Predigt am 7. Sonntag nach Trinitatis, Christoph Fleischer, Werl 2012 (gehalten wird die Predigt in Bad Sassendorf – Neuengeseke und Möhnesee – Völlinghausen, Ev. Kirchenkreis Soest)
Predigt über Philipper 2, 1-4 mit einer Idee und Texten von Wilhelm Willms „Probefahrt ins Paradies“
ferien
probefahrt
ins
paradies
(von Wilhelm Willms )
ferien
probefahrt ins paradies
ich sehe bahnhof
viele menschen
spannung
winken
abfahrt
ich habe die Autobahn im Blut
ich kann geistig nicht mehr mit
so schnell an allem vorbei
mit wieviel stundenkilometern
an menschen vorbei
an städten vorbei
an landschaften vorbei
an lebenden vorbei
an toten vorbei
auch das gibt es
ich sehe blaues meer
blauen himmel
wolken
stille seen
weiße schiffe
dunkle wälder
ich rieche die welt
ich schmecke sie
an schön gedeckten tischen
ich sehe sand
und wellen und muscheln
halte kleine architekturen
in der hand
sehe große dome
und stille kapellen
…
(aus: Wilhelm Willms: Aus der Luft gegriffen, Bausteine zu Gottesdiensten mit Kindern und Familien, Evangelium neu, Windrichtung geprüft, beim Wort genommen, ins Bild gesetzt, ins Spiel gebracht, in Bewegung geraten. Butzon und Bercker, Kevelaer 1976, S.S. 118f, Wilhelm Willms bevorzugte die konsequente Kleinschreibung)
Wilhelm Willms setzt sein Gedicht fort mit der Schilderung eines Fluges: Aufsteigend von Düsseldorf schwebte er über den Wolken, erhascht den Anblick von München und fliegt weiter in den Urlaub.
Probefahrt ins Paradies, dieser Titel hat mich angesprochen. Es ist Ferienzeit, viele Menschen fahren in den Urlaub oder sind bereits verreist. Andere sind schon wieder zurückgekehrt. Sie brauchen sich nicht an die Ferien zu halten. Andere wiederum genießen die Ferien zu Hause. Auch das ist möglich. Probefahrt ins Paradies. Oder wie Paul Gerhardt gedichtet hat: „Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser schönen Sommerzeit.“
Ich lese den Predigttext für den heutigen Sonntag und entdecke in ihm auch so etwas wie eine Idee der Probefahrt ins Paradies. Paulus schreibt an die Gemeinde in Philippi, Brief an die Philipper, Kapitel zwei Verse 1-4:
Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem anderen dient.
Liebe Gemeinde,
der eine oder die andere mag sich jetzt fragen: Was hat die Probefahrt ins Paradies mit diesem Predigttext aus dem Philipperbrief zu tun oder besser gesagt passt dieser Predigttext in dieses Bild hinein? Probefahrt ins Paradies, gemeint ist damit ja ursprünglich die Reise an einen Urlaubsort. Und ich verstehe den Urlaub als eine Auszeit, als eine Zeit, in der das Leben im Abstand von der Arbeit und von der Welt ganz anders abläuft als im Alltag.
Der Predigttext richtet sich an die Christinnen und Christen in Philippi. Beim ersten Hören hat man den Eindruck, dass es darum geht, eine Gemeinde etwas näher zu beschreiben. Einerseits ist die Rede davon, was die Gemeinde in ihrem Wesen ausmacht: Ermahnung in Christus, Trost der Liebe, Gemeinschaft und Unterstützung. Der zweite Teil besteht dann aus Ermahnungen und beantwortet die Frage: wie geht es eigentlich praktisch, Christ, Christin zu sein?
Das gleiche Thema wird nur noch einmal von der anderen Seite her betrachtet. Doch gleich der erste Satz passt genau betrachtet nicht gut in dieses Bild? Warum werden hier Ermahnungen vorausgesetzt, wenn sie doch im zweiten Teil des Abschnitts erst ausführlich erläutert werden? Und was bedeutet eigentlich diese etwas eigenartige, aber für Paulus typische Wendung: „in Christus“?
