Kirche wertschätzend von außen gesehen. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2013

Zu: Eberhard Hauschild, Uta Pohl-Patalong: Kirche, Lehrbuch Praktische Theologie, Band 4, Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 2013, ISBN 978-3-579-05990-7, Preis: 29,99 Euro

Kirche von Uta Pohl-PatalongTheologinnen und Theologen als Kirchenmitglieder, manche von ihnen sogar als ordinierte Pastorinnen und Pastoren, arbeiten als Hochschulangehörige und veröffentlichen aus der Sicht einer staatlich verantworteten Lehre an der Universität. Ihr Blick von außen ist für die Kirche wertvoll, da er erstens wertschätzend und aktuell, andererseits aber auch analytisch und konstruktiv-kritisch ist. Die Arbeit des Autorenteams Hauschild und Pohl-Patalong, das den gesamten Text des Buches gemeinsam verantwortet, ist ein Neuentwurf der praktisch-theologischen Bearbeitung des Themas „Kirche“. Diesen Entwurf müsste man in Aufnahme eines Ausdrucks von William James (1842–1910) als pragmatisch bezeichnen.

Es geht nicht um die große Zukunftsvision von Kirche und auch nicht um die Frage, wie Kirche vor der Autorität der Tradition genauestens zu bewahren ist, sondern es geht um Handlungsperspektiven der evangelischen Kirche in der Gegenwart. Mit diesem Ansatz rückt die Religionssoziologie in die Mitte der Praktischen Theologie. Auch wenn hier immer wieder die „Kommunikation des Evangeliums“ als Aufgabe von Kirche gesehen und beschrieben wird, so orientiert sich diese Konstruktion von Kirche dabei am Modell des Dialogs und nicht an einer einseitigen Evangelisierung.

Die sechs Hauptteile des Buches nach der methodisch orientierten Einleitung werden jeweils in einem kurzen Schlusskapitel zusammengefasst; sie sollen hier kurz referiert werden.

So wird zunächst festgestellt, dass sich die Kirche mit dem Begriff der „Relevanz“ auseinandersetzt, der an die Stelle des traditionellen Wahrheitsbegriffes tritt. Die Kriterien der Relevanz werden zwischen Kirche und Religion einerseits und Individuum und Gesellschaft andererseits differenziert. Die Relevanz der Kirche für die Gesellschaft z. B. liegt in den Feldern der Bildung, der Ethik und der Medien.

Das größte Problem dieser Abhandlung liegt in der Bearbeitung der Idealbilder von Kirche, da jedes von ihnen zwar als bedeutungsvoll erscheint, sie sich jedoch nicht sinnvoll und konfliktfrei miteinander kombinieren lassen. Die Modelle der Gruppe, der Institution und der Organisation werden, so ist der Vorschlag, als einander ergänzend angesehen, wie bei einem Hybrid-Motor. Der zuvor angedeutete Konfliktstoff bleibt jedoch an dieser Stelle unbearbeitet, so dass sich zunächst die Frage stellt, ob sich auch das Autorenteam nicht letztlich, wie jeder in der Kirche Tätige, für eines dieser Modelle als Leitmodell entscheiden muss. Vermutlich wird dies der Begriff der Organisation sein, der in einem späteren Kapitel als Leitbegriff fungiert. Kirche wird nun als eine Art Netz an unterschiedlichen Orten und mit unterschiedlichen Arten und Formen von Gemeinde zu arbeiten und zu leben haben. Ihr vorrangiges Ziel ist es, Menschen zu erreichen. Dabei rechnet die Kirche der Zukunft mit einer veränderungsfähigen Kirchenbindung. Subjekt der Kirche ist jedes (getaufte) Individuum selbst, das über die Form und Intensität seiner Kirchenbindung selbst entscheidet. Das Leitbild der Kirche, das alle Zeitkategorien von Vergangenheit bis Zukunft verbindet, ist das einer lernenden Organisation (s. o.). Kirche entwickelt dabei eine „Fehlerkultur“. Es gilt, Fehler zu entdecken, bekannt zu machen, zu erforschen und letztlich zu korrigieren. Wird dagegen Kirche vom Leitbild der Institution her gedacht, dann stellt sie die Inhalte der Tradition zu stark in den Vordergrund, anstelle sich, wie ja auch in einigen Jesus-Worten der Evangelien ausgesagt, vorrangig an den Menschen zu orientieren.

Zum Ende dieser Rezension sei der Schlusssatz des Buches zitiert: „Getragen sind die Überlegungen von der Vision einer lebendigen, pluralen und offenen Kirche, die sich mit ihren Traditionen so beschäftigt, dass sie sich zugleich mit den Herausforderungen der Gegenwart mutig und konstruktiv auseinandersetzt und sich dabei getragen weiß von der Zuversicht, dass sie sich nicht selbst erhalten muss, sondern von Gott gewollt und getragen ist.“ (S. 438)

Das ausführliche Literaturverzeichnis, sowie ein Personen- wie Sachregister lassen dieses Buch zu einem wertvollen Lehrbuch der Kirche werden.

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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