Interview mit Sebastian Schwarz über das Genre des Slasher – Films. Christoph Fleischer, Werl 2010.

Info: Sebastian Schwarz. Mordlust im und für den Slasherfilm: Ein Beitrag zur Diskussion um das Subgenre „Slasher“ aus rezeptionsästhetischer Sicht, Verlag Dr. Müller 2010. Das Interview ist in Form von Frage- und Antwortaustausch über Emails entstanden und gibt kein Gespräch wieder.
Hinweis: Am Schluss des Interviews befindet sich ein Bild vom Cover des Buches.

Christoph Fleischer: Was bedeutet die Tatsache, dass mit dem Wort „Genre“ für den Bereich „Film“ ein spezieller Begriff der Gattung oder Art entstanden ist?

Sebastian Schwarz: Nun, das Wort „spezieller“ würde ich gar nicht in Zusammenhang mit Genre stellen, da dieser Begriff selber ein sehr weitreichendes Wort darstellt. Begriffsfindungen sollen der Kommunikation helfen, so auch der Begriff „Genre“ – wir hätten auch bei Gattung und Art bleiben können.

Christoph Fleischer: Inwiefern ist das Element „Horror“ verwandt mit Religion?

Sebastian Schwarz: Horror bezeichnet die Angst vor etwas Unbekanntem, etwas, was man nicht (be- oder er-) greifen kann. Horror vacui bezeichnet zum Beispiel die Angst der Natur vor der Leere. Dadurch erlangt dieses Unbeschreibliche eine Transzendenz, ähnlich der Religion.

Christoph Fleischer: Was heißt: Das Monster kann nicht ohne Zuschauer existieren?

Sebastian Schwarz: Damit wir uns richtig verstehen, ich meine damit das Monster auf der Leinwand: Das verkörperte Monster oder auch das Andere ist aus psychologischer Sicht die Reflexion eigener Ängste. Es bildet somit ein Abbild des Unbeschreibbaren des eigenen Selbst. Und wenn der Zuschauer fehlt, wo ist dann das Monster? Eine ganz andere Erklärung wäre: Wenn es keinen Zuschauer gibt, ist der Film nicht rentabel und damit redundant.

Christoph Fleischer: Was heißt: Wiederkehr der Anderen?

Sebastian Schwarz: Die Wiederkehr in meinem Buch beschreibt die Kontinuität des Schreckens, die der Serienkiller auslöst. Er kommt immer wieder, was sich zudem auch als gewinnbringende Methode in Bezug auf Genre zeigt.

Christoph Fleischer: Wenn ich das Buch richtig verstanden habe, hat der „Serienkiller“ psychologisch gesehen eine symbolische Seite. Kommt dann nicht mit seiner Wiederkehr auch diese Seite wieder?

Sebastian Schwarz: Ja, sie kommt immer wieder. Sie ist nicht wegzudenken, denn nur so funktionieren die Regeln des Genres. Weiter noch, nur so ist die Existenz von Final Girl und weiteren Elementen möglich. Das Symbolische ist im Slasher auch immer ein Zeichen der Kontinuität und der ständigen Bedingung.

Christoph Fleischer: Welche Rolle spielt der Körper im filmischen Exzess und warum identifiziert sich der Zuschauer damit?

Sebastian Schwarz: Moment, der Zuschauer IDENTIFIZIERT sich gar nicht, er sympathisiert höchstens. Der Körper ist eine sehr wichtige Zutat für den Horrorfilm. Er bietet, als größtes menschliches Organ, genug „Spiel“raum für Projektionen um Zeigehandlung voran zu bringen. Der Körper besitzt zudem die größte Sinnlichkeit am Menschen. Das weiß der Zuschauer, weshalb die eigene taktile Sinnlichkeit auf die im Film Agierenden übertragen wird, und das weiß der Produzent, weshalb die Körperzerstörung so zelebriert wird. Wir sprechen hier von Kommunikation.

Christoph Fleischer: Ersetzen die spirituellen Figuren des Horror eine religiöse Welt? Oder haben sie eine politische Funktion?

Sebastian Schwarz: Nein, die ersetzen nichts, sondern befriedigen Bedürfnisse. Selbstverständlich haben Horrorfilme eine politische Funktion. Gehen wir nur 50 Jahre zurück und schauen uns die Horrorfilme an – hier sieht man Kriegsängste. Oder schauen Sie sich neuzeitige Horrorfilme an, die Katastrophe vom 11. September ist auch hier zu erkennen.

