Christinnen und Christen als Opfer, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2015

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Zu: John L. Allen: Krieg gegen Christen, Aus dem Amerikanischen übersetzt von Bernardin Schellenberger, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2014, ISBN 9783579070728, Preis: 24,99 Euro

Krieg gegen Christen von John L AllenJohn D. Allen ist ein bekannter Journalist für Kirchenfragen, arbeitet für den „National Catholic Reporter“ aus Kansas City und berichtet für CNN aus dem Vatikan. Das vorliegende Buch orientiert sich aber keinesfalls nur an Christinnen und Christen der katholischen Kirche, sondern nimmt die christliche Kirche in ihren unterschiedlichen Konfessionen als Weltkirche in den Blick. Im Vorwort des Buches über verfolgte Kirchen in aller Welt zählt er als Quellen die Organisationen auf, deren zahlreiche Informationen er zum Teil übernimmt.

Dazu exemplarisch ein paar Impressionen:

Am Weihnachtsfest 2011 kam es in Nigeria zu einer „koordinierten Reihe von Überfällen“ auf christliche Kirchen und Gemeinden, wobei allein bei einem einzelnen Anschlag in der Nationalhauptstadt Abuja eine Bombe 44 Menschen tötete und mehr als 60 verletzte. Überflüssig zu sagen, dass es sich bei den Opfern um völlig zufällig dort im Gottesdienst anwesende Menschen handelte, darunter sehr viele junge Menschen und Kinder. Doch dabei blieb es nicht; bis ins darauf folgende Jahr 2012 hinein wurden immer wieder christliche Gottesdienste das Ziel der Einschüchterung der Organisation „Boko Haram“, die im Sinn der Idee eines „islamischen Staates“ Christinnen und Christen einschüchtern und vertreiben wollte. (vgl. S. 74f).

In Sri Lanka, dem Inselstaat an der Südküste Indiens, leben über 70% Buddhisten. Die Christinnen und Christen sind eine Minderheit von etwa 8%. Im Jahr 2009 wurde eine Kirche der „Assemblies of God“ niedergebrannt. Der Pfarrer und seine Familie mussten sich im Haus verbarrikadieren, da die Dorfbewohner wütend erklärten, sie wollen keine christlichen Aktivitäten im Dorf mehr dulden. Antrieb ist diesmal, wie auch in anderen Dörfern, eine Bewegung buddhistischer Mönche, die ausdrücklich jede christliche Aktivität in diesem Dorf unterbinden wollten.
John L. Allen berichtet in diesen Abschnitt über Sri Lanka auch von einer Gruppe christlich-tamilischer Flüchtlinge, die in einem Internierungslager für Obdachlose leben mussten, weil sie aus ihrem Heimatdorf vertrieben worden sind. Wenn hierbei auch ein Krieg zwischen Bevölkerungsgruppen noch im Hintergrund eine Rolle spielt, so richtet sich die Aggression doch ausdrücklich gegen christliche Kirchen und ihre Vertreter.

Ein Beispiel aus Ägypten, wo besonders die koptischen Kirchengemeinden noch bis heute bedroht werden:

„Im Januar 2013 verurteilte ein Kriminalgericht in der mittelägyptischen Stadt Beni Suef eine Frau und ihre sieben Kinder zu fünfzehn Jahren Gefängnis, weil sie zum Christentum übergetreten waren. Die als Christin aufgewachsene Nadia Mohammed Ali war 23 Jahre zuvor anlässlich der Heirat mit ihrem muslimischen Mann zum Islam übergetreten. Nach dessen Tod hatte sie mit ihrer Familie wieder zum Christentum zurückkehren wollen, um ein Familienerbe antreten zu können… Als ihre Konversion ans Licht kam, wurden Nadia, ihre Kinder und sogar die Beamten, die die Personalausweise ausgestellt hatten, verhaftet und einer Straftat bezichtigt.“ (S. 154)

Palästina: Im Jahr 2007 wurde im Gazastreifen der einzige christliche Buchladen ausgebombt und sein Inhaber Rami Ayyad entführt und ermordet.“ (S. 158) Diese letzte Aktion war der Endpunkt einer folge von Aktivitäten gegen genau diesen Buchladen und hatte nichts mit der aktuellen Kriegslage zu tun, zumal es sich ja um palästinensische Christen handelte. Es wird durch die spezielle Ausrichtung der Hamas erklärt.
Die Situation in Israel und Palästina ist insgesamt für Christinnen und Christen nicht einfach, zumal dann, wenn sie von Palästina aus die christlichen Stätten wie die Grabeskirche in Jerusalem besuchen wollen und dabei die israelischen Grenzanlagen überwinden müssen.