Ohne diese Frage direkt zu beantworten, sondern dadurch, ihre Lösung zu umschreiben, möchte ich diesen Ausdruck „In Christus“ in das Bild von der Probefahrt ins Paradies übertragen. Ich entdecke hier die Situation des Urlaubsbeginns, der Orientierung am Urlaubsort beispielsweise oder am Anfang der Urlaubszeit. Dabei stellen sich zwei Fragen:
Wo sind wir hier? Und:
Was wollen wir hier, was haben wir vor?
Es klingt vielleicht erstaunlich, wenn ich jetzt sage: Wo sind wir hier? Wohin hat uns die Probefahrt zum Paradies geführt? Die Antwort lautet: Wir sind in Christus. Christus ist für uns zuerst und vor allem der Name einer Person, Jesus von Nazareth, Jesus Christus, der König der Juden, der Gekreuzigte. Wenn wir uns also einen Ort vorstellen, dann ist es ungewöhnlich, mit diesem Namen zu antworten. Man kann nach Rom fahren, nach London, nach Jerusalem, aber auch nach Christus? Es passt nicht so ganz. Daher wird das oft übergangen. Entweder ist irgendwie doch die Person gemeint, im übertragenen Sinn, oder man nimmt stillschweigend an, dass das nichts anders meint als Kirche oder Gemeinde. So fängt der erste Satz einer Predigtmeditation mit dem Satz an: „Zuerst stellt Paulus fest, was es in der Gemeinde alles gibt.“ (Deutsches Pfarrerblatt, 6/2012, S. 338, Klaus Schnabel). Das steht so in dem Text aber nicht drin. Der Satz muss lauten: Zuerst stellt Paulus fest, was es in Christus alles gibt.
Wir sind also an einem Ort, wie an einem Urlaubsort angekommen, und stellen fest, was es dort so alles gibt, ein Schwimmbad, den Strand, eine Eisdiele, eine Kirche usw.. Doch zuerst will ich noch etwas nach dem Namen des Ortes fragen: „Christus“. Der Name ist mehr als eine Person. Schon mit der Bezeichnung der Person Jesus ist dadurch verbunden, dass er der Messias ist, dass mit Jesus eine neue Zeit angefangen hat, die messianische Zeit. Jesus hat seine Herrschaft angetreten, widersinnigerweise am Kreuz. Er ist auferstanden, das heißt, er ist Messias, und als Gesalbter hat er das Reich Gottes für uns geöffnet. Hier ist also wirklich von einer Vorstufe des Paradieses die Rede und insofern ist das Bild: „Probefahrt ins Paradies“ schon ganz richtig. gewählt.
Wo ist also Christus? Früher sagte man gern, der Machtbereich, der Herrschaftsbereich. Das hört sich an, als wolle man die Erde in Herrschaftsbereiche aufteilen, als Weltreligionen sozusagen. Doch das geht so nicht, denn damit ist die ganze Erde gemeint.
In Christus ist da, wo es den Willen Gottes gibt.
In Christus ist da, wo die Menschen sich das tägliche Brot gönnen.
In Christus ist da, wo der Name Gottes des Schöpfers geheiligt wird.
In Christus ist da, wo Menschen ehrlich miteinander umgehen, und nicht Schuld gegen Schuld aufrechnen.
In Christus ist da, wo Menschen einander nicht in Versuchung führen, sich Gewalt anzutun, wo das Böse beendet ist.
In Christus, ist keine Ausübung von Macht und Herrschaft, sondern eher eine Demokratie und der Verzicht auf Macht und Herrschaft.
In Christus ist im strengen Sinn keine Gemeinde, sondern eine Art und Weise zu leben, die allerdings dann eben Menschen miteinander verbindet.
