für einen längeren Zeitraum beseitigt werden.

Und Jesu Durst wird durch einen römischen Soldaten gestillt, der einen Schwamm auf seine Lanze spießt und diesen mit Essigwasser tränkt.

Meine Schüler wundem sich immer wieder über diese Szene, sind manchmal sogar empört, weil sie dahinter eine weitere Grausamkeit vermuten.

Aber mit Essig versetztes Wasser war ein normales Getränk römischer Soldaten, weil durch die Zugabe von Essig das Wasser haltbarer und bekömmlicher war als ohne.

Ob hier ein erstaunlicher Akt von Barmherzigkeit zu beobachten war oder ob durch die Gabe auf perfide Art und Weise derTodeskampf noch verlängert werden sollte, lässt sich heute nicht mehr sicher beurteilen.

„Mich dürstet.“

Gerade in Zeiten wie diesen macht es Sinn, einmal darüber nachzudenken, was mir existentiell wichtig ist.

Welcher Durst, welcher Hunger ist so bedeutend, dass ich ohne seine Stillung nicht auskommen kann?

Vermutlich gibt es keine Antwort, die über Essen, Trinken und einen sicheren Platz zum Schlafen für alle Menschen gleichermaßen zutreffen wird.

Die einen mögen gerade verzweifeln, weil sie ihrer Arbeit nicht nachgehen dürfen, während den anderen die Auszeit vielleicht sogar ganz gelegen kommt.

Die Schließung von Kinos, Theatern oder Konzerthallen ist manchem völlig egal, während für andere gerade eine Welt einbricht.

Und die Beschränkung auf die Familie in den eigenen vier Wänden genießt ein Teil, während andere sich lieber in Einzelhaft begeben würden.

Aber diese zwangsweise Infragestellung von Gewohnheiten bietet neben allem Beängstigendem auch die Chance, sich selbst und seine Verhaltensmuster zu hinterfragen.

Die Welt nach der Coronakrise wird nicht mehr so sein, wie sie vorher war. Das macht Angst, weil wir noch nicht abschätzen können, was oder wen wir aufgeben müssen. Aber dahinter verbirgt sich durchaus auch die Chance, noch einmal neu starten zu können.

Mir persönlich geht es nahe, dass diese unvorstellbare Seuche vermutlich hätte vermieden werden können, wenn alle Welt sich an die biblischen Speisegebote gehalten hätte.

Wir können, nein, wir müssen uns immer wieder neu in Gedächtnis rufen, dass Gott uns schon den längst den Maßstab für ein richtiges Verhalten an die Hand gegeben hat. Wir müssen aber wohl immer wieder neu lernen, diesen Maßstab auf unser eigenes Leben zu übertragen.

„Mich dürstet…“ – der Jesus, der zu seinen eigenen Bedürfnissen steht und sie umsetzt, ohne die Gemeinschaft der einzelnen Glieder dadurch zu gefährden, dieser Jesus ist mir nahe.

Näher als es die eingangs erwähnten Bilder vom triumphierenden Christus oder vom geschundenen Jesus sein könnten.

Für einen kleinen Augenblick kann ich die Person Jesu entdecken, bevor diese wieder hinter seine Mission zurücktritt.

Jesus ist eben nicht wahrer Gott oder wahrer Mensch, sondern wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich.

Erst die Symbiose aus beiden Vorstellungen rundet das Bild ab.

Die Stärke und Schwachheit zugleich geben mir Kraft in diesen schwierigen Zeiten mein Leben auf Gott und sein solidarisches Wort hin auszurichten.

Amen

Und bleiben Sie gesund!

 

*Pfarrer Jochen Remy ist Pfarrer an zwei Schulen in Aachen. Er unterrichtet Ev. Religion, und an der Viktoriaschule – ein evangelisches Gymnasium in der Trägerschaft der EkiR –  betreut er die Schulgemeinde. Pfarrer Jochen Remy lebt in Herzogenrath und gehört als ständiger Gast ohne Stimmrecht zu unserem Presbyterium.

Es ist vollbracht – Predigtreihe Passionspredigten Herzogenrath

Predigt über: Die sieben Worte Jesu am Kreuz:

„Es ist vollbracht“ Joh. 19,30

28.März 2020 18 Uhr

von  Britta Schwering

Der Gottesdienst auf youtube: https://youtu.be/orWci7A52rk

„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus“(1.Kor.1,3)

 

Liebe Gemeinde!

 

(Evangelium:  Joh. 19,28- 30 :

28 Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet.

