Predigttext nach der zu erprobenden Perikopenordnung, Reihe 1.
Johannes 1, 1-5,9-14,16-18, Übersetzung: Lutherbibel (vorher: Christfest 2, Evangelium)
Das Wort ward Fleisch
1 Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. 4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. 5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen.
9 Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. 10 Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. 11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, 13 die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. 14Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
16 Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. 17 Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. 18 Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.
Lesung: Evangelium (s.o.)
Epistel: 1. Johannes 3, 1-2(3-5)
Erich Franz (Deutscher Pfarrerblatt 11/2014) „Weil Gott in tiefster Nacht erschienen… (Evangelisches Gesangbuch 56) und das Gebet: „Herr Jesus Christus, du bist das wahre Licht, das allen Menschen leuchtet… in aller Dunkelheit der Welt.“ greifen das Motiv der Finsternis auf. Johannes scheint es wichtig zu sein, das Kommen Jesu in den Zusammenhang zu stellen mit der ganzen Geschichte Gottes mit dieser Welt. (Beispiel: Aktion Friedenslicht). Erich Franz zitiert ein Gebet von Wilhelm Willms, der geerdete Himmel, Nr. 3.3.:“..er ist das wahre licht, der unser leben hell macht…“
Wenn Johannes vom Licht und Finsternis spricht, sieht er die Gottesnähe und die Gottesferne. Das Licht scheint in der Finsternis. Jesus ist gekommen, damit Menschen aus dem Bannkreis des Dunkels, der Gottesferne heraustreten können.
Anmerkung dazu: Die Rede des Papstes Franziskus vor dem europäischen Parlament wurde mit Standing Ovation bewundert. Es soll menschlich zugehen in Europa. Das Mittelmeer darf nicht zu einem Friedhof für Flüchtlinge werden. „Es ist nicht tolerierbar, dass Millionen von Menschen in der Welt den Hungertod sterben, während jeden Tag Tonnen von Lebensmitteln von unseren Tischen weggeworfen werden.“ (http://www.zenit.org/de/articles/den-menschen-ins-zentrum-setzen). Aber der Herausgeber des Handelsblattes schreibt im Newsletter vom 25.11.: „Guten Morgen Herr Fleischer, Papst Franziskus hat Brüssel besucht und eine durch und durch pessimistische Einschätzung der Lage vorgetragen: Europa sei „selbstverliebt und krank“, habe seine Lebenskraft eingebüßt, sei „nicht mehr fruchtbar und lebendig“. In diesem Dampfbad des Negativismus wurde kein Trost gespendet. Franziskus betrachtet das Leben offenbar als einen großen Schicksalsschlag.“ Die Wirtschaft, die das Handelsblatt hier repräsentiert, verlangt offensichtlich einen Optimismus, in dem die reale Finsternis unerwähnt bleibt.
Werner Höfer (Assoziationen, Gedanken zu biblischen Texten 1) empfiehlt, sich an die Botschaft der Schriftsteller zu halten: „Der Vormund des Wortes ist und bleibt der denkende, träumende, schreibende Mensch. Die Theologie braucht, wenn sie nach Worten sucht, die Literatur – nicht als ihre Magd, sondern als ihre Mutter…“ (S. 25) Seine Zusammenfassung lautet: „Ob am Anfang, ob am Ende: das Wort, von Gott an die Menschen, von den Menschen an Gott gerichtet, braucht um seinen Rang nicht zu fürchten. Es muss auch die erreichen, die sich, im Dschungel oder in Slums, mit Worten nicht abmühen wollen, die Sprachlosen, die Unmündigen, die sich mit Bildern, billiger als Brot, abspeisen lassen. Mit ihnen ist zu reden, mit Engeln, mit Bruderzungen: Das Wort werde Mensch.“ (S. 26) Hier kommt der zweite Aspekt des Textes zum Tragen. Die Finsternis wird durch Menschen überwunden, die dem Wort folgen und das Wort weitergeben. Gott selbst wirkt im Wort, ja ist mit dem Wort identisch.
