Predigt 1 Thessalonicher 5,1-11   Was wäre, wenn Jesus heute wiederkäme? Joachim Leberecht, Herzogenrath 2020

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Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr November 2020

Liebe Gemeinde,

In seinem Roman „Die Brüder Karamasow“ lässt Fjodor M. Dostojewski im Kapitel „Der Großinquisitor“ Jesus auf die Erde wiederkommen.

(Fjodor Dostojewskij: Die Brüder Karamasow, S.Fischer, Frankfurt am Main, 2006, in der Neuübersetzung von Swetlana Geier. Hier: Der Großinquisitor. Fünftes Buch, Kapitel V, S.397ff.)

Der Großinquisitor fragt Jesus: „Warum bist du gekommen, uns zu stören?“ (S.403) Jesus wird eingekerkert und am Ende entlässt der Großinquisator Jesus mit den Worten: „Geh und komme nicht wieder…. Komme nie mehr wieder…. Niemals, niemals!“ (S.424)

Was würden wohl die Kirchen und die, die das Sagen in der Welt haben, mit Jesus machen, wenn er heute wiederkäme?

Würden sie ihn, der ganz Wahrheit ist, aushalten?

Würden sie ihn, der ganz Liebe ist, aushalten?

Wer kann das schon, Jesus ganz aushalten?

 

Wer spürt nicht, dass wenn Jesus heue wiederkäme, er auch zum Gericht käme? Über uns und über die Welt, über das, was im Argen und im Dunklen liegt?

Sein Gericht würde hinüberfahren über alle, die die Wahrheit durcheinanderbringen, Lügen verschleiern als Wahrheit, mit ihrer Verdrehung der Fakten medial die Deutungshoheit beanspruchen und Menschen bewusst aufwiegeln. Nicht umsonst wird die mythologische Gestalt des Teufels in der Bibel Durcheinanderbringer genannt. Das erleben wir in vielen Varianten hautnah. Wir können uns dem nicht entziehen. Es ist wie so oft: Die Wahrheit stirbt zuerst im medialen Krieg. Das Internet, einst als demokratisches Medium gepriesen, der Beteiligung aller am Diskurs, ist heute zum großen Teil in den sozialen Medien ein Brandbeschleuniger von Hassbotschaften, Rassismus jeglicher Couleur und Verschwörungstheorien.

 

Lasst euch nicht durcheinanderbringen, würde Paulus uns heute schreiben. Auch nicht in Corona-Zeiten. Bleibt auf dem Weg. Bleibt bei Jesus. Ihr lebt nicht im Dunkeln und müsst auch nicht in Ängsten leben. Ihr seid Kinder des Lichts und Kinder des Tages.

Seid wachsam und bleibt nüchtern. Lasst euch nicht vernebeln, bleibt klar im Kopf, seid keine Schlafmützen.

Schützt euch aktiv vor Verwirrung und besinnt euch auf den Glauben, den ihr angenommen habt.

Damit spricht Paulus eine Dimension an, die uns auch heute helfen kann, unser Leben zu bestehen und im Glauben zu bleiben. Für mich ist es nämlich nicht so, dass Jesus erst am Ende der Tage wiederkommt, sondern er fährt schon heute hinein in unser Leben durch seinen Geist, richtet uns schon heute, richtet uns schon heute auf, gibt uns durch den Geist Gedanken ein, dass wir uns zum x-ten Mal versöhnen mit unserer Partnerin und unserem Partner, dass wir ein Auge haben für die, die sich zurückziehen und verstummen, dass wir Verantwortung übernehmen für einen Menschen, für eine Aufgabe.

Wir können Jesu Wiederkommen nicht verschieben auf den St. Nimmerleinstag, sondern Jesus kommt immer dann, wenn wir für ihn offen sind. Jesus kommt immer augenblicklich im Geist der Versöhnung, der Wahrheit, der Liebe und des Guten. Da Jesus im Glauben schon heute zu uns kommt, wird Jesus auch einst am Ende der Tage für alle sichtbar kommen.

Foto: Niklas Fleischer (co)

Klare Orientierung in allem Dunkeln gibt der Glaube an Jesus. Nicht aus uns selbst sind wir Kinder des Lichts und des Tages, sondern in Verbindung mit Jesus. Sein Licht leuchtet im Glauben in uns auf und macht uns widerständig gegen die Irrlichter dieser Welt und in uns selbst.

Im Glauben sind wir geschützt wie ein Mensch, der eine kugelsichere Weste trägt, um seine kostbare Gottesbeziehung – früher sagte man Seelenheil – zu bewahren. Auch schützt uns die Liebe zum Nächsten, die konkrete Hilfe für den anderen oder die andere, die Liebe zu allen Menschen als Geschöpfe Gottes. Sie ist nicht immer da, aber immer wenn sie da ist, dann ist Jesus wiedergekommen.

Ein Helm schützt uns vor der Verletzung unseres Kopfes. So kann die Hoffnung auf die Zukunft Gottes, auf das Wiederkommen Jesu, uns vor Resignation schützen. Es ist eine Hoffnung über den Zerstörer Tod hinaus. Wir sind stark oder schwach, ja, aber die lebendige Hoffnung, die Jesus uns durch den Geist schenkt, die ist groß, größer als wir, und kann uns durchtragen.

In diesem Sinn schließe ich mit Paulus Worten:

„Macht euch gegenseitig Mut und baut einander auf, wie ihr es ja schon tut.“ (1. Thess.5,11)

 

 

 

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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