Mit Walter Benjamin unterwegs, Rezension von Markus Chmielorz, Dortmund und Christoph Fleischer, Welver 2019

Zu: Frank Voigt, Nicos Papadakis, Jan Loheit, Konstantin Baehrens (Hg.): Material und Begriff, Arbeitsverfahren und theoretische Beziehungen Walter Benjamins, Argument Sonderband Neue Folge AS 322, Argument Verlag Hamburg 2019, 319 Seiten, Softcover, ISBN: 978-3-86754-322-4, Preis: 24,00 Euro,

Link: https://argument.de/produkt/material-und-begriff-arbeitsverfahren-und-theoretische-beziehungen-walter-benjamins/

 

„Methode dieser Arbeit: literarische Montage. Ich habe nichts zu sagen. Nur zu zeigen. Ich werde nichts Wertvolles entwenden und mir keine geistvollen Formulierungen aneignen. Aber die Lumpen, den Abfall: die will ich nicht inventarisieren, sondern sie auf die einzig mögliche Weise zu ihrem Rechte kommen lassen: sie verwenden.”(Walter Benjamin, Passagenwerk)

Mit Benjamin unterwegs – zu Orten, Personen, Literaturen, in die Geschichte. Auf den Spuren Benjamins – buchstäblich und sinnbildlich: auf dem Weg und Methode. Was am Wegesrand vorzufinden ist: Geschichte(n), Literatur, Gespräche als Material – buchstäblich und sinnbildlich: inmitten von Text-Gebirgen und Montagen. Sagen oder zeigen, inventarisieren oder verwenden, das ist der Gegensatz von Deuten und Sehen, von Auf-den-Begriff bringen und anerkennen, von Aneignen und Zu-ihrem-Recht-kommen-lassen. Das Material hat seine eigene Sprache – das Ästhetische hat seine eigene Rationalität – die sich entzieht, die widerspenstig ist, die die Lücke markiert zum Begriff, zum nicht einholbaren Rest, der wieder und wieder nicht aufgeht im Begriff. Vor der „Anstrengung des Begriffs“ kommt bei Benjamin das „Materialstudium“. Es geht ihm um eine „historisch-kritische Materialgerechtigkeit“, um eine „Entfaltung des Begriffs am Material“ – eine Konzeption von Utopie, in der das Abwesende im Anwesenden zur Sprache kommt. So wird in der Montage des Materials die Konstruktion sichtbar und in der Konstruktion der Bruch zwischen Material und Begriff. Und mit Benjamin unterwegs sein und dem Material eingedenk sein heißt, den Bruch zwischen Biographischem und Historischen sichtbar machen im wechselseitigen Prozess zwischen Individualisieren und Historisieren.

Mit Benjamin auf dem Weg sein, seiner Spur folgen, sich im Vorübergehen zuwenden – und eine Parallele zwischen Passage und Pessach scheint auf: „Das Blut an den Häusern, in denen ihr wohnt, soll für euch ein Zeichen sein. Wenn ich das Blut sehe, werde ich an euch vorübergehen und das vernichtende Unheil wird euch nicht treffen, wenn ich das Land Ägypten schlage.“ (2. Mose, 12,13) – vom Kopf auf die Füße gestellt, kann der nicht vorübergehen, der nicht das Blut sieht, der nicht Leid, Schmerz und Gewalt eingedenk ist. Benjamins Arbeit ist die Arbeit dessen, der dem eingedenk ist. (MC.)

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