Paulus spricht im Römerbrief mehrfach davon, wie es ist, wenn Menschen in Christus sind. Menschen sind in Christus hinein getauft, in dieses neue Leben hinein und in den Tod des alten Lebens. An denen, die in Christus sind, ist nichts Verwerfliches. In Christus ist Gottes Geist lebendig. Die Liebe Gottes wird in Christus gelebt und praktiziert. Es üblich, die Wahrheit zu sagen, in Christus. Die Menschen sind füreinander wie ein Leib, sie sind aufeinander angewiesen, in Christus. Sie können einander zum Gehilfen werden.
In unsrem Bibeltext heißt „In Christus“ zu sein:
– Ermahnung in Christus: Das ist nicht die gleiche Ermahnung, wie die, die noch folgt. Ich würde eher mit Unterstützung übersetzen. Beratung und Wegweisung aus der Predigt, Trost und Hilfe aus den Worten der Bibel. In Christus ist eine Wirklichkeit, die aus dem Wort entsteht, die aber übergeht in die Welt, die nicht Phantasie bleibt.
– Zuspruch aus Liebe. Hier wie an anderen Stellen erinnert mich dieser kurze Abschnitt an das Hohe Lied der Liebe im 1. Korintherbrief. Hier in einer Kurzfassung. Wer in anderen nur die sieht, die oder der eine Rolle zu spielen hat und nicht den Menschen, der auch Zuspruch braucht, nutzt ihn nur aus.
– Gemeinschaft des Geistes. Diese Abfolge klingt ein wenig nach Glaubensbekenntnis, doch das wäre hier noch zu früh. Daher verstehe ich den Geist hier schlicht und einfach als den Geist, der Menschen verbindet. Der Geist Christi als das gemeinsame Vertrauen auf die unsichtbare Welt Gottes, als das vorgezogene Paradies ein der Gemeinschaft der Heiligen.
– Zuneigung und Erbarmen. Diese Worte müssen noch einmal eine besondere Art der praktizierten Nächstenliebe meinen. Einander zuneigen, einander gegenüber positiv eingestellt zu sein und nicht im Anderen Konkurrent oder Feind zu sehen. Und zu einen Neuanfang in der Lage zu sein.
Der zweite Teil beantwortet die Frage nach dem, was daraus nun folgt. An einem Urlaubsort angekommen, überlegt man, was man denn gern tun möchte, was man unternehmen möchte. Welche Möglichkeiten des Ortes passen zu meinen Interessen? Was folgt aus dem Ort „In Christus“ für Möglichkeiten, die jeder ausprobieren kann?
– Die Einstellung soll gleich sein. Daraus könnte das Missverständnis folgen, dass alle ideologisch gleichgeschaltet sind. Das ist natürlich so nicht gemeint. Im meine, es sei eher daran gedacht, dass alle die gleiche Einstellung dazu haben, wo sie sind, in Christus nämlich. Wenn einer bei den Hells Angels ist oder bei einem nationalsozialistischen Untergrund, dann ist er nicht zugleich „in Christus“. Das Grundgesetz dieses Ortes, der Christus heißt, steht in der Bergpredigt, die nun auch in Auszügen wiedergegeben wird.
– In Christus heißt, dieselbe Liebe zueinander zu haben. Damit wird etwas aufgenommen, was gerade schon gesagt worden ist. Man hat damals sogar geglaubt, dass könne man auch in einer Besitzgemeinschaft leben. Die Orden haben das dann auf ihre Art noch einmal praktiziert.
– Einmütigkeit und einer Gesinnung. Jeder und jede soll sich darauf verlassen können, dass der Andere schon so positiv über ihn denkt, wie er oder sie es selbst tun möchte. Es ist nicht eine bestimmte Gesinnung gemeint, sondern die Art und Weise einander zu begegnen, einander gegenüber gesinnt zu sein. Früher nahm man dafür das Bild der Familie. Heute würde ich eher an Freundschaft denken.
– Konkretes Beispiel nun: Vermeidung von Eigennutz und Ehrsucht. Wer den Kapitalismus genau kennt, weiß, dass dies gerade nicht eine Ablehnung des Kapitalismus bedeutet, sondern die Bestätigung seiner ursprünglichen Idee. Jemand setzt sein Kapital ein für die Interessen der Gemeinschaft, darauf hat er selbst Gewinn und der Gesellschaft wird gedient, weil die Bedürfnisse befriedigt werden.
