Der Geist ist weiblich, Rezension von Marlies Blauth, Meerbusch, 2013

Christa Mulack: Der veruntreute Jesus. Die Botschaft Jesu vom „Reich der Königin“, Pomaska-Brand Verlag,/Edition fabrica libri, Schalksmühle 2009, ISBN 978-3-935937-62-7, 19,80 €

Mulack, Jesus_CoverJa, man muss sie erst runterschlucken, die gemischten Gefühle: Warum sollten Frauen die besseren Menschen, Matriarchate die menschlichere Gesellschaftsform sein? Andererseits  stimmt es doch: Eigenschaften wie Fürsorglichkeit, Hilfsbereitschaft, Anteilnehmen sind nach wie vor weiblich besetzt, und wehe, ein Mann hat zuviel davon – die verletzenden Begriffe für ihn kennen wir. Und das Matriarchat hat in unserem Umkreis nie eine Chance bekommen, während üblicherweise in den patriarchalen Systemen Ehrgeiz und Machtlust ständig zu irgendwelchen Kriegshandlungen führten und führen.

Jesus war da anders, das wissen wir. Wir haben ihn, dank der Überlieferungen, kennengelernt als jemanden, der sich fürsorglich-vorausschauend an die Menschen wandte, dem sozialer Frieden, das „Zwischenmenschliche“, ein Anliegen war.

Er respektierte jeden, ganz gegen die damalige Konvention, als gleichberechtigt; so war es vor rund 2000 Jahren eben gerade nicht üblich, Frauen im Gespräch als ebenbürtig anzusehen. Mulack weist nun nach, und das ist tatsächlich spannend zu lesen, dass Jesus den Frauen nicht nur anteilnehmend zuhörte, sondern vielmehr bereit war, von ihnen zu lernen. Denn er war ja, so Mulack, ganz konventionell aufgewachsen („frauenfeindlich“, wenn man so will); bei Mt 15, 21 – 28 ist diese Weiterentwicklung nun sozusagen im Zeitraffer nachzulesen und kann durchaus als eine Schlüsselstelle angesehen werden: Eine kanaanäische Frau fleht Jesus lautstark an, er möge ihre Tochter heilen. Erst antwortet er ihr gar nicht, dann weist er sie ab – geradezu „unverschämt“, wie Mulack sagt; sie aber bleibt beharrlich im Dialog mit ihm, um ihrer Tochter willen. Jesus sagt am Ende, merklich verändert und beeindruckt: „Dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst.“

Die christliche Ethik hat, so die Autorin, ihre Wurzeln im Weiblichen/ Matriarchalen. Die Bergpredigt ist da ein beredtes Beispiel. Aber es gibt auch ganz andere gemeinsame Stränge: Typisch für das Matriarchat sei zum Beispiel die Funktion des Vorbilds, die eine schriftliche Fixierung der Inhalte überflüssig macht; das Schriftliche enthält – ganz aktuell übrigens – immer auch die Gefahr, Kontrolle und Macht auszuüben. Eine schöne Formulierung (von S. 220) möchte ich zitieren: „Nach Jesu Tod verblasste das ‚lebendige Wort’, das er selbst war.“ Man sah es dann aber doch als notwendig an, den „Erinnerungsschatz“ schriftlich festzuhalten. In den Evangelien, sagt sie weiter, klingt das Wesentliche – eben das mit den Wurzeln des Weiblichen – immerhin durch, wenn auch stellenweise verwässert, verflacht. Paulus‘ Interpretation hingegen, überhaupt die Paulinische Theologie sieht sie als kontraproduktiv an, denn unter anderem habe diese Theologie den Gekreuzigten und Auferstandenen ins Zentrum gerückt und dabei „den lebendigen Jesus und seine Botschaft“ verdrängt.

Als LeserIn empfindet man diese Enttäuschung mit, denn man ahnt deutlich, wie viele mühselige Errungenschaften unserer Gesellschaft sozusagen per Abkürzung möglich gewesen wären, hätte man (gemeint ist hier: die Kirche) sich mehr an Jesus selbst orientiert. Gerade auch aus der Perspektive der Frauen: Es hätte der Jahrhunderte währenden Frauenbefreiung nicht bedurft, auch die vermaledeiten „Hexenverbrennungen“ – Frauenverbrennungen, sagt Mulack – wären nicht denkbar.

Zwei wichtige Begriffe des Buches müssen unbedingt noch genannt werden: die Ruah und die Malchut.