Zum Stichwort Christa Wolf, die in dieser Meditation ebenfalls vorkommt, fällt mir das Buch „Leibhaftig“ ein, das ich in diesem Jahr gelesen habe. Das ist wirklich ein erstaunliches Buch, dass eigentlich wirklich aufzeigt, worin das Licht in der Finsternis besteht: in den Worten, die aus unserem Inneren aufsteigen und den Worten, die uns gesagt werden. Die einfachsten Worte können die wichtigsten sein. Die Putzfrau, die ins Zimmer kommt und einen guten Morgen wünscht, strukturiert die Zeiterfahrung der Patientin und lässt sie spüren, dass sie tatsächlich nicht gestorben ist, sondern weiterleben darf.
Friederike Reif (GottesdienstPraxis 1, 2014)
Gott gebiert die Schöpfung durch das Wort – Maria gebiert Jesus, in dem das schöpferische Wort „Fleisch“ wird. Gott spricht „Es werde Licht“ und in Jesus kommt das wahre Licht in die Welt. Das Licht in der Dunkelheit – für mich Symbol schlechthin für Trost, Hoffnung, neue Kraft, Gottes Liebe eben. (S.63) Die Zugehörigkeit zu Gott erweist sich dabei als von der Herkunft unabhängig. Licht erkennen, geschieht im Glauben an Jesus. (S.64)
Predigtthema: „Licht in der Dunkelheit, Licht der Welt, Licht des Lebens – Gottes Herrlichkeit scheint auf wie das Licht des frühen Tages.“
Zur Predigt u. a.: „Verbindendes Element der drei Evangelienanfänge ist das Motiv des Lichts – bei Lukas weckt der Schein der himmlischen Heerscharen die Hirten, bei Matthäus folgen die Weisen dem Licht des Sterns in der Nacht. Nun kann der durch den Predigtanfang eingeführte Dualismus von Licht und Dunkelheit aufgenommen werden und ausgeführt werden…. Das Motiv des Lichtes in der Dunkelheit ist dabei die grundlegende Symbolik des Weihnachtsfestes und kann als tröstendes, Hoffnung schenkendes Motiv ebenfalls in den Erfahrungszusammenhang der Gegenwart gestellt werden.“(S.65f) Hier wird also der Johannesprolog zum Weihnachtsevangelium. Der Kontext des Festes ist gewahrt.
Dieter de Lazzer (Textspuren 1, Konkretes und Kritisches zur Kanzelrede): „Für die Apologeten des 3. Jh. war der Logos-Christus ein vernünftiger, dem stoischen common-Sense verwandt. Diesem Beiklang muss man hier auch Nachhören. Ist der Logos der Heilsökonomie am Ende gar eine Ratio, kraft deren ein deus oeconomicus seine Gerechtigkeit zu produzieren und zu maximieren gezwungen ist? Oder schwebt er als Geist in der ‚unfasslichen Höhe himmlischer Herrlichkeiten‘? – Was sagt uns der frühkirchliche, bis aufs Messer geführte Kamp zwischen Geistchristlogie und Logoschristologie?“ (S. 43) Immer wieder ist daran zu erinnern, dass Krippe und Kreuz sich ergänzen. Gottes Machtverzicht ereignet sich in Christus.
Joachim Schulte (Gottesdienst für Jugendliche 1,1996):
Zusammenfassend überlegten sich die Jugendlichen für den Text als Überschriften: „Freundschaftsbesuch/ Der Besucher/ Der Besucher aus dem licht/ Das Licht der Menschen/ Und es wurde Licht!/ Ein Mensch namens Gott/ Das Kind des Vaters/ GOTT?/ Jesus, der Wegweiser für die Menschen..“ Ich frage mich: Welche Überschrift würden wir wählen? Welche Überschrift gefällt uns. Diese Anregung könnte evtl. sogar als Einstieg genutzt werden.