– Demut. Darunter wird verstanden, den anderen höher zu achten, als sich selbst. Das ist die weitere Stufe, die auf dem Gebot der Nächstenliebe aufbaut und zur Feindesliebe hinführt, den Anderen mehr zu lieben als sich selbst. Nächstenliebe nicht aus Eigennutz, um etwas zurückzubekommen, sondern Nächstenliebe aus dem Bedürfnis heraus, etwas für den Anderen tun zu wollen.
– Das heißt zugleich Rücksicht: In dem, was man aus Eigennutz für sich selbst tut, auf den Anderen Rücksicht zu nehmen. Nicht das Seine zu sehen, sondern das, was den anderen dient. Wir denken, dass darauf Gemeinschaft wachsen könnte.
So sind wir also mitten drin in der Probefahrt ins Paradies und wir merken, das ist hier und heute. Das Paradies kann hier anfangen. Wilhelm Willms hat das Konzept fortgesetzt mit einer Aktion zu den Geboten der Probefahrt in Paradies, die ich jetzt nur kurz vorlesen möchte:
- spring über deinen schatten
und lass die unruhe hinter dir! - zieh den alten menschen aus
und zieh den neuen menschen an! - nimm dir die zeit!
lass dir die zeit nicht stehlen! - habe keine angst
vor diener einsamkeit!
die einsamkeit spricht… - übe schweigen
dass du neu sprechen lernst - öffne dein auge und lass aus dem
wechselnden vielerlei der welt
das zu dir herein
was dir zum manna wird - probiere die luft
probiere das wasser
koste den tag
koste die nacht aus!
lass alles unter die haut gehen! - riskiere die freiheit
etwas mehr als sonst! - probiere die anonymität der fremde
als große chance
das zu sein was zu bist!
10. nimm dir zeit!
schenke zeit!
probiere zuzuhören
probiere hinzusehen
probiere mitzuspielen
probiere keine Rolle zu spielen!
(aus: Wilhelm Willms s.o., S.122f)!
Wir spüren an diesen Worten, wie sie gemünzt sind auf den Urlaub als einer Auszeit. Und doch ist zugleich so viel vom Leben aufgegriffen, dass man sagen kann: Wir sind in Christus, und hier nehmen wir uns diese Auszeit, wenn wir sie brauchen. Wir gehen aus der Unruhe der lauten Welt und hinein in die Stille, in das Gespräch mit Gott, unserem Schöpfer. Wir sind in Christus, und wir beginnen hier in und mit ihm zu leben. Man sollte m. E. die Selbstlosigkeit nicht idealisieren, um nicht daran zu scheitern. Das Bild des Ortes gibt uns die Möglichkeit, danach zu leben, ohne sie als Besitz ansehen zu müssen. Das Gute ist: In Christus sind wir nicht allein!
Amen.
Vorschlag, Anhang zu Willms…
There comes a time, when we heed a certain call
When the world must come together as one
There are people dying
And it’s time to lend a hand to life
The greatest gift of all
We can’t go on pretending day by day
That someone, somewhere will soon make a change
We are all a part of God’s great big family
And the truth you know love is all we need
We are the world, we are the children
We are the ones who make a brighter day
So let’s start giving
There’s a choice we’re making
We’re saving our own lives
It’s true, we’ll make a better day, just you and me
Send them your heart so they know that someone cares
And their lives will be stronger and free
As God has shown us by turning stone to bread
And so we all must lend a helping hand
We are the world, we are the children
We are the ones who make a brighter day
So let’s start giving
ohh There’s a choice we’re making
We’re saving our own lives
It’s true, we’ll make a better day, just you and me
When you’re down and out, there seems no hope at all
But if you just believe there’s no way we can fall
WelL,well,well Let us realize oh that a change can only come
When we stand together as one
(Quelle: Internet)