29 Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund.

30 Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.)

 

„Es ist vollbracht“.   Deutlich ausgesprochen, eventuell nur gehaucht.

Dann kommt das Ende. Jesus neigt das Haupt und stirbt. Ein langer qualvoller Tod ist dieses Sterben am Kreuz. Ein unglaublich großes Unrecht ist geschehen, denn Jesus wird verurteilt, obwohl er unschuldig ist.

 

3 Worte. Kurz, knapp, prägnant.

 

„Was willst Du denn darüber predigen?“ fragt mich meine Tochter.

Auch ich denke über diese Worte nach, und frage mich: Was sie bedeuten?

Und nähere mich, indem ich überlege, was Jesus nicht gesagt hat.

Anfang der Arie spielen (Guiomar)

 „Ich habe es vollbracht.“

 

Nein, das sagt Jesus nicht. Nicht er hat gehandelt, nicht er hat es vollbracht. Er spielt sich nicht in den Vordergrund. Er hat sich in Gottes Hand gegeben. Er geht den Weg der Wahrheit und dadurch folgt er der Schrift, erfüllt seine Bestimmung. Er lässt sich ans Kreuz schlagen, um zu sterben. Aber er hat es nicht vollbracht.  In der Lesung haben wir zweimal diese 3 Worte gehört. In Vers 28  „danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war…“. Und gleich darauf in Vers 30 „ Jesus sprach: Es ist vollbracht.“ Gewiss kein Zufall, sondern Absicht um den Worten Gewicht zu verleihen.

Anfang der Arie spielen (Guiomar)

„Ich habe es geschafft.“

 

Auch das sagt Jesus nicht. Etwas geschafft haben, das heißt nicht gleich es zu Ende zu bringen. Das Wort geschafft hat nicht diese Endgültigkeit. Schaffe ich etwas, dann kann es auch ein Abschnitt sein. Ich schaffe 5 km zu Laufen, ich schaffe es eine Sprache zu erlernen. Ich schaffe es gelassen zu bleiben. Ist etwas geschafft, bleibt ein positives Gefühl, eine Leistung wurde erbracht, aber ich baue darauf auf, es geht weiter, quasi ein Etappenziel.

Anfang der Arie spielen (Guiomar)

 

„Es ist zu Ende.“ 

Nein, auch das sagt Jesus nicht. Ist etwas vollbracht, so ist es natürlich zu Ende, aber vieles kann zu Ende gehen. Die Kindergartenzeit, die Schulzeit, ein Kinofilm. Zu Ende sein: das ist nicht stark genug. Es ist vollbracht, das ist der großer Wurf, eine gigantische Anstrengung, etwas was man nur einmal im Leben bewerkstelligen kann und wird.

Worte waren dem Evangelisten Johannes wichtig. Seine Worte sind uns überliefert und werden auch heute noch immer wieder gelesen. Worte sind auch für uns wichtig. Das gesprochene Wort hat einen großen Stellenwert in unserer Zeit, da es unseren Verstand anspricht. Die Musik hingegen spricht unsere Gefühle an. Deswegen gehört Musik in unsere Gottesdienste und bereichert sie. Die Worte „Es ist vollbracht“, sind oft vertont worden.  Ich habe lange in einer Kantorei gesungen. Und gleich zu Beginn, als ich über die Worte, die mich immer wieder aufs Neue stark bewegen, nachgedacht habe, hatte ich diese wunderbare Arie aus der Johannespassion von Bach im Ohr. „Es ist vollbracht – Predigtreihe Passionspredigten Herzogenrath“ weiterlesen

Von Gott verlassen? Predigtreihe Passionspredigten Herzogenrath, Renate Fischer-Bausch

Herzogenrath Passionspredigtreihe in der Markuskirche 2020

 „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“  (Markus 15,34)

Sonntag Lätare, 22. März 2020

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen Amen

Liebe Gemeinde,

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“  Markus 15,34

Aufschreckend und todesmutig, laut geschrien und hörbar ist dieses – eines von sieben Worten, die Jesus gesagt haben soll, als er ans Kreuz genagelt war. Markus, einer der ältesten von denen, die von Jesus als Gottessohn – von seinen Worten, Taten und von seinem Sterben und Auferstehen in einem Evangelium erzählt haben, hat uns dieses Wort als eines der letzten Worte Jesu am Kreuz so überliefert: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“…

Jesus hängt am Kreuz, ein quälendes  Stück über dem Boden erhöht, so dass die Füße keinen Raum mehr haben, Schritte zu tun – die Hände /die Handgelenke sind ihm gebunden und übereinander gelegt –  die Füße. Nägel sind hindurchgetrieben. Ein unbeschreiblicher Schmerz durchzieht den ganzen Menschen – steigert sich – alles wird zur Qual von Kopf bis Fuß, in den Händen und Armen – der Atem wird knapp, der Kreislauf versagt allmählich – es ist ein elendes  Leiden – ein über Stunden dauerndes, stundenlanges Sterben.