Das Wort – Anfang und Ende aller Kirchenlieder, eine exegetische Meditation von Cornelis G. Kok (Liturgie und Kultur, Zeitschrift der Liturgischen Konferenz für Gottesdienst, Musik und Kunst, EKD Hannover 3-2014):
Warum heißt es eigentlich: Im Anfang? Worte werden gesprochen. Wie sind Worte? Logos ist eine Chiffre. Gott ist Wort. „Der Kreis ist rund: das Wort, im Anfang, bei diesem Gott. Jetzt kann es anfangen.“ (S.22) Zu Vers 4: „Das Wort schafft, ist kreativ. Es spricht und es wird.“ Dann geht es um Licht und Finsternis. Licht ist Leben. Was ist Finsternis? Das bezieht sich auf Genesis. Das Chaos des Anfangs gibt es immer noch im „Leben außerhalb des Wortes, im Bereich des Todes“. (S. 23) Die Schöpfung wird schon von der Genesis dargestellt als immer im Vollzug. Durch das Wort, durch Gott wird die Welt bewohnbar. Nun beginnt der Dualismus. Einige haben das Licht aufgenommen, andere sind in der Dunkelheit geblieben. Die sich seinem Namen anvertrauten, „Gnade und Treue“, Nun kommt Jesus ins Spiel: „Johannes kombiniert die jüdisch-messianische Heilslehre mit der ebenso jüdischen Logos-Theologie in der Figur von Jesus als dem Messias. Das Wort ist Fleisch geworden und jat unter uns gezeltet (1,14). … Er hat unter uns gezeltet, … Das heißt vorübergehend, wie in einer Laubhütte… Er ist ungreifbar, nicht festzuhalten…“. In Vers 17 wird die Thora mit dem Messias – Jesus – kombiniert. Gnade und Treue sind kein Gegensatz: „Neben der Gnade und Treue, die JHWH Israel mit der Gabe der Thora erwiesen hat, hat er „aus seiner Fülle“, aus der Fülle seines Wortes, auch noch vieles davon bewahrt für die Völker.“ (S. 25).
Das Ende des Prologs: „Niemand hat Gott je gesehen, aber er, Jesus Messias, hat uns ihn vorgelebt und ausgelegt. … Geschichte der Befreiung und des Lebens.“ (S. 25)
Im Endeffekt sollten wir im Moment die Nähe zwischen der Messias-Idee und des Christusbekenntnisses wieder zu entdecken versuchen. Die biblischen Anspielungen meinen hier keine Idee der Erfüllung von Verheißungen, sondern die Aussage, dass Gott im Messias gegenwärtig handelt. Jesus ist Messias und lebt vor, was im alten Testament damit verbunden wird, wie z. B. die Ankündigung des Friedens und der Gerechtigkeit. Das der Krippe strahlt in die Finsternis des Globus hinaus, wie es z. B.im Lied angedeutet wird: „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern.“
Ich nehme mir vor, den Text paraphrasierend zu predigen, aber etwas schlichter als in der Meditation von Cornelis G. Kok (Homilie). Dabei setze ich die Motive der anderen Weihnachtsgeschichten voraus und flechte sie ein. Dies mache ich wie oben angedeutet dadurch deutlich, dass das Hauptmotiv Licht-Finsternis in allen Weihnachtsgeschichten vorkommt. Die Frage nach der Überschrift nehme ich als Einsteig und nenne auch die Beispiele. Nach der Textparaphrase wage ich einen Transfer: Wie wollen wir heute mit der Finsternis umgehen, die wir faktisch am Werk sehen. Wollen wir Optimismus verbreiten, und diese Fakten wie Flüchtlingselend, Krieg, Hungerkatastrophen, Globalisierte Arbeitsbedingungen, Ausbreitung psychischer Krankheiten usw. ignorieren, oder wollen wir sie aufgreifen und das Licht als ein Wirken ansehen, dass eine Zukunft von Gott her verkündigt? Wir werden nicht so tun können, als würden wir die Welt retten können, aber wir werden auch in der Gleichgültigkeit oder oberflächlich ignorantem Optimismus keine Lösung sehen können. Jeder mag seinen kleinen Schritten vertrauen, die als ein kleines Licht in der Finsternis bereits Hoffnung verbreiten. Der Papst verbindet in seiner Rede vor dem europäischen Parlament die Erinnerung an die Transzendenz mit der Verantwortung für die Erde. Das wird als Weihnachtsevangelium zu erinnern sein.