Christoph Fleischer: Welche Rolle spielt die Grenzüberschreitung für die kulturelle Entwicklung der Gesellschaft?

Sebastian Schwarz: Das ist sehr spannend. Ich würde sagen, dass sie die notwendige Konsequenz von kultureller Entwicklung selbst ist. Durch die Überschreitung kommt es zu Neuentstehung, was Kultur ermöglicht.

Christoph Fleischer: Kann man sagen: Das Bedürfnis der Menschen zur Auseinandersetzung mit dem Tod zeigt sich heute im Horror?

Sebastian Schwarz: Kann man bestimmt, ich würde es aber nicht sagen. Die Auseinandersetzung mit dem (eigenen) Tod ist eine Sache, die ich allein mit mir führe. Der Film verführt mich; ich bin mit ihm im Gespräch, da wird sich nicht groß mit der eigenen Sterblichkeit auseinander gesetzt, sondern da wird (relativ) kurzzeitig miterlebt.

Christoph Fleischer: Warum sind die Sinneswahrnehmungen so wichtig? Was sollen Adrenalinschübe bewirken?

Sebastian Schwarz: Das Wort „Sinneswahrnehmung“ erklärt sich ja von selbst, die Wahrnehmung geschieht über die Sinne. Dies ist für das emotionale Fühlen, Verstehen, Denken von Wichtigkeit. Adrenalinschübe sind besondere explosive Fluten in einem Selbst, die einem beweisen, wie lebendig man ist. Ist es nicht schön am eigenen Leib zu erfahren, wie es ist, lebendig zu sein?

Christoph Fleischer: Können Medien ein Individuum zur Gewalt bringen? Warum unterstützen politische Institutionen die Meinung, Medien könnten ein Individuum gewalttätig machen?

Sebastian Schwarz: Das ist schwierig. Grundsätzlich würde ich sagen: Nein, gewalthaltige Inhalte führen nicht zur Nachahmung. Aber man kann das leider nicht verallgemeinert festhalten, denn sie machen zudem erfinderisch. „Vorgeschädigte“ Individuen sind labil bei der Aufnahme solcher Inhalte, die zwischen Diegese (Filmwelt) und Wirklichkeit (Alltäglichkeit) nicht unterscheiden können, bzw. bei denen Verschiebungen auftreten. Darum ist es wichtig nicht die Medien zu verbieten und ständig zu kommunizieren, sie seien gefährlich, sondern aufzuklären – am besten am Medium selbst.

Christoph Fleischer: Warum muss zwischen realer und medialer Gewalt unterschieden werden? Warum ist es wichtig, Formen von Aggression zu unterscheiden?

Sebastian Schwarz: Weil die Gewaltarten ganz unterschiedliche sind. Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Die Ursprünge, die Sozialisation, die Intensität, … all das sind Faktoren, die nicht miteinander verglichen werden können. Und es ist schon gar nicht möglich daraus allgemeine Wirkungsweisen zu ziehen. Genauso schaut es auch mit der Aggression aus. Auch hier erlauben unterschiedliche Wirkungsgrade von Aggressionen keine Verallgemeinerungen. Aber um das genauer zu schreiben, würden wir hier den Platz sprengen.

Christoph Fleischer: Welche Wirkungen können von visueller Gewalt ausgehen? Was ist der Unterschied zwischen audiovisueller Lust an medialer Gewalt und akuter Gewaltbereitschaft?

Sebastian Schwarz: Es sind ganz unterschiedliche Wirkungen: Ablehnung, Ekel, Lust, Interesse, etc. Jeder erlaubt sich seine eigene Wirkung. Der zweite Teil der Frage ist schon genauer zu beantworten. Akute Gewaltbereitschaft ist pathologisch, über deren Herkunft der Täter im ausführenden Moment nicht nachdenkt. Dies ist der Unterschied zu audiovisueller Lust an medialer Gewalt, diese wird durch das Bewusstsein gesteuert.

Christoph Fleischer: Wie kann der Rezipient über die Bedeutung des Mediums verfügen, wo dieses doch ein fertiges Produkt darstellt?