Es ist ein Sterben, das von Schuld herkommt, das andere so für Jesus herbeigeführt  haben durch unsolidarisches Verhalten, Verrat, Auslieferung, Verleugnung, Nicht-Verhindern, Verurteilen, Vollstrecken.

Es ist ein Sterben, bei dem den nächsten Angehörigen das  Dabeisein verwehrt wurde, bei dem andere, Außenstehende  dem Sterbenden zusehen: gleichgültig, seine Kleidung bereits verlosend, auf seinen Besitz bedacht.

Argwöhnisch, mit lieblosem Blick wird der sterbende Jesus bewacht, sein Schwächer –Werden wird verhöhnt, sein sich Dahingeben ohne Gewalt – verspottet.

Auf der Hinrichtungsstätte, der Schädelstätte Golgatha in den Schmerz, in die Angst vor dem Tod getrieben, in die Verzweiflung über die Endlichkeit und Vergänglichkeit allen Wirkens – so hängt Jesus am Kreuz. Da ist keiner, der Anteil nimmt oder helfend eingreift, … im Gegenteil:

Schaulustig gehen die, die da sind, auf Abstand, halten Distanz – sehen und hören, was sie sehen und hören wollen: einen Sterbenden, einen der aufgibt und das, wofür er gelebt hat.??

Was ist das für ein Sohn Gottes, der ein solches Ende nimmt? So etwas kann doch keinem Gott widerfahren?!

Am Kreuz Jesu scheitert jede traditionelle Vorstellung von Gott….. „Von Gott verlassen? Predigtreihe Passionspredigten Herzogenrath, Renate Fischer-Bausch“ weiterlesen

Die sieben Worte Jesu am Kreuz, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2020

Herzogenrather Passionspredigtreihe in der Markuskirche 2020, 1. Predigt

1 „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Lk 23,34

Liebe Gemeinde,

seit dem Mittelalter werden die sieben Worte Jesu am Kreuz meditiert. Die letzten Worte Jesu haben eine breite literarische Spur hinterlassen. Viele von ihnen sind in das kollektive Bewusstsein eingegangen. Unsere Predigtreihe über die sieben Worte Jesu am Kreuz beginnt mit dem ersten: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lukas 23,34)

Es steht im Lukasevangelium. Stück für Stück möchte ich es entfalten und herausstellen, dass das erste Wort Jesu am Kreuz uns zu einem guten Leben führen will.

 

Vater

Jesus redet Gott mit Vater an. Jesus sagt einfach Vater zu Gott. Vorher hat Gott Jesus bei seiner Taufe Sohn genannt (Lukas 3,22). Ich habe das Lukasevangelium durchgeblättert und festgestellt, dass der lukanische Jesus Gott wiederholt direkt mit Vater anspricht.

Am auffälligsten ist das beim Vater unser, dem bekanntesten Gebet der Christenheit, wenn nicht des ganzen Erdkreises. Wir haben es nach dem Matthäusevangelium aus der Bergpredigt gelernt, und aus „Unser Vater“, wie es bei Matthäus heißt, wurde das „Vater unser“. In der Feldrede bei Lukas lehrt Jesu seine Jüngerinnen und Jünger einfach Vater zu sagen – ohne jegliches Pronomen. „Vater! Dein Name werde geheiligt! Dein Reich komme!“ (Lukas 11,2)

Weiter fällt auf: Lukas ist der einzige Evangelist, der das bekannte Gleichnis vom verlorenen Sohn erzählt (Lukas 15). Im Gleichnis ist es der Vater, der den verlorenen Sohn mit offenem Armen wieder aufnimmt, obgleich der Sohn sich vorher von ihm losgesagt hatte. Jesus, der Lehrer in der Synagoge; Jesus, der das Reich Gottes verkündigt in Worten und kraft des Geistes durch Heilungen; Jesus, der in Gleichnissen spricht; der sterbende Jesus am Kreuz und der auferweckte Jesus nennt Gott schlicht Vater. „Die sieben Worte Jesu am Kreuz, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2020“ weiterlesen