Zu: Hans-Joachim Höhn: Praxis des Evangeliums Partituren des Glaubens, Wege theologischer Erkenntnis, Echter Verlag, Würzburg 2015, ISBN 978-3-429-03824-3 (Print), 320 Seiten, Softcover, Preis: 19,90 Euro
Hans-Joachim Höhn (geb. 1957) Professor für katholische Theologie in Köln, stellt sich in diesem Buch dem Anspruch, die Begründung der Theologie als Wissenschaft zu erklären und sie in Bezug auf die Adressanten modernen Denkens plausibel zu machen. „Sie darf es ihren Adressaten nicht ersparen wollen, sich jenen Problemen zu stellen, welche Zweifel und Kritik aus Glauben zu provozieren.“ (S. 5). Ein Blick auf seine Publikationsliste im Internet zeigt, dass Hermeneutik und Religionsphilosophie Schwerpunkte seiner Lehre sind. Im dort belegten interview aus dem Jahr 2011 kündigt er die Teilnahme an einem Marathonlauf an. Da wird er sich im theologischen Denken und Argumentieren auch keine vorschnellen Abkürzungen und Vereinfachungen leisten.
Das hier im Vorwort angerissene Thema lässt sich dezidiert im Hauptteil verfolgen, wo es Hans-Joachim Höhn um die wissenschaftstheoretische Reflexion geht. Es sind die beiden ersten Abschnitte des Kapitels „Konstellationen: Vernunft und Glaube“, überschrieben mit: „Glauben – Hoffen – Lieben: Wozu Theologie?“ (S. 119 – 131) und „Theologie im Dienst des Glaubens: Wissenschaft oder hölzernes Eisen?“ (S. 131 – 151).
Vom Anspruch der Wissenschaft her soll Theologie die Sache der Vernunft vertreten. Dazu soll wiederum der Glaube unter dem Blickwinkel der Vernunft betrachtet werden, die „Selbsterfassung des Glaubens“ als „Erschließung einer spezifischen Einstellung zur Wirklichkeit“ (S. 125). Damit erinnert Theologie, aber auch der gesamte Wissenschaftsbetrieb an die Notwendigkeit der Kontextualisierung. Theologisch zu denken heißt, mit Widerspruch und Kritik argumentativ umzugehen (vgl. S. 127). „Eine auf säkularem Argumentationsniveau angesiedelte Theologie hält die Traditionen christlicher Lebensdeutung und Handlungsorientierung auf andere Weise lebendig als eine meditativ auftretende Glaubensreflexion.“ (S. 130). Theologie steht im Dienst der Nachdenklichkeit, nicht der Frömmigkeit. Sie ist notwendig als religionsinterne Kritik. Hans-Joachim Höhn bezieht sich dabei auf die Positionsbestimmung des Wissenschaftsrates für die Theologie, der an die „Kontingenz der Lebens- und Deutungsmöglichkeit menschlichen Lebens erinnert.“ (Vgl. S. 137). Daher ist die Sprache der Theologie auch ein Vollzug des Glaubens, denn Theologie muss vom Subjekt getragen werden. Dazu steht Theologie auch im kirchlichen Kontext und ist damit auf eine soziale Anbindung angewiesen: „Soziale Quellen des Wissens sind unverzichtbar.“ (S. 141). Das Wort „Gott“ wird im folgenden Abschnitt ontologisch reflektiert, wobei an dieser Stelle der Begriff der Ontologie nicht aus dem Kontext heraus bezeichnet und damit als bekannt voraus gesetzt wird. Dass hingegen nun die Grundfrage der Metaphysik behandelt wird, wird nicht ausdrücklich gesagt. Aber es heißt in der Argumentation klar genug: „Das Wort Gott steht für den Unterschied zwischen Sein und Nichts.“ (S. 148/149). Dabei ist im strengen Sinn von Transzendenz die Rede, wobei sich anthropomorphe Metaphern als schwierig herausstellen. In der Sprache Heideggers müsste man sagen: Gott ist kein Seiendes. Hans-Joachim Höhn schreibt: „Gott ist kein ‚etwas’ oder ‚jemand’, denn dann wäre er nicht von seinem Wesen her verschieden von allem, was ein ‚etwas’ oder ‚jemand’ ist.“ (S. 149). Dieser Abschnitt endet jedoch nicht mit einer klaren Position, sondern mit Fragen, da sowohl die „theologia naturalis“ als auch die „Offenbarungstheologie“ richtige Aspekte vertreten, andererseits aber mit methodischen Problemen zu tun haben. Gerade diese Fragen zeigen, dass der von Hans-Joachim Höhn vorgelegte Diskurs Perspektiven zur Weiterarbeit bietet, die sowohl den Glauben als Gegenstand als auch der Vernunft als Methode gerecht werden können.
Es ist allerdings richtig, dass Hans-Joachim Höhn die Fragestellung doch ein wenig aus der Alternative zwischen Glaube und Vernunft auf eine andere Ebene heben wird, was er im letzten Teil durch eine Adaption der Semiotik vornimmt. Diesen Teil habe ich aus Zeitgründen nur kursiv zur Kenntnis genommen, denke aber, dass die Weichenstellungen auch über die schlichte Hermeneutik hinausgehen. Es ist vermutlich gerade sachgemäß, dass der Diskurs des Glaubens immer wieder zu neuen Fragen führt, die neue und andere Diskursräume ermöglichen. Vielleicht ist es doch sinnvoll, mit einem kurzen Zitat aus dem Epilog zu schließen: „Die Frage, was das Christsein in Gegenwart und Zukunft ausmacht, greift daher zu kurz, wenn sie nur die institutionellen und strukturellen Aspekte kirchlich vermittelter Glaubenspraxis erfasst. Wie man Christ werden oder bleiben kann, hängt vielmehr entscheidend davon ab, ob es gelingt, das Evangelium biografienah zu erschließen. Dazu bedarf es einer Sprache, die resonanzfähig ist für die Brüche und Irritationen auch jener Gewissheiten, aus denen heraus Menschen ihr Leben führen.“ (S. 309)
Nun ja, diese Konsequenz werde ich nicht ziehen. Ich plädiere zum Einen für subjektive Ehrlichkeit. Wir sollten immer auch sagen, was wir unter „Gott“ verstehen. Damit ist auch schon das Zweite verbunden: während die Metaphysik immer Definitionen vornimmt und einen Gottesbegriff vorschreibt, kennt die Religion eher eine Vielfalt davon, was in der „Bibel in gerechter Sprache“ durch ein Angebot von Ausdrücken für Gott wiedergegeben wird.
Gott sollte auf keinen Fall mehr auf einen Begriff von Herrschaft festgelegt werden. Kenosis (Entleerung) heißt für mich, dass Gott keine Vormachtstellung mehr hat, sondern in die Vielfalt des Menschlichen eingeht.
Ist die praktische, d.h. sprachliche Konsequenz von Gott ist kein „etwas oder jemand“ nicht, ein anderes Wort zu finden, das diese Abstraktion (fast möchte ich sagen, kenosis) nachvollzieht? Für die Religionspädagogik und die Verkündigung könnte es eine Kardinalfrage sein, wie ein nicht-personales „Gottes-„Bild zu denken und zu vermitteln sei.