Sebastian Schwarz: Die Bedeutung von Filmen erschließt sich aber erst durch die Sichtung. Bilder und Ton (seitens des Films) treffen auf sozio-kulturelle, wissensbedingte, religiöse, etc. Erfahrungshorizonte. Durch diese Interaktion entsteht im Zwischenraum die Bedeutung.

Christoph Fleischer: Wie kann man denken: „Das Kunstwerk entsteht erst im Moment der Betrachtung“? Was kann ich mir unter Lustgewinn beim Film vorstellen, insb. bei Gewalttätigkeiten? Wie kann man dabei Lust empfinden? Was ist Lust am Text? Wieso kommt es, dass Lust einmal intellektuell kognitiv ist, einmal emotional?

Sebastian Schwarz: Puh, das sind eine Menge Fragen. Zuerst das Erkennen eines Kunstwerks. Der bildenden Kunst ist dies einfach eingeschrieben: Kunst steht entweder im Museum oder entsteht bei der Betrachtung / im Erleben. Auch hier tritt das ein, was ich schon weiter oben genannt habe – das Erkennen von Bedeutungen. Der Horrorfilm ist polysem strukturiert, was bedeutet, dass durch ihn unterschiedliche Zuschauer unterschiedlich erreicht werden. Gerade bei Horrorfilmen ist die Anregung von körperlichen, psychischen und emotionalen Aktivierungen (Muskelkontraktionen, Empathie, Angst, Adrenalinausschüttungen, lachen, schwitzen, Herzfrequenzveränderungen, etc.) stark vertreten. Das bei diesen Erlebnissen auch (Ge-)Lüste entstehen, ist ganz natürlich. Die Lust dabei besitzt unterschiedliche Auslöser und Interessen. Es kommt auch hier wieder auf den Rezipienten an.

Christoph Fleischer: Warum bekommen Teenager eine wichtige Rolle im Film? Warum wird von Slasher in erste Linie das adoleszente Publikum angesprochen?

Sebastian Schwarz: Weil sie sich selber sehen! Ist es nicht paradox? Teenager sehen sich gerne Filme an, in denen sie ihres Gleichen abgeschlachtet sehen? Ich finde das unglaublich und sehr verwirrend. Und vielleicht ist es genau das, was man in der Adoleszenz erlebt – eine Menge Verwirrungen und das eigene Gefühl sich da beweisen zu müssen.

Christoph Fleischer: Warum findet trotz Einfühlung und Rollenübernahme keine Identifikation statt?

Sebastian Schwarz: Weil eine Identifikation ein durch sehr viele Faktoren bestimmter Prozess ist, der nicht aufhört. Die Sichtung eines 2-Stunden Films führt nicht dazu, dass ich in diesem Moment diese Person BIN. Man sympathisiert höchstens oder genauer, die Distanz zur Diegese (Filmwelt) verringert sich durch Selbsterkennung. Man ist und bleibt Zuschauer, und nicht vorübergehend Opfer / Täter.

Christoph Fleischer: Das Ende des Films trägt mit der femininen Seite zur Vollendung der Adoleszenz bei, um das Maskuline zur Reife zu bringen? Was ist mit weiblichen Zuschauern?

Sebastian Schwarz: Was soll mit denen sein? Es geht doch um die weibliche Figur im Film. Bitte vertauschen Sie nicht Diegese (Filmwelt) und Alltäglichkeit.

Christoph Fleischer: Die Frage bezog sich darauf, dass die Formulierung im Buch hinsichtlich unterschiedlicher Geschlechterrollen mir unterschwellig aus einer männlichen Perspektive formuliert schien, so dass ich den Eindruck hatte, dass diese weibliche Rolle am Schluss an das männliche Publikum gerichtet ist. Doch da habe ich wohl zu viel hineingelesen, oder?

Sebastian Schwarz: Ach so meinen Sie das. Nun, das Slashergenre ist genauer betrachtet ein sehr feministisches und (trans-) gegendertes Subgenre. Kein Genre hat die „Entwicklung“ von Frauenrollen so intensiv behandelt, wie der Slasher, wenn auch in einer sehr gewaltexpliziten Darstellung. Es geht nicht wirklich darum, dass die Frau „maskulinisiert“ wird und sich an den männlichen Zuschauer richtet, das überlassen wir lieber dem Actiongenre, sondern darum, dass die Frau an Macht und Stärke gewinnt. Man könnte deshalb eher von einer „Phallisierung“ sprechen. Nichts desto trotz kommt damit eine Traumatisierung einher, da das Final Girl am Ende den Terror erlebt hat, und ihn nicht los wird. Dies zeigt sich hier wieder in der Wiederkehr des Killers.