Die alttestamentarische Ruah bedeutet Lebensatem, Wind oder Geist, wobei der weibliche Ursprung des Worts eine viel sagende Rolle für die Autorin spielt: Der heilige Geist, sagt sie, sei in Wirklichkeit – religionshistorisch gesehen – eine „Geistin“. Dass sie mit diesem Gedanken nicht allein dasteht, zeigt beispielsweise das Dreifaltigkeitsfresko in Urschalling/ Bayern, auf dem die Darstellung des heiligen Geistes zumindest stark weibliche Züge trägt. Aber ach, auch hier bekennt man sich wieder mal nicht: Kunsthistoriker meinen, doch eher einen Jüngling zu erkennen. Einige Theologen sind da fortschrittlicher in ihrer Deutung, konform mit der Autorin; das lässt hoffen.

Mit Malchut übersetzt Christa Mulack das von Jesus angekündigte „Himmelreich“ – wobei sie sowohl die weibliche Ethymologie als auch die weiblichen Eigenschaften des Begriffs in den Fokus stellt. Malchut ist, so meine Deutung, bei Mulack die Konsequenz von Jesu Botschaft.

Der feministische Ansatz der Theologin, Psychologin, Sprachwissenschaftlerin und Pädagogin Mulack mag hin und wieder befremdlich sein, weil er stellenweise doch etwas artifiziell wirkt. Aber das Buch ist ein wichtiges, denn es macht Mut; dies, indem es den Unmut über die Kirche, der sich zur Zeit grummelnd ausbreitet, bestätigt und erklärt; die Menschen spüren, so sagt die Autorin an einer Stelle, dass mit der Kirche „etwas nicht stimmt“: Die andauernden patriarchalischen Einflüsse haben die Überlieferungen verdreht, verfälscht und bisweilen instrumentalisiert für Aktionen, die dem Evangelium heftig widersprechen. Wenn sie einen Rückblick zu den Wurzeln vermittelt, so dekoriert sie ihn nicht mit falscher Romantik, sondern betont die Bereitschaft zur Korrektur, zur Sicht auf verschüttetes, vernachlässigtes Kulturgut. Gegen Ende des Buchs der Exkurs  zu Muhammad Yunus, dem Friedensnobelpreisträger von 2006 und „Erfinder“ der Mikrokredite, rundet das Buch insofern ab, als Mulack die Gegenwart nach Hoffnungsvollem abgeklopft hat und in Yunus wiederum einen Menschen fand, der die Stärke der Frauen erkannt hat, um damit dem bestehenden, gleichsam in Stein gravierten System (hier: Wirtschaftssystem) etwas Neues, Lebendiges entgegenzusetzen.

Wahrscheinlich grollt mir die Autorin jetzt ein bisschen, aber wenn Paulus sagt „Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig“, so besteht da eine innigere Verbindung als das Buch ahnen lässt. Den Geist kann niemand kontrollieren und regieren – sehen wir es doch mal so. Vielleicht ist er ja tatsächlich weiblich.

 

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Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

2 Gedanken zu „Der Geist ist weiblich, Rezension von Marlies Blauth, Meerbusch, 2013“

  1. Bei dem obigen Bild der Trinität wurde vom Künstler die „Heilige Geistin,“ die Sophia, hebräisch die Ruach oder Sechina, in eindeutig fraulicher Gestalt dargestellt. Ein sehr seltenes Zeugnis weiblicher Präsenz, man beachte auch das Weiblichkeits-Symbol im Faltenwurf zu ihren Füßen, auch die Darstellung als ein Körper mit zwei Händen. Die Dreifaltigkeitskirche von Urschalling am Chiemsee ist weltberühmt, wird immer vielen Besuchern in interessanten Führungen gezeigt, und die Restaurierungsarbeiten sowie die freigelegten Fresken in ihrer symbolischen Bedeutung sehr gut vermittelt. Immer einen Besuch wert….

  2. Ich habe es gerade durch und bin, wie von allen ihren Bücher begeistert. Die feminine Sicht und Interpretation von Christa Mulack nimmt das Denken mit auf eine neue und erfrischende Einsicht in religiöse Glaubensinhalte, die mir aus dieser Perspektive einfach näher und verständlicher sind. Alles wird irgendwie stimmig, ja geradezu greifbar….. Auch dieses Buch muss im Gesamtkontext des feminin spirituellen Weltbildes der Autorin stehen, der sich wie ein roter Faden durch ihr vielbändiges Schaffen zieht. Diesem Faden zu folgen garantiert eine Fülle an “ AHA Erlebnissen“, sowie einen erfrischend neuen Zugang zu schon bekannt geglaubtem und letztlich kann man nicht umhin ihr zuzustimmen. Eine der intelligentesten Autorinnen die uns viel zu sagen hat….

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