Vatikanische Wirtschaftsethik, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016

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Zu: Hans Frambach, Daniel Eissrich: Der dritte Weg der Päpste, Die Wirtschaftsideen des Vatikans, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz und München 2016, Softcover, gebunden, 283 Seiten, ISBN: 978-3-86764-600-0, Preis: 19,99 Euro

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Während Dr. Daniel Eissrich im Bereich der Wirtschaftssysteme an der Deutschen Bundesbank als Bundesbankdirektor tätig ist, arbeitet Prof. Hans Frambach in Forschung und Lehre der Volkswirtschaftslehre an der Universität Wuppertal. Sie widmen sich den vatikanischen Verlautbarungen zu wirtschaftsethischen Fragen vom 19. Jahrhundert an.

Die Äußerungen der Päpste allgemein wirken in moralischer Hinsicht oft antimodern und auch in kirchlich-institutionellen Fragen rückständig. Ganz anders die Aussagen zur Wirtschaft. Sie überraschen durch ihre pointierte Sprache und radikale Orientierung an den Armen der Weltsituation. Hier werden klar und deutlich Missstände angeprangert, und zwar von  der Entdeckung der „Arbeiterfrage“ an. Die politische Positionierung ist wohl eher zu vermeiden, um nicht in die Nähe des Sozialismus zu geraten. An eine wirkliche Theologie der Befreiung ist in der Regel nicht gedacht. Es genügt den Päpsten völlig, den Spuren des Evangeliums zu folgen, um von dort her, die Folgen der Wirtschaftsordnungen in den Blick zu nehmen.

Ich wähle in dieser Rezension den Weg, in einer Auswahl zunächst einen Blick auf die aktuellste Position des Vatikans zu werfen, um danach noch kurz auf das Fazit des Buches einzugehen. Aus Richtung von Papst Franziskus lassen sich starke Worte vernehmen: „Alles richtet sich nach ‚Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren’, was für viele Menschen den Kampf um das nackte Überleben bedeutet, weit entfernt von einem Leben in Würde“ (S. 213). Während solche Worte radikal, ja fast links klingen, scheint Papst Franziskus in praktischer Hinsicht eher „ordoliberale Prinzipien“ zu vertreten. Anstelle politisch  engagierte Vorstellungen zu betonen, wird das „technokratische Paradigma“ der Moderne beklagt (vgl. s. 220). Ist die päpstliche Tradition des Antimodernismus nun in der Wirtschaftsethik angekommen (d. Rez.)? Klar ist dann, dass die progressiv vorgetragenen Texte sich politisch zurückhaltend zeigen, als würde hier einer nur die Vorlagen liefern wollen, nicht aber die Tore erzielen. Wenn etwa die Verbindung zwischen der ökologischen und sozialen Krise in der Globalisierung aufgezeigt wird, wird gerade darin eine konkrete Umsetzung kaum deutlich. Wird die Kirche die notwendigen Schritte selbst bewirken, wenn es etwa heißt: „Der Mensch muss sich ändern. Ihm mangelt es an Bewusstsein für den gemeinsamen Ursprung, die wechselseitige Zugehörigkeit und die Vorstellung einer von allen geteilten Zukunft.“ (S. 227).

Der Schlussteil des Buches zeigt als „Epilog“ einen Blick auf die hier so genannten Positionen eines dritten Weges. Hier werden alle päpstlichen Verlautbarungen wie an einer Perlenkette (oder einen Rosenkranz?) aufgereiht. So sehr sich die Kirche für die Arbeiter und die Armen einsetzt, genauso bezieht sie Distanz zu deren politischen Vertretern. Sogar das Fazit der ökonomischen Experten ist zuletzt skeptisch, da in den päpstlichen Texten trotz aller Anprangerung der Missstände das Appellative überwiegt. So heißt es hier: „Die Ökonomen vertreten diesbezüglich eine andere, skeptischere Sicht. Sie glauben nicht an die individuelle Einsicht der Menschen in die Vernunft der Dinge, an eine innere oder äußere Bekehrung. Sie sind vielmehr der Überzeugung, dass die meisten Menschen zunächst an sich selbst und die Verfolgung ihrer eigenen Interessen denken…“ (S. 246)

Zu einem echten Dialog mit den ökonomischen Positionen scheint die Betonung der Appellation nicht zu führen. Anders wäre es hingegen, wenn die Kirchen vor Ort sich wirtschaftsethische Fragen zu eigen machen würden, was allerdings über das Einsammeln von Kollekten deutlich hinausgehen würde (d. Rez.).

Hier ist eine Einschätzung von Germanwatch zur Enzyklika „Laudato Si“: http://germanwatch.org/de/10479

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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