Christoph Fleischer: Was bedeutet das Spannungsverhältnis zwischen schwach und stark im Film?

Sebastian Schwarz: Diese kulturellen Konventionen haben wir durch viele Filme, Fernsehen, Bücher, Musik, etc. gelernt. Im Slasherfilm haben wir es mit körperlicher Schwäche / Stärke und geistiger Schwäche / Stärke zu tun, im jeweiligen Anderen ist es zu finden – meistens wechseln diese Seiten zum Ende des Films hin. Das Spannungsverhältnis zwischen schwach und stark hält den Film aufrecht und ist ein narratives Mittel.

Christoph Fleischer: Was heißt: Haus und Familie werden zur Quelle der Gefahr? Geht es dabei auch unausgesprochen um traumatische Erfahrungen in der Kindheit?

Sebastian Schwarz: Aber klar. Schauen Sie sich Filme wie „Halloween“, „Prom Night“, „Scream“, etc. an. Das Andere und die Angst davor ist nicht mehr „irgendwo da draußen“, sondern schon lange im eigenen Blut. Die traumatische Erfahrung ist ein Leitmotiv des Slashers.

Christoph Fleischer: Welche Bedeutung hat die hohe Zahl der Opfer im Film?

Sebastian Schwarz: Ganz klar – der Film muss sich verkaufen. So einfach ist das. Wenn man aber etwas genauer hinschaut, so braucht man doch einen berechtigten Grund, um das Final Girl zu traumatisieren, oder nicht? Und das geht nur durch überdurchschnittlichen Terror, Angst und Tod.

Sebastian Schwarz: Nun, das Wort „spezieller“ würde ich gar nicht in Zusammenhang mit Genre stellen, da dieser Begriff selber ein sehr weitreichendes Wort darstellt. Begriffsfindungen sollen der Kommunikation helfen, so auch der Begriff „Genre“ – wir hätten auch bei Gattung und Art bleiben können.

Christoph Fleischer: Inwiefern ist das Element „Horror“ verwandt mit Religion?

Sebastian Schwarz: Horror bezeichnet die Angst vor etwas Unbekanntem, etwas, was man nicht (be- oder er-) greifen kann. Horror vacui bezeichnet zum Beispiel die Angst der Natur vor der Leere. Dadurch erlangt dieses Unbeschreibliche eine Transzendenz, ähnlich der Religion.

Christoph Fleischer: Was heißt: Das Monster kann nicht ohne Zuschauer existieren?

Christoph Fleischer: Damit wir uns richtig verstehen, ich meine damit das Monster auf der Leinwand: Das verkörperte Monster oder auch das Andere ist aus psychologischer Sicht die Reflexion eigener Ängste. Es bildet somit ein Abbild des Unbeschreibbaren des eigenen Selbst. Und wenn der Zuschauer fehlt, wo ist dann das Monster? Eine ganz andere Erklärung wäre: Wenn es keinen Zuschauer gibt, ist der Film nicht rentabel und damit redundant.

Christoph Fleischer: Was heißt: Wiederkehr der Anderen?

Sebastian Schwarz: Die Wiederkehr in meinem Buch beschreibt die Kontinuität des Schreckens, die der Serienkiller auslöst. Er kommt immer wieder, was sich zudem auch als gewinnbringende Methode in Bezug auf Genre zeigt.

Christoph Fleischer: Wenn ich das Buch richtig verstanden habe, hat der „Serienkiller“ psychologisch gesehen eine symbolische Seite. Kommt dann nicht mit seiner Wiederkehr auch diese Seite wieder?

Sebastian Schwarz: Ja, sie kommt immer wieder. Sie ist nicht wegzudenken, denn nur so funktionieren die Regeln des Genres. Weiter noch, nur so ist die Existenz von Final Girl und weiteren Elementen nur möglich. Das Symbolische ist im Slasher auch immer ein Zeichen der Kontinuität und der ständigen Bedingung.

Christoph Fleischer: Welche Rolle spielt der Körper im filmischen Exzess und warum identifiziert sich der Zuschauer damit?