Doch die Staaten, in denen christliche Kirchen sowie Christinnen und Christen von unterschiedlichen Gewaltakten bedroht werden, sind keinesfalls nur islamische. Es gibt genauso auch Terror und Gewalt gegen Christinnen und Christen aus anderen religiösen Überzeugungen heraus. Ein besonders brutales Beispiel berichtet der Autor gleich zu Beginn des Buches aus dem Bereich des Hinduismus, wo im Jahr 2008 bei einer Christenverfolgung zumindest 500 Menschen ermordet wurden, tausend weitere verletzt und 50000 obdachlos geworden sind.

Das Buch von John L. Allen berichtet recht auswogen über die unterschiedlichen Länder. Seiner Beobachtung nach ist die Verfolgung der christlichen Kirchen ein globales Problem vom Kampf der Drogenmafia in Kolumbien bis zur Religionsverfolgung Nordkoreas oder Chinas. Es ist also kein Problem etwa eines weltweiten Islamismus. Es gibt islamische Länder, in denen Kirchen verfolgt werden, wie auch andere mit mehrheitlich islamischer Bevölkerung wie Indonesien, in denen die verschiedenen Religionen gleichberechtigt nebeneinander leben und sich im interreligiösen Dialog befinden.

Wer allerdings mit der Darstellung Allens die Bedrohung eines weltweiten Islamismus zurückweist, muss andererseits zugestehen, dass unterschiedliche Gewalt- und Terrorakte gegen Kirchen und einzelne Christinnen und Christen weltweit zunehmen. Auch wenn hier Phänomene der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen oder Minderheiten und deren Bürgerkriege eine Rolle spielen, so muss doch festgestellt werden, dass die Intention der Gewalttaten sich doch zum großen Teil gegen das Christentum selbst richtet. Der Autor betrachtet das Phänomen der Christen- und Kirchenverfolgung keinesfalls unter Absehen der Auswirkungen der Globalisierung. Sicherlich erhöhen die Folgen der Weltwirtschaft den ökonomischen Druck und führen zu Verteilungskämpfen. Warum dabei aber Christinnen und Christen ins Fadenkreuz des Terrors kommen, ist damit noch nicht erklärt.

Die Achtung der Menschenrechte scheint in den letzten Jahren zunehmend unter die Räder zu kommen. Die christliche Kirche, von der hier als einer weltweiten Bewegung die Rede ist, ist in erster Linie Opfer von Gewalt und nicht Täter, so dass man die Gewalt nicht als Reaktion oder Gegengewalt auffassen kann. In Afrika heißt es nach den Anschlägen seitens des zuständigen Bischofs: „Unsere Leute haben so Schlimmes erlitten, aber wir sollten darauf nicht mit Wut reagieren, sondern uns lieber um Frieden und Gerechtigkeit bemühen.“ (S. 74)

Die Schilderung der aggressiven Aktivitäten gegen Christinnen und Christen und Kirchen jeglicher Konfession ist schockierend. Es ist auch richtig, diese mal nicht nur unter sozialen Aspekten zu sehen. Die Zusammenstellung der Vorfälle, über die der Autor berichtet, wurden aus den aktuellen Publikationen einiger Organisationen wie Open Doors zusammengestellt, ohne diese z. T. nachrecherchiert zu haben, wie der Autor ausdrücklich mitteilt. Die Zuverlässigkeit der Informationen hängt also von der Glaubwürdigkeit der Hilfsorganisationen ab, von denen hier die Rede ist. Unter diesem Vorbehalt ist das Buch jedoch unbedingt zu empfahlen und trägt dazu bei, in der Presse oder im internet stärker auf solche Berichte zu achten, die es leider täglich gibt. So ist heute in der Tagespresse von der Vertreibung syrischer Christen durch die IS die Rede (25.02.2015).

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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