Zu: Kurt Erlemann: Gleichnisse. Theorie – Auslegung – Didaktik, in: UTB 5494, Narr Francke Attempto Verlag, Tübingen 2020, ISBN 978-3-8252-5494-0, 362 S, € 29,90.
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Was ist eine Gnome, eine Metonymie oder eine Synekdoche? Im Alltag des Pfarrberufs mögen diese und ähnliche Begriffe wohl kaum eine Rolle spielen. Wenn es aber um Gleichnisse geht, dann können sie zum Verständnis einiges beitragen.
Kurt Erlemann, Professor für Neues Testament und Alte Kirche an der Bergischen Universität Wuppertal, hat mit seiner Neuveröffentlichung ein umfassendes und wegweisendes Kompendium in der bekannten UTB-Reihe vorgelegt.
Dabei leitet er nicht nur an, die verschiedenen Begriffe und ihre Bedeutungen im Blick auf die neutestamentlichen Gleichnisse anzuwenden und zu verstehen, sondern zeichnet auch die Entwicklung der Gleichnisforschung nach. Ging Adolf Jülicher noch von religionsgeschichtlich geprägten und festgefügten literarischen Mustern aus, so ist man heute der Ansicht, dass der Übergang von der mündlichen Tradition zur Verschriftlichung wesentlich dynamischer erfolgt ist und von der ursprünglichen Jesus-Tradition mehr bewahrt hat, als eine schematische Stilisierung vermuten ließe. Dabei ist der Alltagsbezug ein wesentlicher Gesichtspunkt, der erst den Bezug zur Gottesherrschaft zulässt. Das darin vermittelte Gottesbild legt Gott nicht einseitig fest, sondern hilft ihn und sein Handeln in unterschiedlichen Alltagsbezügen zu verstehen. Gerade diese Offenheit ermöglicht immer neu zeitbezogene Deutungen und unterscheidet sie von Allegorien, die diese Deutungen immer schon mitbringen.
Methodisch hilft die Anwendung der Textlinguistik, der Traditionsgeschichte, des redaktionsgeschichtlichen Vergleichs und der Redaktionskritik, die Texte zu decodieren (S. 136). Anhand von zwölf Musterexegesen erschließt Erlemann auf diese Weise jeweils den theologischen, den christologischen, den pneumatologischen, den kosmologischen, den anthropologischen, den ekklesiologischen, den ethischen, den soteriologischen und den eschatologischen Aspekt von Texten aus den Evangelien und den Korintherbriefen. Mit diesem Raster lassen sich leicht weitere Texte erschließen.
In einem weiteren Teil beschreibt Vf. die Bedingungen, unter denen sich Gleichnisse unter didaktischen Gesichtspunkten erschließen lassen. Anhand einer Auswahl von sieben Musterbeispielen bereits behandelter Gleichnisse entwickelt er eine Reihe 45-minütiger Unterrichtsverläufe für unterschiedliche Schulstufen. Die behandelten Themen sind auf die Alltagswelt der Schülerinnen und Schüler bezogen. Die Lernzieldimensionen werden jeweils kognitiv, expressiv-emotiv und praktisch ausformuliert. Wenn auch nicht alle der Gleichnisse in den Lehrplänen aufgeführt sind, so erscheint die Auswahl aus inhaltlichen Gründen sinnvoll.
Ein Textstellenverzeichnis sowie eine nach Kategorien und Themen geordnete Übersicht eröffnen die Möglichkeit, die gewonnenen Einsichten auf die eigene Weiterarbeit in der Praxis anzuwenden. Ein Glossar und ein Schlagwortregister ermöglichen auch dem theologisch weniger gebildeten Leser einen schnellen Zugang zu den behandelten Inhalten. Das umfangreiche Literaturverzeichnis bietet schließlich einen repräsentativen Querschnitt durch die Gleichnisforschung seit 1903, wobei der Schwerpunkt auf dem aktuellen Stand liegt.
Insgesamt lässt sich sagen, dass mit diesem Buch ein vielseitiges und disziplinenübergreifendes Instrumentarium vorliegt, das sowohl über den aktuellen Stand der Interpretation von Gleichnissen informiert als auch zum selbständigen Umgang mit deren Auslegung anleitet. Es ist gleichermaßen ein Lehr- und Praxisbuch, das zum Lesen, Blättern und Nachschlagen einlädt und Zugänge zum Thema von verschiedenen Seiten aus ermöglicht. Das, was Helmut Thielecke einst als das „Bilderbuch Gottes“ bezeichnete, ist seit den Zeiten der Urkirche fernab von jeder abstrakten Dogmatik lebendige Verkündigung, die bis heute ihre Relevanz im Leben der Hörer entfaltet. Dem trägt das Gleichnisbuch von Kurt Erlemann in umfassender Weise Rechnung.