Christoph Fleischer: Moment, der Zuschauer IDENTIFIZIERT sich gar nicht, er sympathisiert höchstens. Der Körper ist eine sehr wichtige Zutat für den Horrorfilm. Er bietet, als größtes menschliches Organ, genug „Spiel“raum für Projektionen um Zeigehandlung voran zu bringen. Der Körper besitzt zudem die größte Sinnlichkeit am Menschen. Das weiß der Zuschauer, weshalb die eigene taktile Sinnlichkeit auf die im Film Agierenden übertragen wird, und das weiß der Produzent, weshalb die Körperzerstörung so zelebriert wird. Wir sprechen hier von Kommunikation.

Christoph Fleischer: Ersetzen die spirituellen Figuren des Horror eine religiöse Welt? Oder haben sie eine politische Funktion?

Sebastian Schwarz: Nein, die ersetzen nichts, sondern befriedigen Bedürfnisse. Selbstverständlich haben Horrorfilme eine politische Funktion. Gehen wir nur 50 Jahre zurück und schauen uns die Horrorfilme an – hier sieht man Kriegsängste. Oder schauen Sie sich neuzeitige Horrorfilme an, die Katastrophe vom 11. September ist auch hier zu erkennen.

Christoph Fleischer: Welche Rolle spielt die Grenzüberschreitung für die kulturelle Entwicklung der Gesellschaft?

Sebastian Schwarz: Das ist sehr spannend. Ich würde sagen, dass sie die notwendige Konsequenz von kultureller Entwicklung selbst ist. Durch die Überschreitung kommt es zu Neuentstehung, was Kultur ermöglicht.

Christoph Fleischer: Kann man sagen: Das Bedürfnis der Menschen zur Auseinandersetzung mit dem Tod zeigt sich heute im Horror?

Sebastian Schwarz: Kann man bestimmt, ich würde es aber nicht sagen. Die Auseinandersetzung mit dem (eigenen) Tod ist eine Sache, die ich allein mit mir führe. Der Film verführt mich; ich bin mit ihm im Gespräch, da wird sich nicht groß mit der eigenen Sterblichkeit auseinander gesetzt, sondern da wird (relativ) kurzzeitig miterlebt.

Christoph Fleischer: Warum sind die Sinneswahrnehmungen so wichtig? Was sollen Adrenalinschübe bewirken?

Sebastian Schwarz: Das Wort „Sinneswahrnehmung“ erklärt sich ja von selbst, die Wahrnehmung geschieht über die Sinne. Dies ist für das emotionale Fühlen, Verstehen, Denken von Wichtigkeit. Adrenalinschübe sind besondere explosive Fluten in einem Selbst, die einem beweisen, wie lebendig man ist. Ist es nicht schön am eigenen Leib zu erfahren, wie es ist, lebendig zu sein?

Christoph Fleischer: Können Medien ein Individuum zur Gewalt bringen? Warum unterstützen politische Institutionen die Meinung, Medien könnten ein Individuum gewalttätig machen?

Sebastian Schwarz: Das ist schwierig. Grundsätzlich würde ich sagen: Nein, gewalthaltige Inhalte führen nicht zur Nachahmung. Aber man kann das leider nicht verallgemeinert festhalten, denn sie machen zudem erfinderisch. „Vorgeschädigte“ Individuen sind labil bei der Aufnahme solcher Inhalte, die zwischen Diegese (Filmwelt) und Wirklichkeit (Alltäglichkeit) nicht unterscheiden können, bzw. bei denen Verschiebungen auftreten. Darum ist es wichtig nicht die Medien zu verbieten und ständig zu kommunizieren, sie seien gefährlich, sondern aufzuklären – am besten am Medium selbst.

Christoph Fleischer: Warum muss zwischen realer und medialer Gewalt unterschieden werden? Warum ist es wichtig, Formen von Aggression zu unterscheiden?

Sebastian Schwarz: Weil die Gewaltarten ganz unterschiedliche sind. Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Die Ursprünge, die Sozialisation, die Intensität, … all das sind Faktoren, die nicht miteinander verglichen werden können. Und es ist schon gar nicht möglich daraus allgemeine Wirkungsweisen zu ziehen. Genauso schaut es auch mit der Aggression aus. Auch hier erlauben unterschiedliche Wirkungsgrade von Aggressionen keine Verallgemeinerungen. Aber um das genauer zu schreiben, würden wir hier den Platz sprengen.

