Zu: Christa Mulack, Religion ist zu wichtig, um sie den Männern zu überlassen, erschienen in der Reihe „fabrica libri“, Promaska Brand Verlag, Schalksmühle 2012, ISBN 978-3-935937-51-1, 13,80 EUR, (Unveränderte Neuauflage, ursprünglich Kreuz Verlag Stuttgart 1998)
Auf den ersten Blick ein wohl etwas provokanter Titel eines religionsphilosophischen Buches der feministischen Theologin Christa Mulack: „Die Göttin kehrt zurück!“ Der Untertitel, neben einem matriarchalen Sonne-, Mond- und Sterne-Symbol dieser Göttin, ziert den Covereinband, wobei gleich ins Auge fällt, dass diese Symbole zu einem Einzigen verschmelzen, als Pole einer ganzheitlichen Deutung, die nicht als getrennte Dualität der kosmischen Erscheinungen sich gegenüberstehen. Da ortet die Autorin grundlegende geschlechterdifferente Deutungs- und Wahrnehmungsweisen, wie sie es uns immer wieder erklärt: Weiblichkeit verbindet, das Männliche zerteilt!
Christa Mulack hat Theologie, Psychologie, Pädagogik und Sprachen studiert, und wer sich mit ihrem vielbändigen Werk auseinandergesetzt hat, weiß, dass es ihr durchaus ernst ist mit dieser Aussage. Sie kann Religion eben nicht nur den Männern überlassen, dieser einseitig androzentrischen Deutung und Auslegung einer reinen patriarchalen Theologie, welche über Jahrtausende die Glaubensinnhalte und Gottesbilder nach ihren Vorstellungen bestimmt hat – zum Aufbau und Erhalt ihrer Machtstrukturen. Ja, es gelingt der Autorin mit fundiertem Fachwissen, gutem Gespür und scharfem Verstand, den Lesern die „Weiblichkeit Gottes“ annehmbar und plausibel zu machen.
Punkt für Punkt, mit „Weisheitsaussagen“, welche in ihrer prägnanten, kompakten Formulierung an die Sutren asiatischer Weisheitsbücher erinnern, gibt sie aus meiner Sicht ein Resümee, eine Zusammenfassung ihrer in früheren Büchern herausgearbeiteten Erkenntnisse und Anschauungen. Dabei geht es ihr nicht nur um einen Austausch von männlichen zu weiblichen Gottesbildern, Namen oder Vorstellungen, auch nicht um geschlechtsneutrale schwammige Formulierung und Verwischung, sondern um das Wiedererlangen eines neuen weiblichen Seins und Wirklichkeitsverständnisses, welches es den Frauen leichter macht, neue Zugänge zum christlichen Glauben zu finden und wiederzufinden. Zu einem Glauben, von dessen Inhalten und Gestaltungen sie so lange ausgegrenzt waren, dass sich viele enttäuscht abgewendet haben. Dies kann gar nicht genug betont und gewürdigt werden, ist es doch ein wesentlicher Ansatz, eine oftmals entstandene Leere im Glauben neu zu füllen.
So durfte es auch ich beim Lesen empfinden, durfte immer wieder das Gefühl haben: So kann es sein, so ist es annehmbar und wahr! Gerade Eigenschaften wie Liebe, Barmherzigkeit, Verzeihen und Annehmen, Gebären, Beschützen und Nähren können als starke weibliche Eigenschaften – eben der „Mutter Erde“ – benannt werden, denn bilden nicht gerade sie den Kern von jeder Religion? War es nicht schon seit erdenklichen Zeiten die Frau, welche aus ihrer unermesslichen Tiefe, ihrer Intuition schöpfen konnte, als Weisheits- und auch Kulturbringerin die menschliche Entwicklung wesentlich vorangetrieben hat? Webkunst, Töpfern, Spinnen und Nähen, Nahrungsbereitung und -konservierung, Ackerbau im Kreislauf der Jahreszeiten, die Fruchtbarkeitsriten und das Erkennen des Numinosen, sind die ersten Emanationen der großen Göttin. Nur sie konnte Leben schenken und gebären, wie uns die allerersten Mythen überliefern.
Dass dies keinen Rückfall in ein Heidentum bedeutet, wird deutlich, wenn die Autorin das Wirken von Jesus, Maria, Maria Magdalena oder der Ruach, der heiligen „Geistin“ Sophia aus femininer Sicht beleuchtet – und befreit! Es wird unumgänglich, sich mit der Göttin neu auseinanderzusetzen, ist sie es doch, die uns durch unsere Schwestern vergangener Zeiten zuwinkt und uns auffordert, ihr wieder neuen Raum in uns zu geben.
Ich habe Gott in mir gefunden – und ich liebe sie!