Christoph Fleischer: Welche Wirkungen können von visueller Gewalt ausgehen? Was ist der Unterschied zwischen audiovisueller Lust an medialer Gewalt und akuter Gewaltbereitschaft?

Sebastian Schwarz: Es sind ganz unterschiedliche Wirkungen: Ablehnung, Ekel, Lust, Interesse, etc. Jeder erlaubt sich seine eigene Wirkung. Der zweite Teil der Frage ist schon genauer zu beantworten. Akute Gewaltbereitschaft ist pathologisch, über deren Herkunft der Täter im ausführenden Moment nicht nachdenkt. Dies ist der Unterschied zu audiovisueller Lust an medialer Gewalt, diese wird durch das Bewusstsein gesteuert.

Christoph Fleischer: Wie kann der Rezipient über die Bedeutung des Mediums verfügen, wo dieses doch ein fertiges Produkt darstellt?

Sebastian Schwarz: Die Bedeutung von Filmen erschließt sich aber erst durch die Sichtung. Bilder und Ton (seitens des Films) treffen auf sozio-kulturelle, wissensbedingte, religiöse, etc. Erfahrungshorizonte. Durch diese Interaktion entsteht im Zwischenraum die Bedeutung.

Christoph Fleischer: Wie kann man denken: „Das Kunstwerk entsteht erst im Moment der Betrachtung“? Was kann ich mir unter Lustgewinn beim Film vorstellen, insb. bei Gewalttätigkeiten? Wie kann man dabei Lust empfinden? Was ist Lust am Text? Wieso kommt es, dass Lust einmal intellektuell kognitiv ist, einmal emotional?

Sebastian Schwarz: Puh, das sind eine Menge Fragen. Zuerst das Erkennen eines Kunstwerks. Der bildenden Kunst ist dies einfach eingeschrieben: Kunst steht entweder im Museum oder entsteht bei der Betrachtung / im Erleben. Auch hier tritt das ein, was ich schon weiter oben genannt habe – das Erkennen von Bedeutungen. Der Horrorfilm ist polysem strukturiert, was bedeutet, dass durch ihn unterschiedliche Zuschauer unterschiedlich erreicht werden. Gerade bei Horrorfilmen ist die Anregung von körperlichen, psychischen und emotionalen Aktivierungen (Muskelkontraktionen, Empathie, Angst, Adrenalinausschüttungen, lachen, schwitzen, Herzfrequenzveränderungen, etc.) stark vertreten. Das bei diesen Erlebnissen auch (Ge-)Lüste entstehen, ist ganz natürlich. Die Lust dabei besitzt unterschiedliche Auslöser und Interessen. Es kommt auch hier wieder auf den Rezipienten an.

Christoph Fleischer: Warum bekommen Teenager eine wichtige Rolle im Film? Warum wird von Slasher in erste Linie das adoleszente Publikum angesprochen?

Sebastian Schwarz: Weil sie sich selber sehen! Ist es nicht paradox? Teenager sehen sich gerne Filme an, in denen sie ihres Gleichen abgeschlachtet sehen? Ich finde das unglaublich und sehr verwirrend. Und vielleicht ist es genau das, was man in der Adoleszenz erlebt – ein Menge Verwirrungen und das eigene Gefühl sich da beweisen zu müssen.

Christoph Fleischer: Warum findet trotz Einfühlung und Rollenübernahme keine Identifikation statt?

Sebastian Schwarz: Weil eine Identifikation ein durch sehr viele Faktoren bestimmter Prozess ist, der nicht aufhört. Die Sichtung eines 2-Stunden Films führt nicht dazu, dass ich in diesem Moment diese Person BIN. Man sympathisiert höchstens oder genauer, die Distanz zur Diegese (Filmwelt) verringert sich durch Selbsterkennung. Man ist und bleibt Zuschauer, und nicht vorübergehend Opfer / Täter.

Christoph Fleischer: Das Ende des Films trägt mit der femininen Seite zur Vollendung der Adoleszenz bei, um das Maskuline zur Reife zu bringen? Was ist mit weiblichen Zuschauern?

Sebastian Schwarz: Was soll mit denen sein? Es geht doch um die weibliche Figur im Film. Bitte vertauschen Sie nicht Diegese (Filmwelt) und Alltäglichkeit.

Christoph Fleischer: Die Frage bezog sich darauf, dass die Formulierung im Buch hinsichtlich unterschiedlicher Geschlechterrollen mir unterschwellig aus einer männlichen Perspektive formuliert schien, so dass ich den Eindruck hatte, dass diese weibliche Rolle am Schluss an das männliche Publikum gerichtet ist. Doch da habe ich wohl zu viel hineingelesen, oder?

Sebastian Schwarz: Ach so meinen Sie das. Nun, das Slashergenre ist genauer betrachtet ein sehr feministisches und (trans-) gegendertes Subgenre. Kein Genre hat die „Entwicklung“ von Frauenrollen so intensiv behandelt, wie der Slasher, wenn auch in einer sehr gewaltexpliziten Darstellung. Darum geht es nicht wirklich darum, dass die Frau „maskulinisiert“ wird und sich an den männlichen Zuschauer richtet, das überlassen wir lieber dem Actiongenre, sondern darum, dass die Frau an Macht und Stärke gewinnt. Man könnte deshalb eher von einer „Phallisierung“ sprechen. Nichts desto trotz kommt damit eine Traumatisierung einher, da das Final Girl am Ende den Terror erlebt hat, und ihn nicht los wird. Dies zeigt sich hier wieder in der Wiederkehr des Killers.

Christoph Fleischer: Was bedeutet das Spannungsverhältnis zwischen schwach und stark im Film?

Sebastian Schwarz: Diese kulturellen Konventionen haben wir durch viele Filme, Fernsehen, Bücher, Musik, etc. gelernt. Im Slasherfilm haben wir es mit körperlicher Schwäche / Stärke und geistiger Schwäche / Stärke zu tun, im jeweiligen Anderen ist es zu finden – meistens wechseln diese Seiten zum Ende des Films hin. Das Spannungsverhältnis zwischen schwach und stark hält den Film aufrecht und ist ein narratives Mittel.

Christoph Fleischer: Was heißt: Haus und Familie werden zur Quelle der Gefahr? Geht es dabei auch unausgesprochen um traumatische Erfahrungen in der Kindheit?

Sebastian Schwarz: Aber klar. Schauen Sie sich Filme wie „Halloween“, „Prom Night“, „Scream“, etc. an. Das Andere und die Angst davor ist nicht mehr „irgendwo da draußen“, sondern schon lange im eigenen Blut. Die traumatische Erfahrung ist ein Leitmotiv des Slashers.

Christoph Fleischer: Welche Bedeutung hat die hohe Zahl der Opfer im Film?

Sebastian Schwarz: Ganz klar – der Film muss sich verkaufen. So einfach ist das. Wenn man aber etwas genauer hinschaut, so braucht man doch einen berechtigten Grund, um das Final Girl zu traumatisieren, oder nicht? Und das geht nur durch überdurchschnittlichen Terror, Angst und Tod.

siehe auch: www.filmkrake.de

Eigentum. Christoph Fleischer, Werl 2010

Dies ist ersteinmal eine Notiz zur Vorbereitung des Unterrichts einer Stunde bzw. einer Reihe. Die Frage ist: Was ist eigentlich das Besondere am 7. Gebot. Wer nach Diebstahl fragt, muss nach dem Eigentum fragen. Damit ist zugleich die Beziehung zu anderen Geboten hergestellt. Einerseits geht es hier um den Wunsch danach, etwas zu bekommen, dem Begehren, auf das das neunte und zehnte Gebot eingeht, andererseits geht es um eine andere Art, sich etwas anzueignen, die das sechste Gebot, „Du sollst nicht ehebrechen!“ meint. Im Ganzen geht es damit auch um den Übergriff überhaupt, damit auch um das 5. Gebot: „Du sollst nicht töten!“. In diesem Zusammenhang widmet sich das Gebot „Du sollst nicht stehlen!“ der Frage des Eigentums, die ich hiermit kurz reflektiere:

Worin liegt das ethische Problem des Eigentums?

1. Der Erwerb von Sachen setzt einen Wunsch und damit zugleich ein Bedürfnis voraus, im Zusammenhang mit Neid auch als das Begehren bezeichnet.

2. Der Diebstahl ist die Form der widerrechtlichen Aneignung durch gewaltsamen Erwerb. Damit ist ein Erwerb nicht grundsätzlich ausgeschlossen, der auf eine einverständliche, ausgehandelte Übereignung beruht. Da der Diebstahl einen Übergriff darstellt, der gegebenenfalls mit Körperverletzung oder sogar Mord einhergeht, oder im Fall eines Einbruchs mit widerrechtlichem Eindringen in ein Gebäude, sowie durch Täuschung oder betrügerisches Handeln, wird durch Diebstahl die Lebensspäre eines anderen in der Regel verletzt oder beeinträchtigt.

3. Eine besondere Frage stellt sich dadurch, dass dem Eigentum auch das Nicht-Eigentum, die Armut gegenübersteht. Auch durch Armut ist keine gewaltsame und übergriffige Handlung gerechtfertigt, allenfalls Betteln, also die Bitte um das Überlassen eines Gutes ohne Bezahlung. Diebstahl oder Raub kann aber auf das Vorhandensein einer Form von Armut oder Abhängigkeit hinweisen, worauf der häufige Zusammenhang von Sucht und Diebstahl hinweist. Sucht und Armut sind keine Rechtfertigung des Diebstahls. Trotzdem weisen solche Diebstähle noch auf andere Möglichkeiten der Beurteilung der Taten hin, als nur durch die Frage nach Ausgleich oder Schuld. Auch Reichtum kann zu einer besonderen Art von Diebstahl anreizen, die dann dazu führt, dass Anleger getäuscht, oder etwa, dass die öffentliche Hand für die Regulierung von privat herbeigeführten Schäden herangezogen wird, was die Finanzkrise gezeigt hat.

4. Ehebruch, Körperverletzung, Mord und Diebstahl sind darin vergleichbar, dass ein körperliches oder seelisches Bedürfnis dazu führt, den Respekt vor der Ehre und der Würde eines Menschen zu verletzen. Es geht also gerade nicht um ein Besitzdenken, sondern ein Denken von der Würde und der Lebensrechte einer menschlichen Person her.

5. Biblische Beispiel für Diebstahl sind die Erzählungen von Zachäus, Nabots Weinberg und, obwohl es vordergründig um Mord geht, auch Kain und Abel.

Menschlich wirtschaften – ethisch und ökonomisch. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2007

Zu: Alexander Dietz: Der homo oeconomicus, Gütersloh 2005

Eine Frage, die mich immer bei der Beschäftigung mit evangelischer Wirtschaftsethik wieder bewegt, ist: Gibt es eine evangelisch orientierte Wirtschaftsethik, die nicht im Endeffekt bei der Sozialethik landet? Am Ende der Lektüre des Buches von Alexander Dietz war diese Frage verändert worden und ich fragte ich mich, ob mein Problem wohl eher darin liegt, dass eine evangelische Wirtschaftsethik zuletzt dasselbe sein muss wie eine Sozialethik. „Menschlich wirtschaften – ethisch und ökonomisch. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2007“ weiterlesen

Mit Werten verhandeln, Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2007

Im Hintergrund – Erfolgreicher verhandeln mit Gefühl und Verstand. Roger Fisher und Daniel Shapiro, Campus Verlag 2007,

[1].

Wenn Sie sich vorstellen, dass sich zwei Verhandlungspartner gegenüber sitzen, denken Sie dann

Ökonomisierung der Diakonie? Christoph Fleischer – Rezension

Zu: Von der „Barmherzigkeit“ zum „Sozial-Markt“. Zur Ökonomisierung der sozialdiakonischen Dienste, Hrsg. v. Heinrich Bedford-Strohm u.a., Jahrbuch Sozialer Protestantismus Band 2, Gütersloher Verlagshaus 2008 ISBN 978-3-579-08051-2, 29,95 Euro

Was mit Ökonomisierung gemeint sein könnte, zeigt exemplarisch ein Zitat aus dem Beitrag der ehemaligen Mutterhausleiterin von Kaiserswerth Cornelia Coenen-Marx:

„Der Gesundheits- und Pflegebereich folgt einerseits zunehmend den Gesetzen von Markt und Wettbewerb, ist aber andererseits durch die Sektorgrenze der Versicherungsleistungen, die scharfe Unterscheidung von ambulanten und stationären Diensten und die Heimgesetzgebung extrem reguliert. „Ökonomisierung der Diakonie? Christoph Fleischer – Rezension“ weiterlesen